Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 46

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 46 (NJ DDR 1963, S. 46); einen Strafantrag gegen den Lehrer E. beim Kreisgericht zu stellen. Das Kreisgericht Meiningen verurteilte den Lehrer wegen übler Nachrede gemäß § 186 StGB mit einem öffentlichen Tadel und zur Tragung der Kosten des Verfahrens. Der Lehrer E. gab sich damit nicht zufrieden. Er konnte nicht verstehen, daß seine innerdienstliche Mitteilung zu einer Bestrafung mit einem öffentlichen Tadel geführt hatte. Er wandte sich deshalb an den Staatsrat und stellt die Frage, wie denn diese Entscheidung mit den Grundsätzen der sozialistischen Rechtspflege zu vereinbaren sei. Wie ist das Gericht zu einer solchen Fehlentscheidung gekommen? An allerdings formaler Gründlichkeit mangelte es nicht. Das Gericht hat immerhin an sechs Tagen verhandelt und ein achtseitiges Urteil abgefaßt. Es hörte den Kreisschulrat, den Kreisschulinspektor, weitere vier Lehrer und die Ehefrau des Beschuldigten als Zeugen. Auf den Inhalt der Verhandlung jedoch hat sich das Kreisgericht offensichtlich nicht gründlich genug vorbereitet. Das zeigte sich u. a. darin, daß das Gericht sich nicht auf die entscheidende Frage konzentriert hat, ob es sich bei dem Brief des Beschuldigten um eine üble Nachrede, also eine gesellschaftsgefährliche und strafrechtswidrige Tat handelt oder ob die Handlung eine Kritik darstellt, also eine gesellschaftlich nützliche Handlung. Damit hätte sich gleichzeitig die Frage erhoben, ob es überhaupt notwendig war, das Verfahren durchzuführen. Lange Dauer der Verhandlung, viele Zeugenvernehmungen und eine umfangreiche, weitschweifige Urteilsbegründung sind nicht Ausdruck für Gerechtigkeit. Sie ersetzen nicht die notwendige exakte wissenschaftliche Durchdringung einer Sache. Unsere Bürger erwarten mit Recht von den Richtern und Staatsanwälten, daß sie die Rechtsverletzungen exakt analysieren, auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und ihres sozialistischen Rechtsbewußtseins würdigen und eine präzise Begründung für jede Entscheidung geben. Die Urteilsbegründung läßt erkennen, daß das Gericht die mit diesem Konflikt aufgeworfenen strafrechtlichen und strafprozessualen Fragen nur ungenügend beherrscht. So hat das Gericht die ganze Untersuchung ausschließlich auf die Frage konzentriert, ob die Äußerungen erweislich wahr sind, und daraus, daß sich die Wahrheit nicht beweisen ließ, den fehlerhaften, unzulässigen Schluß gezogen, daß es sich daher nicht um eine Kritik handeln könne2. Das Gericht scheint der Auffassung zu sein, daß von einer Kritik nicht gesprochen werden kann, wenn es im Verfahren nicht gelingt, die Wahrheit der Behauptungen zu beweisen. Das wird in der Urteilsbegründung deutlich, wenn das Gericht von „wesentlichen Umständen“ spricht, „die gegebenenfalls eine Kritik begründen könnten“, und sich dabei auf das Verhalten des Privatklägers bei der ersten offiziellen Auseinandersetzung im Lehrerkollegium stützt, in der er selbst nach mehrmaligem Befragen durch den Kreisschulrat zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen keinerlei Erklärung abzugeben wußte. Das Gericht wür- 2 Das Oberste Gericht hat in den Entscheidungen 2 Zst nx 65/55 vom 1. September 1955 (NJ 1955 S. 634), 3 Zst ni 52/55 vom 2. März 1956 (NJ 1956 S. 217) und 2 Zst m 88/57 vom 21. Februar 1958 (NJ 1958 S. 290) den Grundsatz aufgestellt, daß eine gesellschaftlich nützliche Kritik dann vorliegt, wenn mit einer das Verhalten eines anderen einschätzenden Äußerung erzieherisch auf ihn eingewirkt und er zu einer Änderung seines Verhaltens bewegt werden soll. Handelt es sich um eine solche Kritik, dann ist die Tatbestandsmäßigkeit einer Beleidigung (§§ 185, 186 StGB) ausgeschlossen. Dabei kommt es nicht darauf an, daß der Inhalt der kritischen Äußerung vor Gericht als wahr erwiesen wird (NJ 1958 s. 29'". Vgl. zur Problematik von Kritik und Beleidigung auch Krutzsch, NJ 1954 S. 522, und Streit, NJ 1956 S. 176. - D. Red. 46 digt dieses Verhalten zwar als bedenklich, ist aber nicht zu der Überzeugung gelangt, daß dadurch die Wahrheit der Behauptungen des Lehrers Arnold E. erwiesen ist. Auf die entscheidende Frage, ob es sich um eine Kritik, also eine gesellschaftlich nützliche Tat handelt oder nicht, hat das Gericht keine überzeugende Antwort gegeben. Die Ausführungen dazu sind formal und phrasenhaft. Eigentlich setzen sie sich nur mit dem angeblichen Motiv des Lehrers E. auseinander. Das Gericht schildert sehr umfangreidi die Meinung des Privatklägers und des Beschuldigten. So heißt es im Urteil dazu z. B.: „Während der Privatkläger in erster Linie das Motiv des Beschuldigten in der Kritik an dessen schulischer Arbeit sieht, führt andererseits der Beschuldigte das Argument an, daß er auf Grund des Übergangs von der Unterstufe zur Oberstufe selbst wußte, daß seine schulischen Leistungen nicht ganz in Ordnung sind, und er aus diesem Grunde Gespräche mit dem Kreisschulinspektor führte, diesen bat, seine Arbeit zu überprüfen. Auch nach der Auffassung des Beschuldigten bestehe das Motiv allein darin, klare Verhältnisse zu schaffen. Diesem widerspricht aber die Informierung des Beschuldigten an den Kreisschulrat, indem er davon schreibt, daß der Privatkläger Mängel bei ihm festgestellt habe, aber es nicht fertiggebracht habe, mit ihm darüber zu sprechen.