Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 723

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 723 (NJ DDR 1963, S. 723); beteiligt und ihre Empörung über die Tat zum Ausdruck gebracht hatten, also sicher bereit gewesen wären, einen Vertreter der Hausgemeinschaft als gesellschaftlichen Ankläger zu beauftragen, wurde in dieser Richtung vom Staatsanwalt nichts unternommen. Vielmehr regte er im Betrieb des Beschuldigten die Delegierung eines gesellschaftlichen Verteidigers an. Unklarheiten bestehen auch noch darüber, ob in einem Verfahren sowohl ein gesellschaftlicher Ankläger als auch ein gesellschaftlicher Verteidiger auftreten kann. Wenn darüber auch z. Z. noch wenig Erfahrungen vorhegen, so wird man doch sagen müssen, daß generell keine Notwendigkeit dafür besteht. Jedenfalls geht die Meinung fehl, der Angeklagte wäre im Verfahren schlechtergestellt, wenn zwar ein gesellschaftlicher Ankläger, nicht aber ein gesellschaftlicher Verteidiger mitwirkt. Diese Auffassung verkennt das Wesen dieser Vertreter der Öffentlichkeit, die die Meinung ihres Kollektivs vortragen und dadurch zur Erforschung der objektiven Wahrheit und zur Findung einer gerechten Entscheidung beitragen sollen. Gelangen jedoch zwei Kollektive des Täters (z. B. im Betrieb und im Wohnbezirk) zu unterschiedlichen Einschätzungen in bezug auf die Tat und die Person des Täters, dann sollte das Gericht Vertreter beider Kollektive (als gesellschaftliche Ankläger und als gesellschaftliche Verteidiger) zulassen. Dafür folgendes Beispiel: In einem Verfahren im Stadtbezirk Treptow wegen Verletzung der Arbeitsschutzbestimmungen lenkte der Staatsanwalt bereits im Ermittlungsverfahren bei einer Aussprache im Bezirksvorstand des FDGB die Aufmerksamkeit auf die Pflichten der Betriebsfunktionäre für die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen. Der Bezirksvorstand des FDGB beschloß, einen Mitarbeiter als gesellschaftlichen Ankläger vorzuschlagen, der im Verfahren generell zur Bedeutung des Arbeitsschutzes und zur Verantwortung der Betriebsfunktionäre für dessen Einhaltung Stellung nehmen sollte. Eine Aussprache mit den Werktätigen des Betriebes hatte zum Ergebnis, daß für den Beschuldigten, der sonst ein vorbildlicher Arbeiter ist, von seinem Kollektiv ein gesellschaftlicher Verteidiger beauftragt wurde. Zu beachten ist in solchen Fällen, daß die Anträge auf Zulassung eines gesellschaftlichen Anklägers und eines gesellschaftlichen Verteidigers von zwei verschiedenen Kollektiven bzw. gesellschaftlichen Organisationen gestellt werden müssen1. Unbefriedigend waren die Vorbereitungen in einem Verfahren im Stadtbezirk Prenzlauer Berg, in dem mehrere Betriebsangehörige des fortgesetzten Diebstahls im Betrieb angeklagt waren. Auf Grund eines Hinweises des Staatsanwaltes beauftragten Betriebsleitung und BGL einen gesellschaftlichen Verteidiger. Die Strafkammer vertrat zu Recht die Auffassung, daß in diesem Verfahren eher ein gesellschaftlicher Ankläger am Platz wäre. Auf die Anregung des Gerichts benannte die Brigade der Beschuldigten einen gesellschaftlichen Ankläger. Im Ergebnis wurden beide, sowohl der gesellschaftliche Ankläger als auch der gesellschaftliche Verteidiger, Vom Gericht zugelassen. Diese Entscheidung widerspricht den Forderungen des Rechtspflegeerlasses. Hier wäre es notwendig gewesen, mit dem gesamten Betriebskollektiv die Auseinandersetzung solange zu führen, bis eine einheitliche Auffassung in bezug auf Tat und Täter erreicht und nur ein Vertreter des Betriebes delegiert worden wäre. Wenn die Mitarbeiter der Rechtspflegeorgane die Aus- l Vgl. Semler/Kern, Rechtspflege Sache des ganzen Volkes, Berlin 1963, S. 81. In der CSSR dagegen wird es grundsätzlich abgelehnt, daß gesellschaftliche Ankläger und Verteidiger in einem Verfahren auftreten. Vgl. dazu Schur, Die Teilnahme der Werktätigen am Strafverfahren in der CSSR“, NJ 1963, S. 278 f. einandersetzungen in den Betrieben, in den sozialistischen Kollektiven organisieren helfen und fördern, dann werden sie sehen, daß sie nicht nur in der Erziehung eines einzelnen Täters vorangekommen sind, sondern damit einen echten Beitrag zur Zurückdrängung der Kriminalität geleistet haben. Zum Auftreten gesellschaftlicher Ankläger oder Verteidiger Die bisherige Diskussion über die Form der Delegierung des gesellschaftlichen Anklägers und Verteidigers birgt die Gefahr des Abgleitens in Formfragen in sich, weil die Forderung nach einer „Vollmacht“ bzw. nach einem Protokollauszug eine überspitzte Anforderung ist* S. 2. Es genügt u. E. ein Antrag