Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 504

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 504 (NJ DDR 1963, S. 504); hat, ebenso sorgfältig geprüft wie spätere Erklärungen, die er im Fernsehen und bei anderen Gelegenheiten abgegeben hat. II Soweit es die dem Angeklagten zur Last gelegte Teilnahme an der Kennzeichnung, Verfolgung und Ausrottung der jüdischen Bürger in Deutschland und in den von den Faschisten zeitweilig besetzten Gebieten betrifft, hat er in den letzten Jahren bei verschiedensten Gelegenheiten Erklärungen abgegeben, mit denen er seine diesbezügliche Tätigkeit in wohlgemeinte Handlungen für die Opfer der faschistischen Rassenverfolgung umzudeuten versuchte. Der Senat hat sich daher veranlaßt gesehen, unter diesem besonderen Gesichtspunkt bei gleichzeitigem Eingehen auf das Vorbringen der Verteidiger eine Reihe wesentlicher Beweise gesondert zu würdigen. Die erhobenen Beweise zeigen, daß der Angeklagte keineswegs nur die technische Konkretisierung ihm ideologisch fremder und sogar zuwider gewesener Gedanken, Absichten und Ziele seiner Vorgesetzten vorgenommen hat, deren Weisungen er infolge seines Beamtenverhältnisses gehorsam auszuführen hatte. Die vorliegenden Beweise belegen vielmehr, daß der Angeklagte in allen Fragen der sogenannten Judenpolitik, mit denen ihn seine Tätigkeit zusammen führte, eine zielstrebige Eigeninitiative entwickelt hat, die seine Identifizierung mit der faschistischen Lösung dieser Probleme offenbaren. Daß es zwischen seinen sichtbar gewordenen Arbeitsergebnissen und seiner inneren Einstellung dazu keinen Widerspruch gegeben hat, läßt seine Haltung bei Anlässen erkennen, wie sie die Zeugen Bennedik, Rosenthal und Pokora bekundet haben. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat ferner mit aller Deutlichkeit ergeben, daß der Angeklagte zu keiner Zeit während seiner Tätigkeit im preußischen und später im Reichs- und Preußischen Ministerium des Innern versucht hat, die barbarischen Auswirkungen der faschistischen Rassengesetzgebung nach Kräften zu mildern; es liegen vielmehr nur Beweise für das Gegenteil vor. Und letztlich gibt es keinerlei Belege für die immer wieder aufgestellte Behauptung des Angeklagten, er sei schweren Herzens nur auf Wunsch der katholischen Kirche als ihr konspirativer Gewährsmann in seinem Amt verblieben und er sei auch noch in anderer Weise am antifaschistischen Widerstandskampf beteiligt gewesen. Wohl aber gibt es Tatsachen, die diese Erklärungen unwahrhaftig erscheinen lassen. Die Tätigkeit des Angeklagten in der zentralen inneren Staatsverwaltung läßt schon im Jahre 1932 erkennen, daß es sich bei ihm um einen verbissenen Antisemiten handelt, und er hat dies in der Folgezeit hundertfach bestätigt. Ihm war die zunehmende faschistische Juden-terrorisierung, wie er als Zeuge im Wilhelmslraßen-prozeß zugeben mußte, genau bekannt. Er sah sich auch zu dem Eingeständnis genötigt, daß er alle Verfolgungen von Juden für kriminell halte (S. 15 591 des deutschsprachigen Verhandlungsprotokolls im Wilhelm-straßenprozeß). Dennoch arbeitete er schon im Jahre 1932, also zu einer Zeit, da er der demokratischen Verfassung der Weimarer Republik durch Eid verpflichtet war und von keiner Seite Befehle erhalten oder ausführen durfte, die ihr zuwiderliefen, Richtlinien aus, die es den Verwaltungsbehörden praktisch verboten, Namensänderungen jüdischer Personen vorzunehmen. Ausdrücklich verwies er darauf, daß die Berufung auf antisemitische Strömungen keinen Grund abgebe, derartigen Anträgen stattzugeben. In voller Kenntnis des abgrundtiefen Hasses und der darauf fußenden Repressalien der faschistischen Machthaber gegen die jüdische Bevölkerung, die schon am 1. April 1933 den ersten Judenboykott im ganzen Reich durchführen ließen, hat der Angeklagte nicht nur eilfertig jeden Wink zu einer umfassenderen äußeren Kennzeichnung jüdischer Bürger mittels des Namensrechtes aufgegriffen, vielmehr haben diese Anlässe ihn angeregt, weitergehende Überlegungen anzustellen, dementsprechende Vorschläge zu machen und beharrlich auf deren Realisierung zu achten. Die unter Aus-schöpfung des gesamten nazistischen Sprachschatzes dazu gegebenen Begründungen gingen