Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 55

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 55 (NJ DDR 1963, S. 55); Diese Annahme ist vor allem eine ideologische Wurzel für den von Partei und Staatsrat mehrfach kritisierten unberechtigt hohen Anteil kurzfristiger Freiheitsstrafen. Diese Feststellungen leugnen nicht, daß die gerichtliche Strafe eine Zwangsmaßnahme ist. Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, muß die Strafe eine nach der jeweiligen Strafart unterschiedliche Zwangswirkung haben. Die Strafe ist auch die einschneidendste Zwangsmaßnahme des sozialistischen Staates, an deren Verhängung deshalb besonders hohe Anforderungen gestellt werden müssen. Es wäre falsch, die Unterschiede zwischen der Strafe und den Maßnahmen der gesellschaftlichen Einwirkung, wie sie vor allem von den Konfliktkommissionen ergriffen werden, zu verwischen. Solche Tendenzen zeigen sich in der Praxis einiger Konfliktkommissionen, indem versucht wird, ihre Tätigkeit der der staatlichen Gerichte anzugleichen (z. B. „Zeugenvernehmungen“ durchzuführen oder Geldstrafen zu verhängen)'*. Im Lehrbuch wird der Zwang (Nachteilszufügung) zum eigentlichen Inhalt der Strafe erklärt, dessen Anwendung automatisch die mit der Strafe zu erreichenden Wirkungen, vor allem die politisch-moralische Mißbilligung, hervorbringt. Dadurch wird das Recht von seiner Verwirklichung getrennt; deshalb gilt die Forderung P o 1 a k s an die Staats- und Rechtswissenschaft auch hier in vollem Umfange: „Es kommt darauf an, daß sie aufhört, die Wirksamkeit der Norm (hier der Strafe H. W.) aus dieser selbst zu erklären und damit das Recht von. seiner wahren Funktion, Instrument der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse zu sein, trennt“* 15. Der Zwang, der jeder gerichtlichen Strafe wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß eigen ist, ist nur Mittel zum Zweck, er dient der Erfüllung der Funktionen der Strafe, indem er dazu beiträgt, die Bedingungen dafür zu schaffen. Von der Unterdrückung einer Handvoll verschworener Feinde, von unbelehrbaren Kriminellen und Menschen, die schwere Straftaten begehen, abgesehen, dient der Zwang bei der Strafe vor allem dazu, den sich entwickelnden politisch-moralischen Kräften der Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Seite des Strafzwangs arbeitete Renneberg bereits auf der Tagung der Sektion Strafrecht am 10. Dezember 1960 heraus16. Stiller und ich setzten diesen Gedanken fort, indem wir die Strafen ohne Freiheitsentzug als „Synthese zwischen der notwendigen Anwendung staatlicher Zwangsmaßnahmen und dem Tätigwerden der sich entwickelnden politisch-moralischen Kräfte der Gesellschaft“ charakterisierten und die Rolle des Zwanges dabei wie folgt formulierten: „Der Zwang ist dabei ein notwendiges Mittel, das Wirksamwerden der gesellschaftlichen Kräfte zu sichern, und unterstreicht ihre Autorität. Im gegenwärtigen Stadium der gesellschaftlichen Entwicklung ist noch nicht gewährleistet, daß sich in allen Fällen die gesellschaftlichen Kräfte völlig durchsetzen können, ohne daß ihnen durch den staatlichen Zwang in Form der Strafe der Weg gebahnt ist“17. M Der sowjetische Strafrechtler Eikind bezeichnet es als prinzipiell falsch, die Tätigkeit der Kameradschaftsgerichte in prozeßrechtlichen Formen ablaufen zu lassen. Er wendet sich gegen die von Bashanow vertretene Auffassung, daß die Tätigkeit der Kameradschaftsgerichte eine neue Form des Strafverfahrens sei („Die strafrechtlichen und strafprozeß-rechtlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der Verbreiterung der Teilnahme der Öffentlichkeit am Kampf gegen die Kriminalität“, Sowjetstaat und Sowjetrecht 1961, Nr. 3, S. 52 ff. russ.j. 15 Polak, a. a. O., S. 83. 16 Vgl. Das Strafensystem im künftigen sozialistischen Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik (Protokoll), Berlin 1961, S. 21 f. 17 Stiller/Weber, a. a. O., S. 84. Wir haben versucht, Intensität und Bedeutung des Zwangselementes der Strafe bei den einzelnen Strafen ohne Freiheitsentzug differenziert darzustellen. Am Beispiel der Einhaltung des Leistungsprinzips und der Erziehung zur Arbeitsdisziplin und -moral haben wir die Rolle dieses Zwängselementes für die Durchsetzung der gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten gezeigt. Diese Ausführungen bleiben jedoch noch zu sehr im Allgemeinen stecken. Wichtige Aspekte dieses Problems wurden in meinem Artikel „Welche Bedeutung hat die Einstellung des Rechtsbrechers zur sozialistischen Arbeit für die richtige Einschätzung der Straftat und die Differenzierung der Strafe?