des Kollektivs, aus welchem lediglich erkennbar sein muß, von welchem Kollektiv der gesellschaftliche Ankläger oder Verteidiger benannt wird. Unzulässig ist die Praxis einiger Staatsanwälte, selbst Antrag auf Zulassung eines gesellschaftlichen Anklägers oder Verteidigers zu stellen. Nach den Festlegungen im Rechtspflegeerlaß steht nur dem gesellschaftlichen Kollektiv ein Antragsrecht zu. Wir müssen in jedem Fall vermeiden, daß der gesellschaftliche Charakter der neuen Teilnahmeformen und ihre Wirksamkeit in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden. Natürlich hat aber der Staatsanwalt die Möglichkeit, seine Meinung zum Antrag des Kollektivs zum Ausdruck zu bringen und diesen Antrag zu unterstützen. Eine derartige Äußerung des Staatsanwalts ist u. E. als schriftliche Erklärung im Sinne des § 30 StPO zu deuten. Lübchen, Naumann und Oehmke3 vertreten die Auffasung, daß die Ausführungen des gesellschaftlichen Anklägers oder Verteidigers in der Hauptverhandlung Beweismittel seien. Die Verfasser führen u. a. aus, daß gesellschaftliche Ankläger und Verteidiger nicht nur Prozeßpartei seien, sondern daß ihre Ausführungen insoweit Beweiskraft hätten, als sie be- und entlastende Umstände darlegten, die sie oder das Kollektiv unmittelbar selbst wahrgenommen hätten, und soweit ihren Ausführungen nicht widersprochen werde. Diese These ist nicht geeignet, Klarheit zu schaffen, zumal die Verfasser weiter erklären, daß gesellschaftliche Ankläger oder Verteidiger aber nicht andere Beweismittel ersetzen. Damit ist lediglich gesagt, daß diejenige Äußerung des gesellschaftlichen Anklägers oder Verteidigers beweiskräftig ist, die unbestritten ist. Dieser These kann nicht zugestimmt werden. Äußerungen haben nicht allein dadurch Beweiskraft, daß sie nicht besti'itten werden. Die Urteilsfindung kann sich aber nur auf eine exakte Beweisführung stützen und nicht auf unbestrittene Behauptungen oder Äußerungen. Die Frage kann nur dann richtig beantwortet werden, wenn man von der Bedeutung des gesellschaftlichen Anklägers oder Verteidigers ausgeht. Vornehmste Aufgabe des gesellschaftlichen Anklägers oder Verteidigers ist es, nachdem im jeweiligen Kollektiv die gesamte Problematik der Strafsache beraten und eine möglichst einheitliche Meinung gebildet wurde, dem Gericht zu helfen, durch eine objektive Darstellung noch tiefer in den Prozeßstoff einzudringen und bei der Aufdeckung der Ursachen und begünstigenden Bedingungen sowie bei der Bekämpfung und Zurückdrängung der Kriminalität zu helfen. Wenn Lübchen/Naumann/Oehmke die Frage nach der Stellung des gesellschaftlichen Anklägers oder Verteidigers darauf zuspttzen, ob die Aus- 2 Vgl. I, üb eh en N a u m a n n'O e h m k e. „Erste Erfahrungen über das Auftreten gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger“, NJ 1963. S. 626. 3 a. a. O., S. 627. 723;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 723 (NJ DDR 1963, S. 723) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 723 (NJ DDR 1963, S. 723)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die mittleren leitenden Kader sind noch mehr zu fordern und zu einer selbständigen Ar- beitsweise zu erziehen Positive Erfahrungen haben in diesem Zusammenhang die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwatungen haben in ihrem Zuständigkeitsbereich unter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und konsequenter Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens entsprechenden Vollzug der Untersuchungshaft zu erfüllen hat: Die sichere Verwahrung der Verhafteten. In den Grundsätzen der Untersuchungshaftvollzugsordnung wird betont, daß der Vollzug der Untersuchungshaft den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen kann. Die Untersuchungshaft wird in den Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums des Innern und Staatssicherheit vollzogen. Sie sind Vollzugsorgane. Bei dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen känp, -sk?;i. Aus dieser und zli . Auf gabenstellung ergibt sich zugleich auch die Verpflichtung, die Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit ist die Staatsanwaltschaftüche Aufsicht über den Vollzug der Untersuchungshaft zu werten. Die staatsanwaltschaftliohe Aufsicht über den Untersuchungs-haftVollzug - geregelt im des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und wirksamen Bekämpfung der Feindtätigkeit und zur Gewährleistung des zuverlässigen Schutzes der staatlichen Sicher heit unter allen operativen Lagebedingungen.

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