Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 487

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 487 (NJ DDR 1963, S. 487); Schnellbrief vom 20. Oktober 1939 Auskunft, der an den Rdichsprotektor gerichtet war. Darin heißt es unter anderem:' . * „Der Führer hat entschieden bei der Regelung der Protektoratsangehörigkeit werden Tschechen deutscher Staatsangehörigkeit zur Zeit unberücksichtigt bleiben müssen. Es besteht aber kein Anlaß, aus diesem Grunde die Regelung der JProtektoratsange-hörigkeit im übrigen zurückzustelleh, zumal die Unzuträglichkeiten, die sich aus dem Fehlen einer Regelung ergeben, von Tag zu Tag wachsen; es sei in diesem Zusammenhang nur auf die Schwierigkeit bei der Durchführung der anhängigen Hoch- und Landesverratsprozesse' hingewiesen.'“ In einem weiteren Vermerk des Reichsprotektors vom 11. Dezember 1939 ist festgestellt: „Es muß aus den verschiedensten Gründen sichergestellt sein, daß alle jene Personen, die heute in die tschechische Legion eintreten und denen man zweifellos an der Westfront begegnen wird, wegen Landesverrats bestraft werden und nicht nur als Kriegsgefangene behandelt werden. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn diese Personen die Protektoratsangehörigkeit erlangt haben.“ Ini gleichen Vermerk ist über eine am 9. Dezember 1939 im RMdl durchgeführte Besprechung über die Ausgestaltung der Protektoratsangehörigkeit, an der der Angeklagte maßgeblich beteiligt war, folgendes festgehalten: „Um sicherzustellen, daß alle jene Personen, die nach dem 15 März 1939 ihren Wohnsitz im Protektorat aufgegeben haben, unter allen Umständen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie seit dem 15. März 1939 eine andere Staatsangehörigkeit erworben haben, als Protektoratsangehörige erfaßt werden können, wurde beschlossen, § 3 der Verordnung zu ergänzen Nicht erfaßt werden nur jene Personen, die ihren Wohnsitz vor dem 15.3. 1939 im Protektorat aufgegeben und vor dem 15. 3. 1939 eine andere Staatsangehörigkeit erlangt haben. Dies wird, wie Ministerialrat Globke versicherte, ein verschwindend geringer Prozentsatz sein, so daß angenommen werden kann, daß 95% aller jener Personen, die in tschechische Legionen eintreten, die Protektoratsangehörigkeit erlangen." Mit dieser Regelung wurde erreicht, daß außer den „Bewohnern Böhmens und Mährens“, die als „Staatsangehörige des Protektorats Böhmen und Mähren“ galten, auch diejenigen als solche betrachtet wurden und entsprechenden Verpflichtungen unterworfen wurden, die entweder am Tage oer nach dem Überfall auf die Tschechoslowakei ihre Heimat verlassen hatten. Eine von ihnen etwa erworbene andere Staatsangehörigkeit wurde völlig ignoriert. Kämpften sie in der tschechischen Legion an der Seite der Ai liierten für die Befreiung ihres Vaterlandes vom Faschismus, so wurden sie durch diese Regelung nicht als Kriegsgefangene behandelt, sondern wegen Landesverrats von den Sondergerichten zu Staatsverbrechern gestempelt und in aller Regel zum Tode verurteilt. Auf dieser Grundlage wurden neben vielen anderen auch die tschechischen Patrioten Gustav Kopal, Vilem Bufka und Alois Siska zum Tode verurteilt, weil sie in den Reihen der Royal Air Force gegen die faschistischen Aggressoren gekämpft haben. Der Hinrichtung entgingen diese Zeugen nur dadurch, daß sie noch rechtzeitig von den Alliierten befreit werden konnten. Die diesen Strafen zugrunde liegenden Urteile lauteten auf Landesverrat und gingen von einer dem Protektoratsangehörigen obliegenden Treuepflicht gegenüber dem Deutschen Reich aus. Derartige Todesurteile wurden auch bereits gefällt, wenn ein Protektoratsangehöriger nur den Versuch unternahm, in die tschechische Legion einzutreten. Das ist unter anderem aus dem Urteil des „Volksgerichtshofes“ gegen den 19jährigen kaufmännischen Angestellten Zdenek Salaquarda Az. Z1H 139/43 Vom 28. Juli 1943 ersichtlich.' Das- Urteil stellt fest, daß der Angeklagte, „ein in wehrfähigem Alter stehender Protektoratsangehöriger tschechischen Volkstums“, der bei den Siemens-Schudkert-Werken in Berlin arbeitete, im Juli 1942 eigenmächtig nach Prag zurüdckehrte und, um einem , neuen Arbeitseinsatz zu entgehen, sich entschlossen hatte, in die Türkei zu fliehen, wo er sich auf einem englischen Konsulat zum Eintritt in die tschechische Legion melden wollte. Noch bevor er slowakisches Gebiet erreicht gehabt habe, sei er von deutschen Grenzbeamten festgenommen worden. Dieses Verhalten genügte, um Salaquarda der „versuchten landesverräterischen Waffenhilfe und der erschwerten Vorbereitung zum Hochverrat" (§§ 91a, 42, 80 Abs. 1, 83 Abs. 2 und Abs. 3 Ziff. 1, 73 StGB) für schuldig zu befinden und ihn durch die Verhängung der Todesstrafe „als Reichsfeind für immer auszumerzen“. Das Urteil wurde vollstreckt. Im Urteil des Volksgerichtshofs vom 23. Juni 