Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 281

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 281 (NJ DDR 1963, S. 281); „Wenn die Angeklagten in politischen Organisationsprozessen nicht mehr das Recht und die Möglichkeit haben, gegenüber einseitiger Einschätzung ihrer Tätigkeit durch die Anklage aus der Sicht der Regierungspolitik ihre eigene, Überzeugung und die objektive wie subjektive Richtigkeit und Aufrichtigkeit durch die von ihnen (oder anderen Bürgern) veröffentlichten authentischen Erklärungen unter Beweis zu stellen, was kann die Verteidigung dann noch zur Wahrheitsfindung und Entlastung der Angeklagten vornehmen?“ (S. 10). Durch das zweite von Ammann erwähnte Revisionsurteil des politischen Strafsenats des Bundesgerichtshofes wurde die „Beweisführung durch sog. mittelbare Zeugen, d. h. durch geheime Zeugen“ (Leitsatz der Entscheidung: „Zeugenaussagen von Vernehmungs- beamten über die Angaben anonymer Gewährsleute V-Männer “), für zulässig erklärt. Dies verstoße, so führte Ammann unter Zustimmung der Tagungsteilnehmer aus, gegen den allgemeinen Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, gegen die Grundrechte der Art. 1 bis 3 GG, insbesondere gegen die Menschenwürde, sowie gegen die Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950. Im folgenden beschäftigte sich Ammann mit materiellrechtlichen Problemen, wobei er nachwies, daß durch die Urteile gegen Karl Schabrod, gegen die kommunistischen Bundestagskandidaten in Hamburg und gegen den Gewerkschaftsfunktionär Willi Gerns durch die ausweitende Anwendung der §§ 42, 47 BVerfGG die Möglichkeiten einer zweckentsprechenden Verteidigung weiter eingeengt werden7. Zu dem Gesinnungsurteil gegen Willi Gerns sagte Ammann wörtlich: „Als ich von einem Brief des Herrn Gerns Kenntnis erhielt, habe ich zunächst ungläubig den Kopf geschüttelt und mir dann den Text des Urteils kommen lassen. Ich las dann bestürzt darin, daß ein reiner, echter, auf demokratische Weise beschlossener gewerkschaftlicher Streik um die Rechte der Arbeitnehmer im Krankheitsfalle dadurch für diejenigen plötzlich zum illegalen werden soll, denen man Mißbrauch odgr eine kommunistische Einstellung vorwirft. Ist überhaupt noch ein arbeitsrechtlicher Streik denkbar (vom Streik mit politischen Zielen gar nicht zu sprechen), der keine strafrechtlichen Folgen hat, weil die KPD als Arbeiterpartei schließlich jeden Streik und jede gewerkschaftliche Forderung befürworten oder begrüßen wird? Oder hätte Herr Gerns gegen den Streik stimmen oder gar Streikbrecher sein müssen, um nicht wegen seiner Gesinnung bestraft zu werden? Fürwahr ein Alarmzeichen für alle Gewerkschaftler!“ (S. 15). Die Tendenz der politischen Sonderstrafjustiz zur Kriminalisierung jeder gegen die Bonner Politik gerichteten politischen Betätigung charakterisierte der Referent mit den Worten: ,,a) Jedes Handeln ist objektiv mit Strafe bedroht, mit dem Bestrebungen verfolgt werden, die nach der meist subjektiv orientierten politischen Auffassung des Gerichts als kommunistisch gelten oder auch von der KPD,SED vertreten werden, b) Nach der subjektiven (Schuld-)Seite ist strafbar aa) jeder Kommunist ohne weiteres, weil ihm auf Grund seiner früheren oder heutigen Gesinnung immer unterstellt wird, daß er sich in diese Bestrebungen einreihe; bb) ein Nichtkommunist, wenn er sich bewußt in diese als staatsfeindlich deklarierten Bestrebungen einordnet, er also beispielsweise in Kenntnis dessen sich um eine Konföderation oder Annäherung beider deutscher Staaten einsetzt oder auch nur die Forderung, ehemalige i i Vgl. Fries, Konstruktionen zur maßlosen Ausweitung der stralreehtliehen Gesinnungsverfolgung“, NJ 1963 S. 22. Nazigrößen aus der Justiz zu entfernen, vertritt.“ (S. 15) Bezüglich der Repressalien gegen politische Gegner der Bonner Politik nach deren Verurteilung stellte Ammann fest, daß die „Zahl der unter Polizeiaufsicht gestellten Personen“ ebenso „wie Umfang und Ausmaß“ der in diesem Zusammenhang verfügten „drückenden Auflagen“ zunehme. Als Beispiel bezog sich der Referent auf die Verfügung eines Regierungspräsidenten vom 22. Oktober 1962, die neben den „üblichen“ Verpflichtungen noch wörtlich folgende Ziffer 4 enthält: „Zur Nachtzeit haben Sie sich innerhalb der der Ortspolizeibehörde gemeldeten Wohnung aufzuhalten. Nachtzeit im Sinne dieser Anordnung ist vom 1. 4. bis 30. 9. die Zeit von 21.00 bis 4.00 Uhr und vom 1. 10. bis 31. 3. die Zeit von 21.00 bis 6.00 Uhr.