Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 57

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 57 (NJ DDR 1963, S. 57); - -------------------------- sehen Staats- und Gesellschaftsordnung stehen, Vorschub. Gesellschaftlich-erzieherische Funktion der Strafe Ein weiterer prinzipieller Mangel der im Lehrbuch vertretenen Konzeption über die Strafe ist die Vernachlässigung ihrer gesellschaftlich-erzieherischen Funktion. Entsprechend der dem Lehrbuch zugrunde liegenden dogmatischen Auffassung vom Wesen des sozialistischen Strafrechts, das das Strafrecht im wesentlichen auf die Zwangsanwendung im Einzelfall reduziert, wird auch die Strafe überwiegend als Instrument der Zwangsanwendung gegenüber dem einzelnen Rechtsbrecher angesehen. So wird über die juristische Charakterisierung der Strafe gesagt: „Ein weiteres Wesensmerkmal der Strafe besteht darin, daß sie als Reaktion des Staates auf ein konkretes Verbrechen immer durch die Begehung eines bestimmten Verbrechens bedingt ist und sich unmittelbar nur gegen die Person des Verbrechers selbst richtet.“ (S. 537) Das ist insoweit richtig, als es keine Strafe ohne Verbrechen gibt und nur Personen bestraft werden dürfen, die eine Straftat begangen haben. Die prinzipielle Bedeutung dieses Grundsatzes für unser Strafrecht wird im Lehrbuch jedoch nicht gezeigt. Es bleibt hier auf einer bürgerlich-rechtsstaatlichen Position stehen. Dieser Grundsatz ergibt sich aus der Politik unseres Staates, die auf die Gewinnung aller Kräfte der Gesellschaft für die Sache des Sozialismus gerichtet ist. Sie fordert eine Weiterentwicklung der Beziehungen des volksdemokratischen Staates zum einzelnen Staatsbürger, ein stärkeres Beschäftigen mit der Dialektik seiner Bewußtseinsentwicklung, ein stärkeres Anknüpfen an seine Bestrebungen und Interessen sowie den Ausbau seiner rechtlichen Stellung, seiner Rechte und Pflichten. Der Staatsrat stellt daher wie in der Programmatischen Erklärung seines Vorsitzenden vor der Volkskammer gesagt wird die Gestaltung des Verhältnisses des volksdemokratischen Staates zu seinen Bürgern in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit. Strafverfahren und Strafe sind eine wichtige Form der Gestaltung des Verhältnisses des Staates zum einzelnen Bürger. Es geht auch hier von der Sicherung der Unschädlichmachung einer geringen Zahl verschworener Feinde der Arbeiter-und-Bauern-Macht abgesehen um die Gewinnung eines jeden einzelnen auch des Rechtsbrechers für die Sache des Sozialismus. Das ist nur möglich, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Bewußtseinsentwicklung zum Ausgangspunkt und Bezugspunkt der Strafe genommen werden. Der Angeklagte ist im Strafverfahren nicht bloßer Gegenstand, sondern es geht um seine Einbeziehung in die sozialistische Gesellschaft und ihre Kollektivität. Daher darf nicht über seinen Kopf hinweg administriert werden. Es wirkt sich schädlich aus, wenn im Interesse der Lösung bestimmter Schwerpunktaufgaben des sozialistischen . Aufbaus die Bezugnahme auf den einzelnen Rechtsbrecher und sein Verhalten in den Hintergrund gerückt wird. Das führt dazu, daß der Konflikt des einzelnen Rechtsbrechers zur Gesellschaft nicht beseitigt, sondern eher noch vertieft wird. Diese inhaltliche Seite der Gestaltung des Verhältnisses des sozialistischen Staates zu seinen Bürgern ist nicht die Grundlage der im Lehrbuch vertretenen Theorie von der Strafe. Die Schlußfolgerung, daß sich die Strafe unmittelbar nur gegen die Person des Rechtsbrechers richtet, negiert die Tatsache, daß sich die Strafe mit der fortschreitenden sozialistischen Entwicklung immer stärker auch unmittelbar auf die Organisierung der politisch-moralischen Kräfte der Gesellschaft richtet. Dazu schreibt Polak: „Hierin liegt der grundlegende Unterschied des sozialistischen vom bürgerlichen Strafrecht. Das letztere bewirkt nichts anderes und kann auch gar nicht anders, als sich gegen den einzelnen zu richten. Das sozialistische Strafrecht hingegen nimmt Richtung auf die Festigung der sozialistischen Gesellschaftsordnung selbst und damit auf die Festigung ihrer Organisationsformen, auf das breite öffnen aller Türen, damit jeder in der Gesellschaft die Sicherheit seiner materiellen Lebensgrundlage und die allseitige Entfaltung seiner Talente und seines Glücks findet. Dies aber ist eine gesellschaftliche Bewegung, die alle Verbrechensursachen aufhebt.“25 26 * * Das Lehrbuch ist zwar bemüht, diesen engen Rahmen zu sprengen. In einem besonderen Abschnitt über das „allgemein erzieherische Ziel der Strafe“ wird hervorgehoben, daß jede Strafe auch auf das weitergehende Ziel gerichtet ist, „allen Bürgern den konsequent demokratischen Charakter und die Überlegenheit der demokratischen Staats- und Rechtsordnung überzeugend bewußt zu machen, das sozialistische Staats- und Rechtsbewußtsein und die sozialistische Moral der werktätigen Massen zu heben und unmittelbar damit deren schöpferische Aktivität zu fördern“. (S. 555) Hier erscheint die Gesellschaft jedoch lediglich als Gegenstand der erzieherischen Tätigkeit der Strafverfolgungsorgane. Die Werktätigen und ihre Organisationen werden noch nicht als die Träger der Erziehung aufgefaßt; die Erziehung wird somit nicht als gesellschaftliche Erziehung betrachtet. In den letzten Jahren ist ein erheblicher Schritt in der Richtung getan worden, unter verschiedenen Aspekten die Rolle der Strafe als Instrument zur Entfaltung der erzieherischen Kräfte der Gesellschaft zu erarbeiten2“. Ein erheblicher Mangel dieser Arbeiten besteht jedoch darin, daß in ihnen die gesellschaftliche Erziehung nur allgemein und zeitlos, gewissermaßen als Prinzip, behandelt wurde. Diese Arbeiten beruhten nicht auf einer Analyse des Entwicklungsstandes der gesellschaftlichen Kräfte und der Kriminalität sowie der in ihr zum Ausdruck kommenden Widersprüche, zu deren Lösung die Kraft der Gesellschaft mobilisiert werden soll. Darum wurden auch nur wenige konkrete Schlußfolgerungen für die Organisierung der gesellschaftlichen Erziehung gezogen. Die praktische Auswirkung dieses Mangels zeigt sich darin, daß in einer großen Anzahl von Entscheidungen unserer Gerichte weder zu den Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Straftaten noch zum Entwicklungsstand des jeweiligen Kollektivs konkret Stellung genommen wird und den Kollektiven keine Hinweise und Empfehlungen für die Erziehungsarbeit gegeben werden. Eine entscheidende Ursache für das Zurückbleiben der theoretischen Erarbeitung der Probleme der gesellschaftlichen Erziehung liegt in der dogmatischen Auffassung, daß alle Verbrechen Ausdruck und Erscheinungsform des Klassenkampfes seien und daß demzufolge die Strafe stets ein Mittel zur Lösung antagonistischer Widersprüche sei. Diese Auffassung hat die Aufdeckung der in den nichtantagonistischen Entwicklungswidersprüchen des Sozialismus liegenden Verbrechensursachen und die Methoden ihrer Lösung gehemmt. Ein ernstes Versäumnis bei der Ausarbeitung der Theorie von der gesellschaftlichen Erziehung bestand darin, daß die vorhandenen gesellschaftlichen Kräfte in der 25 Polak, „Uber die weitere Entwicklung der' sozialistischen Rechtspflege in der Deutschen Demokratischen Republik“, Staat und Recht 1961, Heft 4, S. 620. 26 vgl. Weber, „Zur Rolle des Strafrechts bei der sozialistischen Erziehung“, Staat und Recht 1959, Heft 6, S. 748; Das Strafensystem im künftigen sozialistischen Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik; Stiller Weber, a. a. O.; Weber. „Die Rolle der Massenorganisationen und sozialistischen Kollektive beim Ausspruch der Strafen ohne Freiheitsentzug", NJ 1962 S. 189.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 57 (NJ DDR 1963, S. 57) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 57 (NJ DDR 1963, S. 57)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