in die Ohren derjenigen ein, für die sie bestimmt waren, und der Angeklagte konnte über mangelnde Erfolge in seinen Bestrebungen nicht klagen. So hat er in einem Bericht an den Reichsminister des Innern vom 6. Juni 1933, obwohl nur zahlenmäßige Erhebungen von ihm verlangt waren, gleichzeitig entwickelt, welche sich aus dem derzeitigen Rechtszustand ergebenden Hindernisse beseitigt werden müßten, um über den Willen der Betroffenen hinweg Namensänderungen rückgängig zu machen, und er hat vorgeschlagen, hierzu ein Reidisgesetz zu erlassen. Schon wenige Tage später, am 28. Juni 1933, wurde er in Ergänzung seines Berichtes vom 6. Juni 1933 mit erneuten Vorschlägen vorstellig, mit denen er verhindern wollte, daß „rassenfremde“ Personen ihre Abstammung durch Eheschließung oder Adoption verschleiern. Seine Gedanken wurden durch das Reichsjustizministerium vollständig in dem Gesetz gegen Mißbräuche bei der Eheschließung und der Annahme an Kindes Statt vom 23. November 1933 (RGBl. I S. 979) in die Tat umgesetzt. Er selbst erhärtete die Vorschriften des Gesetzes durch einen Runderlaß vom 18. Dezember 1933, mit dem die Verwaltungsbehörden strikte Weisungen erhielten, wie sie zu verfahren hatten, wenn nicht-arische Vertragsteile in Erscheinung traten. Die kaltherzige Ablehnung zahlreicher Anträge nichtarischer Personen auf Namensänderung ist angesichts des vorhandenen Beweismaterials unbestreitbar. Bemerkenswert hierbei ist, daß es sich bei den Antragstellern zum Teil um Mischlinge handelte, für die sich der Angeklagte angeblich immer eingesetzt hat. Die Tatsachen beweisen jedoch das Gegenteil. Seitens der Verteidigung wurde als Entlastungsmoment für den Angeklagten angeführt, daß die vom Angeklagten geübte Praxis sich kaum von den Gepflogenheiten anderer Länderministerien unterschieden haben dürfte. Es wird durchaus zutreffen, daß es auch außerhalb des Landes Preußens an Beamten mit antisemitischer Einstellung und dementsprechender Berufshaltung nicht gemangelt hat. Eine solche Tatsache ist jedoch unerheblich für die individuelle Verantwortung des Angeklagten. Wesentlich ist aber ein anderer Gesichtspunkt. Es gibt keinerlei Anhalt dafür, daß sich der Angeklagte nach dem Vorbild anderer Länder des Deutschen Reiches gerichtet hat, wohl aber gibt es gegenteilige Anzeichen. Die Anfrage, die das Staatsministerium der Justiz in München am 3. Februar 1934 an den preußischen Innenminister gerichtet hatte, läßt erkennen, daß dort bei weitem nicht eine derart ausgeprägte Linie vorhanden war wie im preußischen Innenministerium. In dem vom Angeklagten verfaßten Antwortschreiben vom 22. März 1934 wurde dann der Standpunkt des preußischen Innenministeriums mit aller Deutlichkeit dahingehend dargelegt, daß Anträge nichtarischer Personen auf Erlangung nichtjüdischer Namen ausnahmslos abgelehnt werden. Um ganz sicherzugehen, daß das bayerische Justizministerium alles richtig verstehe, wurden der Runderlaß vom 23. Dezember 1932 und die Richtlinien dazu beigefügt, wobei der Angeklagte nicht den nochmaligen Hinweis auf Abschnitt VI „Judennamen“ versäumte. Es kann der Verteidigung auch nicht darin gefolgt werden, daß die Auffassung des Angeklagten zur Verdeutschung ausländischer Namen völlig belanglos sei. Diese Frage ist nur eine von mehreren, die der Angeklagte in dem von ihm verfaßten Bericht vom 15. März 1934 I Z 10/1923 an den Reichsinnenminister behandelt und womit er wiederum seine hartnäckigen Bestrebungen kundgetan hat, keine Namensänderungen von Personen ganz oder teilweise jüdischer Abstammung zuzulassen. Der Angeklagte hat auch die Verdeutschung ausländischer Namen von der arischen Abstammung ihrer Träger abhängig gemacht. Als die Faschisten fest genug im Sattel saßen, hat der Angeklagte im Juni 1934 vorgeschlagen, die Namensänderung neu zu regeln, in den Bestimmungen den Nachweis der arischen Abstammung als Erfordernis aufzunehmen und nunmehr auch die Richtlinien vom 504;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 504 (NJ DDR 1963, S. 504) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 504 (NJ DDR 1963, S. 504)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

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