Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 200

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 200 (NJ DDR 1963, S. 200); jbiskussioK Dr. GERHARD STILLER, stellv. Direktor des Instituts für Strafrecht der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ Zum Wesen des sozialistischen Rechts Auf dem VI. Parteitag der SED stellte Walter Ulbricht fest, daß mit der Durchsetzung der Staatsratsdokumente zur Rechtspflege „alte, aus dem Kapitalismus übernommene Formen und Praktiken der Rechtspflege beseitigt“ werden. Dieser Prozeß vollzieht sich nicht im Selbstlauf, sondern im Kampf des Neuen gegen das Alte, wobei sich das Neue in der gesellschaftlichen Entwicklung nur über die Veränderung im Denken der Bürger durchsetzt. Walter Ulbricht sagte dazu: „Grundsätzlich klingt das sehr einfach. Aber im Leben bedeutet doch die Anwendung dieser Rechtsnormen die Auseinandersetzung mit alten, aus der kapitalistischen Zeit nachwirkenden Rechtsverhältnissen und Gewohnheiten.“1 Es ist also notwendig, von den Grundfragen des Erlaßentwurfs auszugehen und die Reste alter Rechts Vorstellungen aufzudecken. Nur so kann konkret das Alte als überlebt bewußt gemacht werden. Toeplitz schreibt im Zusammenhang mit den Problemen der Leitung der Rechtsprechung durch die oberen Gerichte mit Recht, daß alles neu durchdacht werden müsse, „damit nicht das bisher Gewohnte, wenn auch in neuen strukturellen Formen, sich fortsetzt und damit den Weg zum Neuen versperrt“2. Die Unterschätzung des Kampfes gegen alte Rechtsvorstellungen zeigt sich z. B. darin, daß manche Richter die Teilnahme von Beauftragten der Kollektive am Strafverfahren organisieren, aber die Verfahren auf alte Weise und ohne Aufklärung der Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Straftat durchführen. Es werden auch noch immer Verfahren eröffnet, obwohl die Ermittlungen unzureichend sind. Offensichtlich gibt es also in den Rechtspflegeorganen Auffassungen von einem Selbstlauf bei der Durchsetzung der Grundsätze des Staatsratserlasses und des sozialistischen Rechts überhaupt. Die Unvollständigkeit der Ermittlungen gemessen an den heutigen Erfordernissen ist ein wesentlicher Mangel, der sich aus dem Wirken bürgerlicher Rechtsvorstellungen ergibt. Diese trennen das Strafrecht und die Rechtspflege von der Gesellschaft, reduzieren sie auf bloße Zwangsanwendung, so daß es lediglich um eine „Abstrafung“ der Rechtsverletzer geht. Das zeigt sich z. B. auch in dem öffentlich kritisierten Strafverfahren gegen Kurt Noack sowohl hinsichtlich der Ignorierung objektiver Umstände und Zusammenhänge als auch subjektiver Faktoren3. Streit kritisiert jetzt, daß in verschiedenen Fällen schwere Kriminalität bagatellisiert wird und unbegründet milde Urteile gefällt werden4 *. Diese Erscheinungen sind eine Folge des Mißverstehens unserer Entwicklung und ihrer Erfordernisse, eine Folge des Denkens in Schemata und der Entfernung vom Leben. Dahinter verbirgt sich möglicherweise ein Nichtverstehen unserer Bemühungen, die Folgen der Lehre vom Zwangscharak- 1 Walter Ulbricht, Das Programm des Sozialismus und die geschichtliche Aufgabe der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin 1963, S. 172. 2 Toeplitz, „Zur Leitung der Rechtsprechung durch die oberen Gerichte“, NJ 1963 S. 33. 3 Vgl. Urteil des Obersten Gerichts vom 21. Dezember 1962 1 c zst 29/62 -, NJ 1963 S. 92 ff. Vgl. Streit, „Klarheit über das Wesen des Staatsratserlasses zur Rechtspflege schaffen“, NJ 1963 S. 99. ter unseres Rechts zu überwinden3. Dieses Bemühen darf nicht mit Liberalismus verwechselt werden. Es zeigt sich, daß die Überreste der Lehren vom Zwangscharakter des Rechts objektiv auch noch wirken, wenn in Diskussionen zum Staatsratserlaß von der Ersetzung des administrativen Zwangs durch gesellschaftlichen Zwang gesprochen wird. Andere Auffassungen stellen Zwang und Erziehung mechanisch gegen-übert wobei sie den Zwang auf die gerichtliche Tätigkeit beziehen und den gesellschaftlichen Organen der Rechtspflege allein eine erzieherische Wirkung einräumen. Sie drücken damit aus, daß die Gesetzmäßigkeit nicht verstanden wird, die Rechtsprechung mit der Kraft der Gesellschaft zu verbinden. Zugleich wird aber auch die Dialektik zwischen Zwang und Überzeugung und der Inhalt des sozialistischen Begriffs „Erziehung“ verfälscht6. Praktisch läuft das alles auf eine Negierung der notwendigen Veränderungen in der Justizpraxis hinaus und auf die mechanische Übertragung falscher Auffassungen auf die neuen Formen der Rechtspflege. Die Kehrseite dieser Erscheinungen ist die manchmal anzutreffende Praxis der Untersuchungsorgane, ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, d. h. ohne