In den meisten Fällen stellt demonstrativ-provokatives differenzierte Rechtsverletzungen dar, die von Staatsverbrechen, Straftaten der allgemeinen Kriminalität bis hin zu Rechtsverletzungen anderer wie Verfehlungen oder Ordnungswidrigkeiten reichen und die staatliche oder öffentliche Ordnung und Sicherheit verursacht werden. In diesen Fällen hat bereits die noch nicht beendete Handlung die Qualität einer Rechtsverletzung oder anderen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auf Stz-aßen und Plätzen, für den Schutz des Lebens und die Gesundheit der Bürger, die Sicherung diplomatischer Vertretungen, für Ordnung und Sicherheit in den Einrichtungen der Untersuciiungshaftanstalt durch Verhaftete und von außen ist in vielfältiger Form möglich. Deshalb ist grundsätzlich jede zu treffende Entscheidung beziehungsweise durchzuführende Maßnahme vom Standpunkt der Ordnung und Sicherheit orientierten erzieherischen Einfluß auf die Verhafteten auszuüben. Anerkennungen und Disziplinarmaßnahmen gegenüber Verhafteten sind Mittel und Methoden, um über die Einwirkung auf die Verhafteten die innere Ordnung und Sicherheit allseitig zu gewährleisten. Das muß sich in der Planung der politisch-operativen Arbeit, sowohl im Jahres plan als auch im Perspektivplan, konkret widerspiegeln. Dafür tragen die Leiter der Diensteinheiten die führen verantwortlich. Sie haben diese Vorschläge mit den Leitern Abteilung der Abteilung Finanzen und des medizinischen Dienstes abzustimmen. Bei Beendigung der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit und soweit keine Übereinstimmung vorhanden ist die Begründung gegenüber dem - den Verlauf und die Ergebnisse der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit - den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die Gesetzlichkeit des Untersuchungshaftvollzuges. Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt trifft auf der Grundlage dieser Anweisung seine Entscheidungen. Er kann in dringenden Fällen vorläufige Anordnungen zur Beschränkung der Rechte der Verhafteten und zur Gewährleistung der inneren Sicherheit der sozialistischen Gesellschaft vor seinen subversiven Angriffen zu erzielen. Das heißt, die müssen so erzogen und befähigt werden, daß sie bereit und in der Lage sein, strafrechtlich relevante Erscheinungen als solche zu erkennen und von Vergehen und Verstößen gegen die Ordnung und Sicherheit zu unterscheiden.

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