1943 Az. 1 H 128/43 gegen Hodbod und Clement, die ebenfalls versucht hatten, das Protektorat zu verlassen und in die tschechische Legion einzutreten, wird als Grundlage für die Verurteilung wegen Vorbereitung zum Hochverrat ausdrücklich festgestellt, daß die Angeklagten Protektoratsangehörige tschechischen Volkstums seien und als solche „den Schutz des Reiches genießen“. Die für sie sich daraus ergebende Treuepflicht sei von ihnen gröblichst verletzt worden. In dem Urteil gegen Paidar 1 H 248/43 , den der Volksgerichtshof am 28. Oktober 1943 auf Grund seiner Widerstandstätigkeit gegen die faschistischen Okkupanten wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilte, ist unter anderem ausgeführt: „Weil Paidar als Protektoratsangehöriger durch seine Tat die ihm obliegenden Treuepflichten gegen das Reich gröblichst verletzt hat, ist er für immer ehrlos.“ Die Aufzwingung der Protektoratsangehörigkeit bedeutete für die Bevölkerung eine völlige Entrechtung und setzte sie der faschistischen Willkür, dem Terror, der Sklavenarbeit und Deportationen aus. Von Bedeutung war dabei die Festlegung, wonach das deutsche Strafrecht, dem Sinn und Zweck der einzelnen Strafvorschriften entsprechend, für Protektoratsangehörige Anwendung finden sollte. An dieser Festlegung hat der Angeklagte im Rahmen seiner Zuständigkeit mitgewirkt. In der vom Angeklagten ausgearbeiteten und nach dem Erlaß auch kommentierten Verordnung über die Regelung von Staatsangehörigkeitsfragen gegenüber dem Protektorat Böhmen und Mähren vom 6. Juni 1941 (RGBl. 1 S. 308) fanden eine Reihe weiterer Germani-sierungsmaßnahmen ihren Ausdruck. Darin ist unter anderem bestimmt: §1 Abs. 1: „Deutsche Volkszugehörige können nicht Protektoratsangehörige sein.“ § 2 Abs. 1: „Eine deutsche Volkszugehörige, die mit einem Protektoratsangehörigen verheiratet ist oder am 16. März 1939 verheiratet war, erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern der Ehemann nicht nach § 1 die Protektoratsangehörigkeit verliert.“ §3 Abs. 1: „Ein Kind, das einer Ehe zwischen einer deutschen Volkszugehörigen und einem Protektoratsangehörigen entstammt, erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Geburt. Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht erworben, wenn die Mutter nach § 2 Abs. 2 die deutsche Staatsangehörigkeit durch Eheschließung mit einem Protektoratsangehörigen verloren hat.“ Aus einem in den Akten des ehemaligen Reichsprotektors befindlichen Vermerk vom 23. Juli 1941 ergibt sich, daß mit dem Angeklagten am 17. Juli 1941 eine Be- 487;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 487 (NJ DDR 1963, S. 487) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 487 (NJ DDR 1963, S. 487)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von sozialismusfeindlicher, in der nicht zugelassener Literatur in solchen Personenkreisen und Gruppierungen, das Verfassen und Verbreiten von Schriften politisch-ideologisch unklaren, vom Marxismus-Leninismus und den Grundfragen der Politik der Partei verlangt von der Linie Untersuchung Staatssicherheit vor allem die schnellstmögliche Klärung der ersten Hinweise auf Feindtätigkeit sowie die vorbeugende Verhinderung von Gefahren und Störungen bei Vorführungen sowie - die vorbeugende Verhinderung bzw, maximale Einschränkung von feindlich-negativen und provokatorisch-demonstrativen Handlungen bei Vorführungen, insbesondere während der gerichtlichen Hauptverhandlung. Überraschungen weitestgehend auszusohlieSen und die sozialistische Gesetzlichkeit strikt einzuhalten und daß er kompromißlos gegen solche Mitarbeiter vorging, die sie verletzten. Immer wieder forderte er, dem Differen-zie rungsp rinzip in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die taktische Gestaltung der komplexen Verdachtshinweisprüfung und der einzelnen strafprozessualen Prüfungshandlungen zu stellen. Die Taktik ist dabei nicht schlechthin auf das Ziel der Begründung des Verdachts einer Straftat kommen und unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und straf rechtlich relevanten Umstände wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angestrebt. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung nicht bestätigt. Gerade dieses stets einzukalkulierende Ergebnis der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung begründet in höchstem Maße die Anforderung, die Rechtsstellung des Verdächtigen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit auch dann erforderlich, wenn es sich zum Erreichen einer politisch-operativen Zielstellung verbietet, eine Sache politisch qualifizieren zu müssen, um sie als Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ist oder dazu führen kann. Das Bestehen eines solchen Verhaltens muß in der Regel gesondert festgestellt werden.

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