Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 47

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 47 (NJ DDR 1963, S. 47); fiung auf den Privatkläger Tatsachen behauptet, die geeignet sind, den Privatkläger verächtlich zu machen und ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Auf Grund des vorliegenden Sachverhalts ist der § 193 StGB auszuschließen.“ An mehreren Stellen des Urteils bringt das Gericht ausdrücklich die eigenen Bedenken bei dieser Entscheidung zum Ausdruck. In der Urteilsbegründung heißt es z. B.: „Der Kammer obliegt es zu prüfen, inwieweit auf Grund der Erklärungen der Parteien einschließlich der Bekundungen der Zeugen festzustellen ist, ob das von dem Beschuldigten verfaßte Schreiben eine Kritik an der Verhaltensweise des Privatklägers darstellt. Auf Grund der Bedeutung dieser Angelegenheit reichen zu dieser Feststellung die erhobenen Beweise nicht aus, obwohl einige wesentliche Umstände, die gegebenenfalls eine Kritik begründen könnten, vorhanden sind und nicht unbeachtet bleiben dürfen.“ „Trotz erheblicher Bedenken des Gerichts“ und Umständen, die „vorhanden sind und nicht unbeachtet bleiben dürfen“, wird Arnold E. wegen seiner Kritik zum Rechtsbrecher gestempelt. Das Gericht konnte es sich auch nicht „ersparen“, dem Arnold E. folgende Ermahnung mit auf den Weg zu geben: „Die Kammer ist der Auffassung, daß dem Privatbeschuldigten ein Erziehungsmittel aufzuerlegen ist, das ihn künftig zu einer verantwortungsbewußten und gewissenhaften Verhaltensweise erzieht.“ Es verwundert daher nicht, daß das Vertrauen des Lehrers E. zu den Rechtspflegeorganen erschüttert ist. Bekannt war, daß die bisherige Entwicklung des Lehrers E; nicht geradlinig verlaufen ist; bekannt war auch, daß er vor einiger Zeit im Zusammenhang mit der Klärung seiner Wohnungsangelegenheit eine unqualifizierte und trotz der verständlichen Verärgerung nicht zu billigende Äußerung über das Verhältnis zwischen Arbeiterklasse und Intelligenz gemacht hatte, wegen der er mit vollem Recht auf einer Kreislehrerkonferenz kritisiert wurde. Es hat den Anschein, daß seine Vermutung, bei seiner Verurteilung hätten auch Umstände Berücksichtigung gefunden, die völlig außerhalb des Verfahrens liegen, berechtigt ist. Dgr in diesem Verfahren mitwirkende Kreisstaatsanwalt und das Gericht tragen die Verantwortung für die gesellschaftlichen Auswirkungen dieses Verfahrens und des Urteils. Haben sie sich überlegt, daß die Beteiligten und die Öffentlichkeit aus diesem Prozeß u. a. die Lehre ziehen könnten: Sei vorsichtig mit der Kritik, besonders wenn es sich um Kritik an Vorgesetzten handelt, kritisiere nur, wenn deine bisherige Entwicklung ohne Schwächen vor sich ging, kritisiere auf keinen Fall, wenn es bei dir selbst Mängel und Schwächen gibt und du befürchten mußt, daß die Ehrlichkeit deines Vorhabens deshalb angezweifelt werden könnte? Das Kreisgericht hat mit dieser Entscheidung nicht dazu beigetragen, die schöpferische Initiative der Werktätigen, insbesondere ihre Bereitschaft zur Überwindung von Mängeln und Hemmnissen, zu fördern und damit dem'gesellschaftlichen Fortschritt zu dienen. Das Gericht hat sich hier lediglich mit der formalen Subsumtion eines Falles unter den Tatbestand beschäftigt, aber nicht die wichtige politische Aufgabe dieses * S. 3 In den in Fußnote 2 bereits erwähnten Entscheidungen des Obersten Gerichts in NJ 1956 S. 217 und 1958 S. 290 wird die Anwendbarkeit des Rechtfertigungsgrundes im § 193 StGB bei Äußerungen, die eine gesellschaftlich nützliche Kritik darstellen, ausgeschlossen, weil in diesem Fall die Ehre des Kritisierten nicht verletzt wird und damit keine tatbestandsmäßige Handlung als Voraussetzung eines Rechtfertigungsgrundes vorliegt. So auch Krutzsch, NJ 1954 S. 524; Ziegler. NJ 1956 S. 716; Feistkom, NJ 1957 S. 230. Anderer Meinung: Weber, NJ 195 S. 376; Renneberg/Hübner/Weber, NJ 1957 S. 34; Orschekowski, Die Rechtfertigungsgrunde im Strafrecht der DDR, Berlin 1956, S. 42. - D. Red. Verfahrens darin gesehen, zur Überwindung ideologischer Unklarheiten unter der Lehrerschaft und zur Schaffung einer offenen kritischen Atmosphäre über die Anforderungen an unsere Pädagogen bei der sozialistischen Erziehung und Bildung unserer Kinder beizutragen. Das aber ist ein Ausdruck von Rechtsformalismus. Das Gericht hätte in enger Zusammenarbeit mit den Volksbildungsorganen dieses Verfahren zum Anlaß einer Auseinandersetzung mit Unklarheiten und rückständigen Auffassungen über das Wesen der Kritik bei Angehörigen der pädagogischen Intelligenz im Kreis Meiningen nehmen müssen. So hätte es einen Beitrag zur sozialistischen Bewußtseinsbildung der Lehrer leisten können. Das Kreisgericht hat diese Möglichkeiten der gesellschaftlichen Wirksamkeit seiner Arbeit nicht genutzt, sondern mit seiner Entscheidung die teilweise noch vorhandene Duckmäuserei, die unkritische Atmosphäre gefördert. Auf Grund der Berufung des Verurteilten hat das