gründliche Wahrheitserforschung, Strafsachen an die Konfliktkommissionen zu übergeben. Der Staatsanwalt erfährt davon u. U. bei einer Überprüfung oder nach Beschwerden, manchmal auch gar nicht. Die Untersuchungsorgane gehen dabei einseitig von den Meinungen der Betriebe, Brigaden usw. aus, die ihnen den „Sachverhalt“ und das „Geständnis“ vorlegen, und stimmen ohne Prüfung im gesetzlich vorgeschriebenen Wege der Übergabe an die Konfliktkommission zu. Das entspricht aber nicht der staatlichen Leitung des Kampfes gegen die Kriminalität entsprechend den neuen Bedingungen. Hier wird faktisch die staatliche Leitung der Kriminalitätsbekämpfung beseitigt. Das ist keine Verschmelzung von Staat, Rechtspflege und Gesellschaft, sondern die Folge eines anarcho-syndikalistischen Denkens, das den Prinzipien der Staatsratsdokumente zur Rechtspflege gröblich widerspricht. Diese fehlerhaften Vorstellungen und daraus folgenden Praktiken haben eine wesentliche Ursache in den dogmatischen Lehren der Wissenschaft. Sie haben die Herausarbeitung des Wesens des sozialistischen Rechts gehemmt. Der Wissenschaft und der Praxis wurde nicht bewußt, daß das sozialistische Recht der Ausdruck der objektiven Entwicklung der Gesellschaft vom Kapitalismus zum Sozialismus, ihrer Gesetzmäßigkeit, ist und daß es alle Gesetzmäßigkeiten dieser Entwicklung in sich aufnimmt, die Gesetzmäßigkeit des Kampfes der Widersprüche und deren Lösung durch die sozialistische Staatsmacht. Die besonders tiefe Verwurzelung bürgerlicher Rechtsvorstellungen und ihre Zählebigkeit hängen auch mit der Entwicklung in Deutschland und in unserer Republik nach 1945 zusammen. Walter Ulbricht schrieb: „Besonders in Deutschland ist in der Frage des Staates und des Rechts das Gewicht der alten, bürger- ß Vgl. Stiller, „Wesen, Aufgaben und Entwicklung des Strafrechts der DDR“, NJ 1962 S. 767. 6 Vgl. Weber, „Zu einigen Problemen der Theorie der Strafe“, NJ 1963 S. 55. 200;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 200 (NJ DDR 1963, S. 200) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 200 (NJ DDR 1963, S. 200)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten sind in ihren Verantwortungsbereichen voll verantwortlich Tür die politisch-operative Auswertungsund Informationstätigkeit, vor allem zur Sicherung einer lückenlosen Erfassung, Speicherung und Auswertung unter Nutzung der im Ministerium für Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner Vertrauliche Verschlußsache - Plache, Pönitz, Scholz, Kärsten, Kunze Erfordernisse und Wege der weiteren Vervollkommnung der rechtlichen Grundlagen sowie der weisungs- und befehlsmäßig einheitlichen Regelung des Untersuchungshaftvollzuges. Bei der Realisierung der Vollzugsprozesse der Untersuchungshaft im Staatssicherheit sowie bei der Gewährleistung der territorialen Integrität der sowie der Unverletzlichkeit ihrer Staatsgrenze zur und zu Westberlin und ihrer Seegrenze Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und wirksamen Bekämpfung der Feinetätigkeit und zur Gewährleistuna des zuverlässigen Schutzes der Staat-liehen Sicherheit unter allen Lagebedingungen. In Einordnung in die Hauptaufgabe Staatssicherheit ist der Vollzug der Untersuchungshaft im Staatssicherheit erfolgst unter konsequenter Beachtung der allgemeingültigen Grundsätze für alle am Strafverfahren beteiligten staatlichen Organe und anderen Verfahrensbeteiligten. Diese in der Verfassung der und im in der Strafprozeßordnung , im und weiter ausgestalteten und rechtlich vsr bindlich fixierten Grundsätze, wie zum Beispiel Humanismus; Achtung der Würde des Menschen, seiner Freiheit und seiner Rechte und die Beschränkung der unumgänglichen Maßnahme auf die aus den Erfordernissen der Gefahren-äbwehr im Interesse der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinreichend geklärt werden, darf keine diesbezügliche Handlung feindlich-negativer Kräfte latent bleiben. Zweitens wird dadurch bewirkt, daß intensive Ermittlungshandlungen und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen dann unterbleiben können, wenn sich im Ergebnis der durchgeführten empirischen Untersuchungen für die Währung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, e,pschaftlichkeit und Gesetzlich!:eit als Schwerpunkte erwfesen - die sichiere Beherrschung der strafverf aürensr echtliclien. Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Annahmen, Vermutungen und Hoffnungen zahlen auch hier nicht. Deswegen werden die im Operativvorgang erarbeiteten Beweismittel verantwortungsbewußt und unvoreingenommen geprüft.

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