Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 247

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 247 (NJ DDR 1963, S. 247); Dr. IRENE BLUMENTHAL, Oberärztin der neurq-psychiatrischen Kinderabteilung des Städtischen Krankenhauses Herzberge, Berlin Kinder als Opfer von Sittlichkeitsdelikten im Strafverfahren Bei der Begutachtung von Kindern, die als Geschädigte in einer Gerichtsverhandlung wegen eines Sittlichkeitsdelikts als Zeugen auftreten sollen, taudien immer wieder Probleme auf, die wohl bis zum heutigen Tage sowohl von juristischer als auch medizinischer Seite nicht befriedigend gelöst sind. Das Kind als Zeuge Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines kindlichen Zeugen in allgemeiner und spezieller Hinsicht erhebt sich zunächst die Frage, ob ein Kind in Anbetracht seiner noch unausgereiften Persönlichkeitsstruktur überhaupt in der Lage ist, einen erlebten Sachverhalt aus der Erinnerung exakt wiederzugeben. Dies darf man wohl bejahen, wenn es sich um ein geistig und psychisch gesundes Kind handelt, der zu ermittelnde Sachverhalt sich auf Dinge des alltäglichen Lebens bezieht und sein Inhalt dem kindlichen Erfassungsvermögen zugänglich ist. In Sittlichkeitsdelikten handelt es sich jedoch immer um einen Tatbestand, den der kindliche Erlebnisbereich in der Regel noch nicht umfaßt, zumindest nicht in dem Bedeutungsgehalt, den der Erwachsene mit Sittlichkeit und Sexualität verbindet. Man kann ein angenähertes Verständnis frühestens nach Eintritt der biologischen Geschlechtsreife erwarten. Es sollte also jeder, der ein Kind nach dem Hergang eines Sittlichkeitsdelikts befragt, sich zur Grundregel machen, daß er nichts anderes als beschreibende Angaben über den Geschehensvor- gang verlangt und jeden Versuch des Kindes, diesen zu interpretieren, zu verhindern sucht. Es besteht sonst unweigerlich die Gefahr der phantastischen Entstellung, zumal ein Kind bei einem ungewöhnlichen und ihm in seiner Qualität nicht voll verständlichen Erlebnis nur sehr schwer Gehörtes, Gelesenes oder Fremderlebnisse von der tatsächlichen eigenen Erfahrung trennen kann. Man dürfte ein solches Kind allerdings nicht als unglaubwürdig bezeichnen, jedoch sollte es vermieden werden, Angaben solcher Kinder als beweiskräftige Zeugenaussagen zu werten. Es gelingt vielen Kindern auch bei guter Intelligenz nur sehr schwer, den exakten Sachverhalt von der damit verbundenen Erlebnisqualität und vor allem von dem Deutungsgehalt, den die erwachsene Umgebung einem solchen Geschehen gibt, sicher abzugrenzen. Auch die Einstellung des Kindes zum Täter, d. h., ob ausgeprägte Sympathien oder Antipathien bestehen, ist für seine Brauchbarkeit als Zeuge von Bedeutung. Da das geschädigte Kind aber oft der einzige Belastungszeuge in einem solchen Prozeß ist, müssen bei der Begutachtung sehr strenge Kriterien angelegt werden. Die Kenntnis von den Gesetzmäßigkeiten der kindlichen Psyche sowie ihren unausgesprochenen Wünschen und Strebungen ist für die Beurteilung unerläßlich. Alle, die mit Kindern näheren Umgang haben, werden wissen, daß diese über wesentliche Erlebnisse und Erfahrungen ‘ganz gleich, ob es sich um solche positiven oder negativen Inhalts handelt nur mit großer Zurückhaltung und Scheu sprechen. Diese Scheu wird verstärkt, wenn es sich für das Kind um verbotene Wünsche handelt, d. h. um solche, die mft den ethischen Anforderungen der Autoritätspersonen (Eltern und Erzieher) nicht zu vereinbaren sind. Bei Sittlichkeitsdelikten ist es nun leider oft so, daß das Kind den Wünschen des Täters nicht widerstrebend gefolgt ist. Nicht wenige Kinder haben mir bei der Untersuchung gesagt, daß „der Onkel schön mit ihnen gespielt habe“ und daß er „lieb“ war. Wir sehen daraus, daß die unzüchtige Handlung des Täters nach dem Rechtsempfinden des Erwachsenen als Unrecht bzw. als Verbrechen gewertet werden muß, sich aber nicht immer im Empfinden des Kindes so abbildet. Diesen Punkt gilt es besonders bei der Beurteilung der speziellen Glaubwürdigkeit und der Glaubwürdigkeit zum Deliktsgeschehen zu beachten. Die Vernehmung des Kindes Wenn wir einen erwachsenen Menschen als Rechtsbrecher bestrafen, weil er ein Kind dadurch geschädigt hat, daß er unzüchtige Handlungen an ihm vornahm, so müssen wir uns im Interesse des Kindes sehr ernsthaft fragen, wie wir bei der Strafverfolgung des Täters vergehen müssen, um den dem Kind zugefügten Schaden nicht noch zu vergrößern. Mir scheint, daß besonders im Hinblick auf die Befragung des Kindes hinsichtlich Art und Häufigkeit entscheidende Veränderungen vorgenommen werden sollten. In der Regel erfahren die Eltern als erste von dem an ihrem Kind vorgenommenen Delikt. Sie sollten sich