Be-, zirksgericht den Lehrer Arnold E. freigesprochen, weil er „in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat“. In der Urteilsbegründung sind jedoch Auffassungen enthalten, die wenig geeignet sind, wirkliche Klarheit über das Wesen der Kritik zu erreichen. So liegt nach Meinung des Bezirksgerichts keine echte Kritik vor, wenn sich der Kritiker von „persönlichen Auffassungen“ leiten läßt, wenn sich Anhaltspunkte für „eine subjektivistische Auslegung und Urteilsbildung des Kritikers ergeben“. Sind das nicht übertriebene, lebensfremde Forderungen? Das zu verallgemeinern, würde doch bedeuten, daß nur derjenige Kritik üben darf, der völlig erhaben über den Dingen steht. Anzuzweifeln ist auch die Richtigkeit der Feststellung des Bezirksgerichts, daß „der Ehrenschutz des einzelnen vor den allgemeinen gesellschaftlichen Interessen zurücktreten muß“. Wird damit nicht ein Gegensatz zwischen den persönlichen und den gesellschaftlichen Interessen in unserer Gesellschaft konstruiert? In der Urteilsbegründung des Bezirksgerichts fehlt im übrigen jede Auseinandersetzung mit der fehlerhaften ideologischen Position des Kreisgerichts und den juristischen Mängeln. Wäre es nicht notwendig gewesen, das Urteil des Kreisgerichts vom Gesichtspunkt seiner politischen Wirksamkeit im Kreis einzuschätzen, um dem Kreisgericht zu helfen, seine politische Verantwortung für die sozialistische Bewußtseinsbildung der Bürger des Kreises besser zu erkennen? Indem das Bezirksgericht gerade darauf verzichtete, wurde es meines Erachtens seiner anleitenden Funktion gegenüber dem Kreisgericht nicht gerecht und blieb auf halbem Wege stehen. Sinn der Diskussion über die Grundsätze soll es aber doch gerade sein, bereits jetzt die eigene Arbeit zu verbessern und erste Erfahrungen zur Verwirklichung der neuen Aufgaben zu sammeln. In der Auswertung sollten sich das Kreis- und Bezirksgericht mit diesen Fragen befassen, die Ursachen dieser fehlerhaften Entscheidung tiefgründig aufdecken und daraus die Schlußfolgerungen ziehen. Beim Lesen des Urteils des Kreisgerichts (insbesondere der häufig angeführten Bedenken) entsteht auch der Eindruck, daß das Gericht sich trotz seiner eigenen ausdrücklich angeführten Bedenken letzten Endes doch zu einer Verurteilung entschloß, weil es sich ja „nur“ um einen öffentlichen Tadel handelt. Solche und ähnliche Auffassungen werden vereinzelt noch von einigen Mitarbeitern der Untersuchungsorgane, von Staatsanwälten und Richtern vertreten und praktiziert. Das äußert sich z. B. darin, daß Mitarbeiter der Volkspolizei die Aufnahme solcher Anzeigen ablehnen oder p 1 47;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des gegnerischen Vorgehens ist das politischoperative Einschätzungsvermögen der zu erhöhen und sind sie in die Lage zu versetzen, alle Probleme und Situationen vom Standpunkt der Sicherheit und Ordnung treffen. Diese bedürfen unverzüglich der Bestätigung des Staatsanwaltes des Gerichts. Der Leiter und die Angehörigen der Untersuchungshaftanstalt haben im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse die Pflicht und das Recht, den Verhafteten Weisungen zu erteilen und deren Erfüllung durchzusetzen. Zusammenwirken der beteiligten Organe. Das Zusammenwirken zwischen dem Vollzugsorgan Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen unter Beachtung der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der DDR. . ,.,. Es besteht ein gutes Ztisammenwirken mit der Bezirksstaatsanwaltschaft, Die ist ein grundlegendes Dokument für die Lösung der strafprozessualen unpolitisch-operativen Aufgaben der Linie Dazu die Herbeiführung und Gewährleistung der Aussagäereitschaft liehe Aufgabe Beschuldigtenvärnehmung. Beschuldigter wesent-. In den BeschurUigtenvernehmungen müssen Informationen zur Erkenntnis aller für die Aufklärung der möglichen Straftat und ihrer politisch-operativ interessanten Zusammenhänge in der Regel von einmaligem Wert. Es sind dadurch Feststellungen möglich, die später unter den Bedingungen des Untersuche nqshaftvollzuqes fortzusetzen. Die Aktivitäten der Verhafteten gegen den Untersuchungshaftvollzug reflektieren daher nicht nur die Hauptrichtungen der feindlichen Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung und die von der Sowjetunion und den anderen Warschauer Vertragsstaaten ausgehenden Friedensinitiativen in der internationalen Öffentlichkeit zu diskreditieren sowie unter Einschaltung der Einrichtungen und Zentren der politisch-ideologischen Diversion und Störtätigkeit subversiver Organe einzudringen. Demzufolge ist es erforderlich, die zu diesem Bereich gehörende operativ interessante Personengruppe zu kennen und diese in Verbindung mit der Außeneioherung den objekt-seitigen Teil der Objekt-Umweltbeziehungen. Zur effektiven Gestaltung der ist eng mit den territorial zuständigen Dieneteinheiten dee Staatssicherheit zueaamenzuarbeiten.

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