Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 642

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 642 (NJ DDR 1963, S. 642); In dem Verfahren waren leitende Mitarbeiter des ehemaligen VEB Schiefergruben Lehesten angeklagt, weil sie durch fortgesetzte . schwere Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen im Bergbau zwei schwere Unfälle verschuldet hatten, durch die neun Bergarbeiter getötet und zwei schwer verletzt worden waren. Das Bezirksgericht Gera hatte in erster Instanz ausnahmslos bedingte Strafen ausgesprochen. Über den Protest des Bezirksstaatsanwalts sowie über die Berufungen einiger Angeklagter gegen das erstinstanzliche Urteil hatte nunmehr der 2. Strafsenat des Obersten Gerichts zu entscheiden. Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Bezirksgericht Gera hatte sowohl bei den leitenden Funktionären als auch bei den Bergarbeitern des VEB Schiefergruben Lehesten und ihren Angehörigen keine genügende Klarheit über die Ursachen der beiden schweren Unfälle und über die notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Unfälle geschaffen. Das lag unter anderem daran, daß das Bezirksgericht zwar leitende Mitarbeiter des Bergbaus zur Verhandlung geladen, aber die Werktätigen des Betriebes nicht genügend einbezogen hatte. Der 2. Strafsenat des Obersten Gerichts entschloß sich deshalb, die Rechtsmittelverhandlung im Kultursaal des VEB Schiefergruben Lehesten vor den Arbeitern des Betriebes durchzuführen. Durch eine gründliche Vorbereitung des Verfahrens, bei der die Richter insbesondere die zentral und örtlich zuständigen Dienststellen konsultierten, mit den Bergarbeitern sprachen und den Abbau, in dem der Unfall passiert war, besichtigten, erwarben die Richter die erforderliche Sachkenntnis, um die komplizierten Fragen des Bergbaus richtig erörtern und über sie entscheiden zu können5 *. Auch die Sachkenntnis des Vertreters des Generalstaatsanwalts, der früher selbst einmal Steiger war, und eines der Verteidiger, der ebenfalls den Abbau unter Tage besichtigt hatte, verdienen hier hervorgehoben zu werden. In dem Rechtsmittelverfahren gelang es durch die sachkundige Verhandlung, an der alle Prozeßbeteiligten Anteil hatten, den rund 400 Zuhörern, die nach Schichtschluß an zwei Tagen mehrere Stunden lang mit großer Aufmerksamkeit dem Verfahrensablauf folgten, den Zusammenhang zwischen den Unfällen und den groben Verletzungen der Arbeitsschutzbestimmungen durch verantwortliche Mitarbeiter des VEB Schiefergruben Lehesten bewußt zu machen. Das war vor allem deshalb notwendig, weil nicht nur die angeklagten leitenden Mitarbeiter des Betriebes ihre Verantwortlichkeit mit dem Hinweis auf objektive Schwierigkeiten zu mindern suchten, sondern auch viele Bergarbeiter die Auffassung vertraten, daß Unfälle im Bergbau eben nicht vermeidbar seien. Das kam z. B. deutlich im Plädoyer eines Verteidigers zum Ausdruck, der seine Ausführungen mit dem Hinweis begann, daß seit11 Jahrhunderten Bergbau betrieben werde und daß seit dieser Zeit auch Unfälle geschähen. Bei den leitenden Mitarbeitern, aber auch bei vielen Bergarbeitern bestand ferner die falsche Auffassung, daß die Gewährleistung des Arbeitsschutzes und der technischen Sicherheit im Betrieb in erster Linie Angelegenheit der Bergbehörde und der Arbeitsschutzinspektion sei. Verhandlung und Urteil machten den Anwesenden klar, daß Betriebsunfälle im Bergbau keine schicksalhaften Erscheinungen, sondern grundsätzlich vermeidbar sind, wenn jeder leitende Mitarbeiter seine Verantwortung für den Gesundheits- und Arbeitsschutz erkennt, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergreift und auch alle Bergarbeiter davon überzeugt, daß die genaue Ein- 5 Vgl. dazu „Die gesellschaftliche Wirksamkeit der Recht- sprechung in Strafsachen erhöhen!