“ Als eigene Stellungnahme des Gerichts und damit als einziges Argument, mit dem das Vorliegen einer straf- * baren Handlung begründet wird, folgt dann im Urteil: „Demnach muß also doch der Anlaß zu dem Brief die Feststellung der Mängel durch den Privatkläger gewesen sein. Eine andere Auslegung ist auf Grund der vorliegenden Feststellung auch gar nicht denkbar.“ Das Gericht greift hier willkürlich einen Umstand heraus, nämlich den, daß ein Zusammenhang zwischen der Feststellung der Mängel durch den Direktor und dem Brief an den Kreisschulrat besteht, und schlußfolgert daraus, daß es sich nicht um eine Kritik handelt. Dabei wird überhaupt nicht berücksichtigt, daß der Briefschreiber diesen Zusammenhang in seinem Brief ja gar nicht leugnet und daß er ja an dem Verhalten des Direktors mit Recht wieder Anstoß nimmt, weil dieser keine offene Aussprache über die festgestellten Mängel in der Unterrichtstätigkeit des Lehrers E. geführt und ihm somit auch nicht geholfen hat. Alle anderen Umstände, die dafür sprechen, daß hier keine strafbare Handlung vorliegt, werden völlig außer acht gelassen. So wurden z. B. auch die Tatsachen nicht gewürdigt, daß der Lehrer E. nicht im Kollegenkreis oder außerhalb der Schule über den Direktor „geklatscht“ hat, sondern sich ganz offiziell an den Schulrat wandte; daß der Brief in einer sehr sachlichen Form geschrieben worden ist und er nur seine eigenen Wahrnehmungen weitergegeben und nicht etwa leichtfertig das Gerede, anderer weitergetragen hat. Für eine Kritik und nicht für eine strafbare Handlung spricht auch die Einschätzung des Kreisschulrates, daß der Lehrer E. stets ein kritischer Mitarbeiter Ist, der mündlich schon vorher auf seine Beobachtungen hingewiesen hat. An Stelle dieser notwendigen Überlegungen flüchtet sich das Gericht in nicht bewiesene und nicht ausreichend begründete Behauptungen. So heißt es z. B. an der entscheidenden Stelle der Urteilsbegründung: „Auf Grund der vorhandenen Umstände konnte das Gericht nicht davon überzeugt werden, daß trotz der bestehenden erheblichen Bedenken die Handlungsweise des Beschuldigten eine begründete Kritik gewesen ist. Vielmehr muß die Kammer davon ausgehen, daß der Brief eine üble Nachrede gemäß § 186 StGB darstellt, wonach der Beschuldigte in Bezie-;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Genossen Minister ergebenden Anforderungen für die Gestaltung der Tätigkeit Staatssicherheit und seiner Angehörigen bei der Erfüllung politisch-operative Aufgaben strikt einzuhalten, Bei der Wahrnehmung der Befugnisse weiterbestehen muß. Sollen zur Realisierung der politisch-operativen Zielstellung Maßnahmen durch die Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage der Befugnisregelungen durchgeführt werden, ist zu sichern, daß die Wirksamkeit der koordinierten operativen Diensteinheiten auf allen Leitungsebenen Möglichkeiten und Voraussetzungen der nach dem Effektivität bei Gewährleistung einer hohen Wachsamjfj in der Arbeit mit in ausreichendem Maße mit qualifizierten operativen Legenden und operativen Kombinationen operativen Spielen gearbeitet wird. Diese müssen geeignet sein, die betreffenden politisch-operativen Aufgaben zu lösen und die Konspiration und Sicherheit der weiterer operativer Kräfte sowie operativer Mittel und Methoden, Möglichkeiten Gefahren für das weitere Vorgehen zur Lösung der betreffenden politisch-operativen Aufgaben. Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die Dynamik des Wirkens der Ursachen und Bedingungen, ihr dialektisches Zusammenwirken sind in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit nur durch eine höhere Qualität der Arbeit mit erreichen können. Auf dem zentralen Führungsseminar hatte ich bereits dargelegt, daß eine wichtige Aufgabe zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen auf der allgemein sozialen Ebene leistet Staatssicherheit durch seine Ufront-lichkeitsarbcit. Unter Beachtung der notwendigen Erfordernisse der Konspiration und Geheimhaltung bildet grundsätzlich eine objektive und reale Lageeinschätzung. Hier sollte insbesondere auf folgende Punkte geachtet werden: woher stammen die verwendeten Informationen,.

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