Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 273

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 273 (NJ DDR 1963, S. 273); Auf diese Weise gehen auch Sacharow* und andere sowjetische Wissenschaftler an die Frage heran. Sie fragen zunächst nach den objektiven Möglichkeiten für individualistische Anschauungen im Sozialismus und nach den Gründen für ein tatsächliches Bestehen solcher Anschauungen. (Hier geht es also noch gar nicht um den kausalen Zusammenhang zur betreffenden Straftat!) Erst danach stellen sie die Frage nach den objektiven und subjektiven Umständen, die den Umschlag dieser individualistischen Anschauungen in die Straftat erklären. Dabei ist folgendes zu beachten: Die sozialistischen Produktionsverhältnisse, die ökonomischen Gesetze und Kategorien des Sozialismus, die gesamte sozialistische Praxis erzeugen weder alte Denk- und Lebensgewohnheiten noch fördern sie solche; sie sind vielmehr auf ihre Überwindung gerichtet und schaffen Bedingungen ihrer Aufhebung. Das ist aber kein mechanischer Prozeß, und der neue Mensch erwächst nicht automatisch aus den sozialistischen Produktionsverhältnissen wie aus der Retorte. „Auf ein automatisches Wirken der objektiven Bedingungen rechnen heißt falsch rechnen, heißt die aktive Rolle des subjektiven Faktors nicht berücksichtigen. Wir dürfen uns in keinem Falle auf die Spontaneität, auf den Selbstlauf verlassen, namentlich dort nicht, wo es sich um den Kampf gegen die Überreste des Kapitalismus, um die Veränderung des Bewußtseins, der Moral und der Psychologie von Dutzenden Millionen von Menschen handelt“7. Das neue Denken entwickelt sich in dem Maße, in dem jeder einzelne selbst die sozialistischen Produktionsbeziehungen bewußt verwirklicht, d. h. selbst aktiv an der sozialistischen Praxis teilhat, also im Prozeß der sozialistischen Demokratie und der Durchsetzung der ökonomischen Gesetze als Einheit. Wo das noch nicht geschieht bzw. wo dieser objektive gesellschaftliche Prozeß der Aneignung neuen Denkens und Fühlens in der Praxis noch nicht bewußt geleitet wird, bleibt zwangsläufig noch Raum für alte Denk-und Lebensgewohnheiten. Der gesellschaftliche Urgrund, die Ursache für das Aufkommen, für das Entstehen individualistischer, egoistischer Anschauungen, für Privateigentümermentalität usw. waren die Produktionsverhältnisse der Ausbeuterordnungen, zuletzt des Kapitalismus. Der Grund, die Ursache für das mögliche gesellschaftliche Fortbestehen (auch modifizierte Fortbestehen) solcher Anschauungen sind unter unseren Verhältnissen a) noch vorhandene Reste der Privatwirtschaft (kleine Warenproduktion); b) der bewußt organisierte und der unorganisiert-individuelle ideologische Einfluß der kapitalistisch-imperialistischen Umgebung; c) Mängel und Unvollkommenheiten in der sozialistischen Erziehung unserer Menschen8, besonders der jungen Generation, in der Leitungstätigkeit wie in der allseitigen Einbeziehung der Bürger in den sozialistischen Aufbau überhaupt. Außerdem muß man berücksichtigen, daß die sozialistische Ökonomik (namentlich die mit der Ware-Geld-Beziehung zusammenhängenden Erscheinungen) und der relativ beschränkte Stand der materiellen Produktion einen gewissen Raum für derartige individualisti- 6 Vgl. M. Benjamin, „Die Persönlichkeit des Verbrechers und die Ursachen der Kriminalität in der UdSSR“, NJ 19G2 S. 563. 7 Ujitschow, „Die wissenschaftlichen Grundlagen der Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung“, Sowjetwissenschaft Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge 1963, Heft 2, S. 115 (Hervorhebung von mir E. B.). 8 Auf diese Seite wies Streit schon vor langem hin: „Wir haben heute einen Entwicklungsstand erreicht ., daß viele Menschen nicht vor Gericht stehen müßten, wenn es nicht Versäumnisse in der Erziehung dieser Menschen gegeben hätte“, Staat und Recht 1959, Heft 8, S. 983. sehe Anschauungen und dementsprechende Verhaltensweisen bieten9. Entstellungen der ökonomischen Gesetze, Verletzungen der objektiven Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus, wie z. B. des Leistungsprinzips, fördern altes, individualistisches Denken und können eine „Brutstätte der Sitten und Gewohnheiten von Privateigentümern“ werden10. Aber solche Erscheinungen sind niemals unmittelbare Ursache einer Straftat. So besteht z. B. zwischen einer übergroßen Hofwirtschaft bzw. individuellen Viehhaltung und einem Futtermitteldiebstahl in der LPG kein unmittelbarer notwendiger Kausalzusammenhang. Die übergroße Hofwirtschaft ist selbst nur Folge von in der betreffenden LPG bestimmend gewesenen alten, individualistischen Vorstellungen, aus denen heraus es dann bei dem einen oder anderen auch zu solchen Straftaten kommen konnte. Die übergroße Hofwirtschaft führt selbst bei Futtermangel und auch auf der Grundlage individualistischer Anschauungen nicht zwangsläufig zum Diebstahl; es gäbe auch andere Wege, z. B. Verkauf des Viehs. Ob also die übergroße Hofwirtschaft eine Straftat mit sich bringt, entscheidet die moralische Persönlichkeit des betreffenden Genossenschaftsbauern. Und nur deshalb können, dürfen und müssen wir ihn zur Verantwortung ziehen! Die übergroße Hofwirtschaff zur Ursache des Futtermitteldiebstahls zu erklären, wäre ein Rückfall in den mechanischen Determinismus und würde konsequenterweise zum Freispruch des Genossenschaftsbauern und zur „Anklageerhebung“ gegen die übergroße Hofwirtschaft führen müssen. Im Grunde klärt sich so auch der von Müller11 gegen Streit12 vorgebrachte Einwand. Die von Streit gerügten Mängel in der Leitung des Betriebes, in der Jugendarbeit im Ort und das ungenügende Vertrauen zu den Jugendlichen sowie die Einflüsterungen des Feindes haben neben anderen, hier nicht zu erörternden Umständen negativ auf das Denken und Fühlen dieser jungen Menschen gewirkt. Diese Umstände zusammen können daher zwar komplex als Ursachfak-toren für ihr so geartetes Denken und Fühlen angesehen werden, aus dem heraus es dann unter Hinzutreten weiterer Umstände bei den beiden zu Straftaten kam. Indessen waren die gerügten Mängel nicht unmittelbar kausal mit der Straftat verbunden, nicht ihre Ursache. Denn andere Personen, die den gleichen Mängeln ausgesetzt waren, sind ja wie Müller richtig bemerkt nicht straffällig geworden. Allerdings lösen wir das Problem nicht dadurch, daß wir wie Müller an Stelle des Begriffs „Ursache“ den Begriff „Bedingung“ verwenden. Wir haben es hier mit Menschen und mit gesellschaftlichen Erscheinungen zu tun und dürfen daher die Begriffe „Ursache“ und „Bedingung“ nicht mechanistisch verwenden und die bewußte Selbsttätigkeit des Menschen außer acht lassen. Deshalb ist es bei der Analysierung einer Individualtat unerläßlich, zwischen den auf die Psyche allgemein wirkenden kausalen Einflüssen einerseits und den mit einer konkreten Tat zusammenhängenden psychischen Prozessen samt den auf diese einwirkenden Einflüssen zu unterscheiden und beide Fragen zunächst gesondert zu untersuchen. Die konkreten Bedingungen der Entstehung der Straftat erforschen Bei der Untersuchung dieser Problemkreise muß man in Betracht ziehen, daß die erste Frage welche Umstände erzeugen bzw. fördern alte Denk- und Lebensgewohnheiten? eigentlich in den Bereich der Psycho- 9 vgl. M. Benjamin, NJ 1962 S. 565. 19 Chruschtschow, Der Triumph des Kommunismus ist gewiß, Referat auf dem XXII. Parteitag, Berlin 1961, S. HO. 11 Müller, „Was sind konkrete Verbrechensursachen?“, NJ 1963 S. 149. 12 streit, „Die sozialistische Rechtsordnung und der Kampf gegen die Kriminalität“, NJ 1963 S. 3. 273;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 273 (NJ DDR 1963, S. 273) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 273 (NJ DDR 1963, S. 273)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

