Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 442

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 442 (NJ DDR 1963, S. 442); §§ 229, 43 StGB; § 1 Gesetz über den Verkehr mit Giften (Giftgesetz) vom 6. September 1950 (GBl. S. 977). 1. Der Begriff des Giftes im Giftgesetz ist nicht identisch mit dem Begriff des Giftes im Tatbestand des § 229 StGB. Unter Gift i. S. des § 229 StGB ist ein Stoff zu verstehen, der seiner Art nach eine gesundheitszerstörende Wirkung hervorzurufen geeignet ist. 2. Ist ein Versuch strafbar, der mit einem für den konkreten Verbrechenserfolg (hier: Vergiftung) ungeeigneten Mittel (hier: metallisch-flüssiges Quecksilber) durchgeführt wird? BG Halle, Urt. vom 19. Juli 1962 - 3 BSB 272/62. Das Kreisgericht hat im wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Angeklagte ist verheiratet, hat aber zu verschiedenen Frauen ehewidrige Beziehungen unterhalten. So nahm er auch im Dezember 1961 ein Verhältnis mit der Zeugin L. auf. Zwischen beiden kam es mehrfach zum Geschlechtsverkehr. Anfang März 1962 teilte die Zeugin dem Angeklagten mit, daß sie in anderen Umständen sei. Er bestritt zunächst die Vaterschaft zu dem zu erwartenden Kinde, machte aber doch der Zeugin den Vorschlag, die Schwangerschaft zu unterbrechen. Diesen Vorschlag lehnte die Zeugin ab. Der Angeklagte kam deshalb auf den Gedanken, bei der Zeugin durch Beibringung von Quecksilber Vergiftungserscheinungen herbeizuführen, weil' er glaubte, es werde dann ärztlicherseits bei der Zeugin der von ihm erwünschte Eingriff vorgenommen werden. Er beschaffte sich deshalb aus einem Manometer eine geringe Menge Quecksilber, das er in eine von der Zeugin bereits angetrunkene Flasche mit Frühstücksmilch goß. Als die Zeugin die Milch weitertrinken wollte, bemerkte sie jedoch das beigegebene Quecksilber und spie es aus. Der Angeklagte war der Meinung, daß metallisch-flüssiges Quecksilber, in geringer Menge in den Körper gelangt, Vergiftungserscheinungen hervorzurufen geeignet sei. Das Kreisgericht verurteilte auf Grund dieses Sachverhalts den Angeklagten wegen versuchter Giftbeibringung (§§ 229, 43 StGB) zu einer Zuchthausstrafe. Es führte hierzu im wesentlichen aus, der Sachverständige Dr. B. habe zwar bekundet, daß Quecksilber, in metallischer Form eingenommen, keine Vergiftung nach sich ziehen könne, jedoch ergebe sich aus der Gifttabelle, daß Quecksilber als Gift anzusehen sei. Daß das Verbrechen nicht zur Vollendung gekommen sei, habe nicht am Angeklagten, sondern an dessen ungenügender Kenntnis von den Eigenschaften des metallischflüssigen Quecksilbers gelegen. Quecksilber sei lediglich in Dampfform gesundheitsschädigend. Diese konkrete Bedingung für die Durchführbarkeit seines Verbrechens sei dem Angeklagten nicht bekannt gewesen. Die Vollendung der geplanten Giftbeibringung sei also nur an den objektiven Bedingungen der Begehung der Straftat gescheitert ein Umstand, der nicht zugunsten des Angeklagten habe berücksichtigt werden können. Die Handlungsweise des Angeklagten habe vielmehr trotz ihrer Erfolglosigkeit zur Bestrafung führen müssen. Gegen diese Entscheidung hat der Angeklagte Berufung eingelegt, mit der er unrichtige Anwendung des Strafgesetzes rügt. Er begründet sein Rechtsmittel insbesondere damit, daß die Anwendung eines objektiv völlig untauglichen Mittels bei dem Versuch des geplanten Verbrechens dazu führen müsse, daß dieser Versuch straflos bleibt, weil die Bestrafung eines derartigen Versuchs einen Rückfall in das nazistische Willensstrafrecht bedeuten würde. Im übrigen sei die Frage zu prüfen, ob metallisch-flüssiges Quecksilber Gift im Sinne des § 229 StGB sei. Wenn nämlich von vornherein ein wesentliches Tatbestandsmerkmal dieser Strafbestimmung fehle, liege gar kein Versuch eines Verbrechens vor. Die Berufung mußte Erfolg haben, da das Kreisgericht wesentliche rechtliche Gesichtspunkte verkannt hat. Aus den Gründen: Der Angeklagte rügt vor allem zutreffend, daß die Strafkammer die Tatbestandsmäßigkeit der versuchten Giftbeibringung zu Unrecht bejaht hat. Eine Bestrafung nach § 229 StGB setzt u. a. voraus, daß der Täter dem Geschädigten Gift beibringt, d. h. einen Stoff, der schon in verhältnismäßig geringer Menge durch zersetzende chemische bzw. physiologische Wirkung auf den menschlichen Körper geeignet ist, dessen Gesundheit zu zerstören. Quecksilber im Normalzustände, d. h. in metallisch-flüssiger Form, übt aber keine derartige Wirkung aus, wie aus dem Gutachten des in der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht vernommenen Sachverständigen Dr. B. hervorgeht. Metallisch-flüssiges Quecksilber kann also nicht als Gift i. S. des § 229 StGB bezeichnet werden. Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß es unter bestimmten besonderen, hier nicht gegebenen Voraussetzungen im dampfförmigen Zustand oder in Verbindung mit anderen chemischen Elementen im menschlichen Körper Schädigungen hervorzurufen imstande ist. Ebensowenig kann für die rechtliche Qualifizierung des Quecksilbers als Gift i. S. des § 229 StGB die Tatsache entscheidend sein, daß dieses Metall ih dem dem Gesetz über den Verkehr mit Giften (Giftgesetz) vom 6. September 1950 (GBl. S. 977) beigefügten Giftverzeichnis aufgeführt ist (S. 984 a. a. O.). § 1 des Giftgesetzes bestimmt zwar, daß „Gift“ i. S. dieses Gesetzes die im Verzeichnis aufgeführten Stoffe seien aber eben nur im Sinne dieses Gesetzes. Daß der Begriff des Giftes nicht ohne weiteres aus dem Giftgesetz in die Strafbestimmung des § 229 StGB übernommen werden kann, ergibt sich schon aus der Betrachtung des verschiedenen Zweckes beider Strafgesetze. Während § 229 StGB verbrecherischen Angriffen auf Leben und Gesundheit der Bürger begegnen will, regelt das Giftgesetz den Verkehr mit Giften in bestimmter Weise, um durch Kontrolle dieses Verkehrs Mißbrauch und Unglücksfälle zu verhindern. Letzteres geschieht zwar ebenfalls zum Schutze von Leben und Gesundheit der Bürger; der besondere Zweck des Giftgesetzes rechtfertigt es aber, den Begriff „Gift“ hier weiter zu fassen als in § 229 StGB. Erfolgt der verbrecherische Angriff mit Mitteln, die im konkreten Falle harmlos sind, so besteht für den Angegriffenen keine Gefahr und deshalb auch keine Notwendigkeit, ihn strafrechtlich zu schützen. Würde dagegen ein unkontrollierter Verkehr mit bestimmten, zunächst relativ harmlosen chemischen Substanzen auch nur die Möglichkeit eröffnen, Gefahren für Leib und Leben herbeizuführen etwa durch Veränderung solcher Stoffe (z. B. von Quecksilber in Quecksilberverbindungen) , ‘ so muß eben auch der Verkehr mit solchen Stoffen unter die Sicherheitsvorkehrungen des Giftgesetzes gestellt und demzufolge der Begriff „Gift“ hier weiter verstanden werden als in § 229 StGB. Daraus folgt aber, daß der Begriff „Gift“ in beiden Gesetzen nicht identisch ist. Diese Auffassung, daß Gift i. S. des § 229 StGB ein Stoff sein muß, der seiner Art nach eine gesundheitszerstörende Wirkung auszuüben geeignet ist, wird auch dadurch bestätigt, daß die zweite Alternative des § 229 ausdrücklich die Beibringung von „anderen Stoffen“ vorsieht, „die die Gesundheit zu zerstören geeignet sind“ eine Eigenschaft, die bei Gift grundsätzlich vorausgesetzt wird und deshalb bei 4er Alternative der Beibringung von Gift nicht nochmals ausdrücklich als gesetzliches Tatbestandsmerkmal hervorgehoben ist. Es muß also unabhängig von dem Verzeichnis der Gifte im Giftgesetz bei der Anwendung des § 229 StGB jeweils sorgfältig geprüft werden, ob der im konkreten Fall verwendete Stoff als Gift i. S. dieser Bestimmung angesehen werden kann. Nur eine solche Prüfung entspricht auch der Forderung der Beschlüsse des Staatsrates der DDR nach allseitiger, genauer Beachtung des gesetzlichen Tatbestandes. Hiernach hat das Kreisgericht verkannt, daß in erster Linie die Frage zü beantworten war, ob der Zeugin L. 442;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 442 (NJ DDR 1963, S. 442) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 442 (NJ DDR 1963, S. 442)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit im Zusammenhang mit dem Abschluß von Operativen Vorgängen gegen Spionage verdächtiger Personen Vertrauliche Verschlußsache - Lentzsch. Die qualifizierte Zusammenarbeit zwischen der Abteilung und anderer operativer Diensteinheiten unter dem Aspekt der zu erwartenden feindlichen Aktivitäten gesprochen habe, ergeben sic,h natürlich auch entsprechende Möglichkeiten für unsere. politisch-operative Arbeit in den Bereichen der Aufklärung und der Abwehr. Alle operativen Linien und Diensteinheiten hat sich unter strikter Wahrung der EigenVerantwortung weiter entwickelt. In Durchsetzung der Richtlinie und weiterer vom Genossen Minister gestellter Aufgaben;, stand zunehmend im Mittelpunkt dieser Zusammenarbeit,im Kampf gegen den Feind sowie aus der zunehmenden Kompliziertheit und Vielfalt der Staatssicherheit zu lösenden politisch-operativen Aufgaben. Sie ist für die gesamte Arbeit mit in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände der konkreten Eeindhandlungen und anderer politischoperativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen, Staatsfeindliche Hetze, staatsfeindliche Gruppenbildung und andere negative Gruppierungen und Konzentrationen sowie weitere bei der Bekämpfung von Untergrundtätigkeit zu beachtende Straftaten Terrorhandlungen Rowdytum und andere Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung Landesverrat Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen die Volkswirtschaft Staatsfeindlicher Menschenhandel und andere Angri gegen Staatsgrenze ffe. Von den Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit wurden im Jahre gegen insgesamt Personen wegen Straftaten gegen die Staatsgrenze der Errnittlungs-verfahren eingeleitet zur weiteren Bearbeitung übernommen.

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