“ Diesen Akt polizeistaatlicher Willkür kommentierte Amman: „Mein Mandant wohnt in einer kleinen Gemeinde, ist Mitglied eines Gesangvereins und kann somit weder an dessen noch an sonstigen, auf dem Land jeweils am Abend stattfindenden Veranstaltungen oder kulturellen Aufführungen teilnehmen noch das Wirtshaus besuchen; er kann auch an warmen Sommerabenden nicht mehr ins Freie gehen, Maßnahmen, die in peinlicher Weise an die für bestimmte Personen und später für die Juden verhängten Aufenthaltsbeschränkungen mahnen, aus § 39 StGB bestimmt nicht herauszulesen und daher m. E. grundgesetzwidrig sind.“ (S. 17) Als etwas Neues hob Ammann abschließend die Tatsache hervor, daß insbesondere seit der Aktion gegen den „Spiegel“ die Kritik an der politischen Strafjustiz wachse: „Zeitungen, Magazine, Illustrierten, sonstige Publikationen aller Art, Hör- und Sehfunk sind angefüllt mit Berichten, Abhandlungen, Kommentaren, sachlichen Auseinandersetzungen und Erörterungen, daß es unmöglich ist, alle Veröffentlichungen und Erklärungen auch nur zu registrieren oder gar zu sammeln“ (S. 20). Kennzeichnend für die derzeitige Lage in der Bundesrepublik ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung des Referenten: „Die gegenwärtige Situation unserer Tagung ist überhaupt gekennzeichnet von einer Welle aufrechten demokratischen Bewußtseins, von einem Entrüstungssturm, einem Aufkommen eines untrüglichen Gefühls für Recht und Gerechtigkeit oder, wie Prof. Abendroth es ausgedrückt hat, einer ,Rebellion der öffentlichen Meinung“ gegen die Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch Notstandsgesetze, gegen die Mißachtung und Verletzung der Grundrechte, besonders der Meinungs- und Pressefreiheit, wie sie zuletzt bei der Aktion gegen den .Spiegel“ in das grelle Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit getreten ist.“ (S. 20) Amman forderte eine Generalamnestie für alle „politischen Delikte“. Sie würden „einen allgemeinen Abschluß unter eine unwürdige und das Ansehen der Bundesrepublik schädigende Entwicklung ziehen und Zehntausenden von Staatsbürgern Haft, Vorstrafen, Verfahren, Sorgen, Nachteile und Kosten ersparen“. Es würde der Weg frei gemacht „für einen echten Austausch der Meinungen unter voller Beteiligungsfreiheit aller politischen Richtungen, für eine sachliche und dem Grundgesetz angemessene strafrechtliche wie strafprozessuale Regelung in der Zukunft, für die Wiederherstellung und Erhaltung des Bestandes der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie sie sich aus dem Katalog der Grundrechte und der rechtsstaatlichen verfassungskonformen Überprüfung aller geltenden wie der in Entwürfen vorgesehenen Vorschriften zwingend ergibt.“ (S. 23/24) * Prof. Dr. Abendroth beschäftigte sich in seinem Referat mit der eminenten Gefährlichkeit der Entwürfe 281;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 281 (NJ DDR 1963, S. 281) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 281 (NJ DDR 1963, S. 281)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rück Verbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rah- inen der Absicherung des Reise-, Besucherund Trans tverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen !; Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer !j Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtun- nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels in den vom Gegner besonders angegriffenen Zielgruppen aus den Bereichen. des Hoch- und Fachschulwesens,. der Volksbildung sowie ,. des Leistungssports und. unter der Jugend in Zusammenarbeit mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen in einer Vielzahl von Betrieben und Einrichtungen der entsprechende Untersuchungen und Kontrollen über den Stand der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung an in der Untersuehungshaf tanstalt der Abteilung Unter Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftvollzugseinrichtungen -ist ein gesetzlich und weisungsgemäß geforderter, gefahrloser Zustand zu verstehen, der auf der Grundlage entsprechender personeller und materieller Voraussetzungen alle Maßnahmen und Bedingungen umfaßt, die erforderlich sind, die staatliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleistender und den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Unterau ohungshaftanstalten des Ministeriums fUr Staatssicherheit gefordert, durch die Angehörigen der Abteilungen eine hohe Sicherheit, Ordnung und Disziplin unter allen Lagebedingungen zu verhindern, daß der Gegner Angeklagte oder Zeugen beseitigt, gewaltsam befreit öder anderweitig die ordnungsgemäße Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung ernsthaft stört.

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