geschickt und unauffällig an das Erlebnis des Kindes herantasten und abwarten können, bis es sich ihnen anvertraut, weil nur dann zu erwarten ist, daß das Kind den vollen Umfang seines Erlebens und des tatsächlichen Tathergangs zu schildern in der Lage ist. Drängende, beeinflussende sowie vorhaltende Fragen sollten unter allen Umständen vermieden werden, da hierdurch bereits eine Akzentsetzung in der Seele des Kindes vorgenommen wird, die seine realitäts- und wahrheitsgerechte Einstellung zum Tathergang erschwert. Die verständliche Erregung der Eltern über ein solches Vorkommnis sollte niemals dem Kind gezeigt werden, da dieses hierdurch zusätzlich geängstigt wird und den Eindruck gewinnt, daß nicht nur sein Leben von etwas unverständlich Fremdem, evtl. Bösem getroffen wurde, sondern auch die schützenden Eltern aufs schwerste beunruhigt wurden; das Kind sieht damit die Stabilität seiner Geborgenheit gefährdet. Die Unsicherheit des Kindes kann sich verstärken, wenn es nach Erstattung der Strafanzeige durch die Eltern oder einen anderen Erwachsenen bei der Volkspolizei über den Tathergang vernommen wird. Da es nicht immer möglich ist, daß weibliche Volkspolizei-Angehörige die Vernehmung durchführen, wird das Kind erneut einem fremden männlichen Erwachsenen gegenübergestellt, vor dem es sich begreiflicherweise schämt, über die vorgefallerien Dinge zu sprechen. Da das Kind oft nur sehr schwer zu einer Aussage zu bringen ist, kommt es nach meinen Erfahrungen immer wieder dazu, daß der vernehmende Volkspolizist sich genötigt sieht, dem Kind vermutliche Geschehensvorgänge und entsprechende Ausdrücke (Bezeichnung des männlichen oder weiblichen Geschlechtsteils, Benennungen des Geschlechtsverkehrs in der Vulgärsprache) anzubieten, die das Kind dann durch Kopfnicken bejaht oder verneint. Außerdem ist es durch seine Vorstellung von der Funktion eines Polizisten Aufdeckung von Verbotenem zusätzlich gehemmt. Wie schon erwähnt, fühlt sich das Kind in der Regel mitschuldig und wird durch eine solche Vernehmung in eine schwere Konfliktsituation gebracht, deren Bewältigung kaum den Möglichkeiten des kindlichen Reifegrades entspricht. Da von ihm eine wahrheitsgemäße Aussage verlangt wird, muß es sowohl sein 247;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 247 (NJ DDR 1963, S. 247) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 247 (NJ DDR 1963, S. 247)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Dienstobjekt. Im Rahmen dieses Komplexes kommt es darauf an, daß alle Mitarbeiter der Objektkommandantur die Befehle und Anweisungen des Gen. Minister und des Leiters der Diensteinheit - der Kapitel, Abschnitt, Refltr., und - Gemeinsame Anweisung über die Durch- Refltr. führung der Untersuchungshaft - Gemeinsame Festlegung der und der Refltr. Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen- der Untersuchungshaftvoilzugsorduung - Untersuchungshaftvollzugsordnung -in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Dabei haben, solche Schwerpunkte im Mittelpunkt zu stehen, wie - Abstimmung aller politisch-operativen Maßnahmen, die zur Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit während des Strafverfahrens notwendig sind, allseitige Durchsetzung der Regelungen der üntersuchungs-haftvollzugsordnung und der Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte bei ständiger Berücksichtigung der politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich, insbesondere in den Arbeits, Wohn und Freizeitbereichen der jeweils zu kontrollierenden Personen, den politisch-operativen Erkenntnissen und Erfahrungen über Pläne, Absichten, Maßnahmen sowie Mittel und Methoden ihrer Tätigkeit, die differenzierte Einschätzung von in den Menschenhandel einbezogenen und abgeworbenen Personen und ihrer Handlungen, die ständige Suche, Schaffung und Aufbereitung von Ansatzpunkten und Möglichkeiten für die Arbeit im Operationsgebiet sind rechtzeitig mit der federführenden Linie abzustimmen. Die Nutzung der operativen Basis in der Deutschen Demokratischen Republik für die Aufklärung und äußere Abwehr ist auf der Grundlage der gemeinsamen Lageeinschätzung das einheitliche, abgestimmte Vorgehen der Diensteinheitan Staatssicherheit und der Deutschen Volkspolizei sowie der anderen Organe des Ministeriums des Innern bei der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens sowie der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein wesentlicher Beitrag zu leisten für den Schutz der insbesondere für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der DDR. Die politisch-operativen, tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft.

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