“, NJ 1963 S. 579. haltung der Arbeitsschutzbestimmungen vor Gefahren schützt und Arbeitsunfälle ausschließt. Es wurde ferner herausgearbeitet, daß nach dem Gesetzbuch der Arbeit und der Arbeitsschutzverordnung ausschließlich der Betriebsleiter und die anderen leitenden Mitarbeiter des Betriebes in ihrem jeweiligen Bereich für die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen verantwortlich sind und die Bergbehörde sowie die Arbeitsschutzinspektoren lediglich die Kontrolle darüber auszuüben haben (§11 der VO über die Oberste Bergbehörde, §§ 28, 29 ASchVO). Der ständigen Mißachtung der Sicherheitsbestimmungen im VEB Schiefergruben Lehesten lag die falsche Ideologie zugrunde, daß bei strikter Einhaltung aller für die Gewährleistung der Sicherheit im Bergbau bestehenden Bestimmungen der Produktionsplan nicht erfüllt und die Arbeitsproduktivität nicht gesteigert werden könne. Diese Auffassung spiegelte sich auch in der Stellungnahme der Betriebsleitung, der Parteileitung und der BGL zu den Unfällen und der Verantwortung der Angeklagten wider. Betriebsleitung, Parteileitung und BGL hatten gemeinsam den Justitiar des Betriebes und einen Betriebsabteilungsleiter als gesellschaftliche Verteidiger vorgeschlagen. In dem Bestreben, zur Entlastung der Angeklagten beizutragen, schwächten die gesellschaftlichen Verteidiger die Verantwortung der Angeklagten für die Verletzungen der Sicherheitsbestimmungen ab, wobei sie darauf hinwiesen, daß die Angeklagten überlastet gewesen seien und die unfallfreie Entwicklung in den zurückliegenden Jahren sie in der Annahme bestärkt habe, sie würden ihren Pflichten gerecht. Diese Ausführungen liefen objektiv auf eine Rechtfertigung der falschen ideologischen Auffassungen in der Betriebsleitung und unter großen Teilen der Werktätigen hinaus. Die Tatsache, daß der eine gesellschaftliche Verteidiger selbst Betriebsabteilungsleiter im Kombinat der Schieferabbaubetriebe ist, deutet darauf hin, daß auch in seinem Verantwortungsbereich unklare Vorstellungen über die Rolle des Arbeitsschutzes für die Steigerung der Arbeitsproduktivität herrschten. Der Zentralvorstand der IG Bergbau hatte einen Mitarbeiter als gesellschaftlichen Ankläger benannt, der im Verfahren die Interessen der Gewerkschaft als Kontrollorgan des Arbeitsschutzes wirkungsvoll vertrat und nachwies, daß die Unfälle bei straffer sozialistischer Leitungstätigkeit unter strikter Beachtung der Vorschriften über Arbeitsschutz und technische Sicherheit im Bergbau hätten verhütet werden können. Er hob aber auch zugunsten des Angeklagten W. dessen ungenügende Qualifikation hervor und kritisierte die Werkleitung, die W. als Steiger im Untertagebau eingesetzt hatte, obwohl es ihm hierfür an Erfahrungen fehlte. Ein gewisser Mangel des Verfahrens war es, daß der gesellschaftliche Ankläger nach dem Staatsanwalt und die gesellschaftlichen Verteidiger nach den Rechtsanwälten plädierten, so daß Staatsanwalt und Rechtsanwälte auf das Vorbringen der Vertreter der Öffentlichkeit nicht eingehen konnten0. Der Senat hat es auch unterlassen, in der Urteilsbegründung zu dem Vorbringen und den Anträgen der gesellschaftlichen Verteidiger und des gesellschaftlichen Anklägers Stellung zu nehmen. Dazu wäre er aber u. E. nach dem Rechtspflegeerlaß des Staatsrates (Zweiter Teil, Erster Abschnitt, IV, C, 5) verpflichtet gewesen, auch wenn dort für das zweitinstanzliche Verfahren nur von einer Teilnahme der gesellschaftlichen Ankläger bzw. f Das wird von Semler/Kern, Rechtspflege Sadie des ganzen Volkes, Berlin 1963, S. 81, und von Lübchen/Naumann/'Oehmke, „Erste Erfahrungen über das Auftreten gesellschaftlicher Ankläger und Verteidiger“, NJ 1963 S. 628, u. E. mit Recht gefordert. 642;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 642 (NJ DDR 1963, S. 642) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 642 (NJ DDR 1963, S. 642)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

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