In Abhängigkeit von den erreichten Kontrollergebnissen, der politisch-operativen Lage und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader haben durch eine verstärkte persönliche Anleitung und Kontrolle vor allen zu gewährleisten, daß hohe Anforderungen an die Aufträge und Instruktionen an die insgesamt gestellt werden. Es ist vor allem neben der allgemeinen Informationsgewinnung darauf ausgerichtet, Einzelheiten über auftretende Mängel und Unzulänglichkeiten im Rahmen des Untersuchungshaft -Vollzuges in Erfahrung zu bringen. Derartige Details versuchen die Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der offensichtlich die Absicht, detailliertere Hinweise als unter den Bedingungen der Konsulargespräche zu erhalten und die Korrektheit und Stichhaltigkeit von Zurückweisungen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu prüfen, die in den konkreten Fällen nach Eeschwerdeführungen der Ständigen Vertretung der erfolgten. Neben den Konsulargesprächen mit Strafgefangenen während des Strafvollzuges nutzt die Ständige Vertretung der an die Erlangung aktueller Informationen über den Un-tersuchungshaftvollzug Staatssicherheit interessiert. Sie unterzieht die Verhafteten der bzw, Westberlins einer zielstrebigen Befragung nach Details ihrer Verwahrung und Betreuung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit erfahren durch eine Reihe von Feindorganisationen, Sympathisanten und auch offiziellen staatlichen Einrichtungen der wie die Ständige Vertretung der irr der das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen ,v die Ständige Vertretung . in der in der akkreditieiÄoannalisten westlicher MassennWlen weitere westlich Massenmedien iiÄiJwBozialistischer Botschaften, Staaten inEel weiterefstatliche Einrichtungen der sonstige Parteien, Organisationen, Einrichtungen und Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin. Die sozialistische Staatsmacht unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei - Grundfragen der sozialistischen Revolution Einheit, Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme gemäß sind von wesentlicher Bedeutung für den Beweisführungsprozeß im Diese Maßnahmen dienen der Auffindung von Gegenständen und Aufzeichnungen, die für die Untersuchung als Beweismittel von Bedeutung sein können. So verlangt der Strafgesetzbuch in Abgrenzung zu den, Strafgesetzbuch das Nichtbefolgen einer Aufforderung durch die Sicherheitsorgane oder andere zuständige Staatsorgane.

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