“16 weiterentwickelt und konkretisiert. Auch in der sowjetischen Rechtswissenschaft wird die Bedeutung des Zwangselementes der Strafe hervorgehoben. So schreibt E1 k i n d, daß die Justizorgane die Aufgabe haben, durch Zwang zu erziehen. Die Einschränkung der Sphäre des Zwanges hänge nicht nur mit einer Ausweitung der Überzeugung und Erziehung, sondern auch mit einer Veränderung des Charakters des Zwanges zusammen19. Schargorodski weist darauf hin, daß die Strafe mit Zwang verbunden ist und Nachteile zufügt und daß die Furcht vor der Bestrafung Hemmungen erzeuge und gesellschaftlich nützliches Verhalten stimuliere. Er fordert in diesem Zusammenhang eine soziale und psychologische Analyse darüber, welche Wirkungen die einzelnen konkreten Formen der Strafe haben könnten, und verweist auf die große Bedeutung der Lehren Setschenows und Pawlows20. Es kommt also bei den künftigen Arbeiten zur Weiterentwicklung der Theorie der Strafe nicht darauf an, den staatlichen Zwang aus der Strafe zu eliminieren und die Strafe als eine Erziehungsmaßnahme schlechthin darzustellen, sondern es geht darum,- alle vorhandenen Erscheinungen einer einseitigen, undialektischen Darstellung des Zwanges zu überwinden. Das Zwangselement der Strafe muß als Instrument der Überzeugung und Erziehung, als Hebel der Entwicklung und Entfaltung der erzieherischen Kräfte betrachtet werden. Nur so kann die dialektische Einheit von Zwang und Überzeugung hergestellt werden, die bisher durch Tendenzen der Überbetonung des Strafzwanges und der Unterschätzung der erzieherischen Kraft der Gesellschaft gestört war. Funktionen der Strafe Auch die im Lehrbuch entwickelte Lehre von den Funktionen der Strafe bedarf einer kritischen Überprüfung. Bei ihrer Darstellung wird einleitend hervorgehoben, daß die Anwendung der Strafe für den sozialistischen Staat kein Selbstzweck ist, daß mit ihr nicht irgendwelchen transzendenten und spekulativen Prinzipien wie der „Sühne“ oder der „Vergeltung des Unrechts“ gehuldigt wird und daß die Ziele der Strafe durch die Funktionen des Staates bedingt werden (S. 547). Bei den weiteren Ausführungen wird jedoch die Auffassung, daß die Strafe nur ein Mittel zur Lösung antagonistischer Widersprüche sei, deutlich. So wird entgegen der realen Kriminaütätsentwicklung davon ausgegangen, daß sich die Strafe in erster Linie gegen konterrevolutionäre und andere schwere Verbrechen richtet (S. 547/48). Diese Lehre von den Funktionen der Strafe erklärt die Strafe in erster Linie zu einem Instrument der Klassenunterdrückung und erst in zweiter Linie zu einem 18 NJ 1961 S. 769. 19 Eikind, a. a. O. 2") Schargorodski, „Fragen der aUgemeinen Lehren von der Strafe in der Theorie des sowjetischen Rechts in der gegenwärtigen Etappe“, Sowjetstaat und SowjetreCht 1961, Nr. 10, S. 136 ff. (russ.). 55;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 55 (NJ DDR 1963, S. 55) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 55 (NJ DDR 1963, S. 55)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung begünstigen. erreicht die Qualität von Straftaten, wenn durch asoziales Verhalten das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung gefährdet werden - Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch Verbreitung dekadenter Einflüsse unter jugendlichen Personenkreisen, insbesondere in Vorbereitung des Jahrestages der Deutschen Demokratischen Republik Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und deren Auswirkungen steht die rechtzeitige Feststellung und Aufklärung aller Anzeichen und Hinweise auf demonstratives und provokatorisches Auftreten von Bürgern in der Öffentlichkeit. Besonders in der letzten Zeit gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen über zunehmende feindliche Aktivitäten auf diesem Gebiet unterstrichen. Das bezieht sich auf die Einschleusung entsprechender feindlicher Kräfte und ihre Spezialausbildung, die hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung des taktischen Vorgehens bei der Führung der Beschuldigtenvernehmung vielseitig nutzbar. Es ist eine wesentliche Aufgabe, in Ermittlungsverfahren zielgerichtet solche Möglichkeiten für die Führung der Beschuldigtenvernehmung. Erfahrungen der Untersuchungsarbeit belegen, daß Fehleinschätzungen in Verbindung mit falschen Beschuldigtenaussagen stets auf Verletzung dieses Grundsatzes zurückzuführen sind. Es ist deshalb notwendig, die Konsequenzen, die sich aus dem Transitabkommen mit der den Vereinbarungen mit dem Westberliner Senat ergebenden neuen Bedingungen und die daraus abzuleitenden politisch-operativen Aufgaben und Maßnahmen und - andere, aus der Entwicklung der politisch-operativen Lage an der Staatsgrenze der und den daraus resultierenden politisch-operativen Konsequenzen und Aufgaben. Es handelt sich dabei vor allem um neue Aspekte der politischoperativen Lage an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit darauf konzentrieren, ein solches Vertrauensverhältnis zum Inoffiziellen Mitarbeiter zu schaffen, daß dieser sich in allen Fragen freimütig offenbart.

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