Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 20

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 20 (NJ DDR 1963, S. 20); Seiten der Tat und des Täters das ist ebenfalls eine Einheit7 8 klärenden Urteil, soll hier nur am Rande bemerkt werden. Nur wenn das Gericht seine volle Verantwortung für die Richtigkeit und die Überzeugungskraft seines Urteils zutiefst empfindet, wird ihm an einem Schlußvortrag im Sinne eines „objektiven Schlußberichts“ des Verteidigers gar nichts gelegen sein. Nicht der Staatsanwalt und nicht der Verteidiger haben das Urteil zu sprechen, sondern beide haben dieses Urteil der Verteidiger allein aus der Sicht der Entlastung nach Kräften gewissenhaft vorzubereiten. Von den Plädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers geht eine eigene, sich nicht mit der des Urteils deckende wohl aber vielfach überschneidende tiefe erzieherische Wirkung aus. Sie kann auf dem Einklang beider Plädoyers, aber gegebenenfalls auch auf der gegensätzlichen Auffassung in den Schlußvorträgen beruhen. Daß der Verteidiger nur zu verteidigen, nicht aber anzuklagen hat, steht in der Theorie absolut fest. In der Praxis wird vom Verteidiger gelegentlich aber mehr erwartet, insbesondere dort, wo die Anklage durch die Beweisaufnahme im vollen Umfang bestätigt wird. Es kann dennoch nicht angehen, daß der Verteidiger sich von seinem Mandanten im Schlußvortrag in Ton und Ausdruck abwendet oder ihn in der Sache widerlegt, ihn wegen seines Leugnens zurechtweist, ihm sogar „Unaufrichtigkeit gegenüber seinem Verteidiger“ vorr wirft und sich „über das Abstreiten des Angeklagten bis zuletzt“ sei es auch nur in einem Nebenpunkt unter Berufung auf die Aussage eines Zeugen hinwegsetzt und seinerseits erklärt, der Angeklagte sei durch den Zeugen überführt. Hier wird der Verteidiger, ohne daß er sich dessen bewußt wird, zum Ankläger. Die Aufgabe des Verteidigers muß in solchen Fällen jedoch darin bestehen, den Angeklagten zu beraten, ihm, wenn er offensichtlich nur aus Scham oder sonstigen Gründen „nein“ sagt, aber alles andere und auch seine eigene Haltung, sein Ton, der Blick „ja“ sagen, den richtigen, klärenden und in Wahrheit für den Angeklagten befreienden Rat geben. Er darf sich aber über den Angeklagten, wenn dieser bei seinem „nein“ bleibt, nicht hinwegsetzen und zu ihm nicht in Widerspruch geraten, sondern muß hier die Entscheidung allein dem Gericht überlassen. Daß er in einer solchen Lage dem Angeklagten nicht betont beitreten wird, folgt aus seiner Mitverantwortung für das richtige Urteil. Es wäre andererseits auch nicht richtig, dem Angeklagten den opportunistischen Rat zu geben, er solle „ja“ sagen, um das Gericht, das offensichtlich dem Zeugen folgen wird, „nicht zu verärgern“. Der Verteidiger darf das ebensowenig, wie er von einer nach seiner Ansicht gebotenen Berufung abraten darf, nur weil der Angeklagte glaubt, sich durch die Berufung etwaige Aussichten auf eine bedingte Strafaussetzung zu verscherzen ein Einwand, der dem Verteidiger immer wieder vom Angeklagten entgegengehalten wird und dem er sachlich entgegenwirken sollte. Ein Ausnahmefall mag verdeutlichen, welche Haltung der Verteidiger einnehmen soll, wenn die Anklage durch die Beweisaufnahme im vollen Umfang bestätigt wird. Nehmen wir an, der Rechtsanwalt muß einen brutalen Mörder, einen Kriegs- und Menschlichkeitsverbrecher wie den KZ-Aufseher Schäfers, verteidigen. Darf oder muß der Verteidiger in diesem Fall selbst 7 Vgl. dazu M. Benjamin, „Die Persönlichkeit des Verbrechers und die Ursachen der Kriminalität in der UdSSR“, NJ 1962 S. 563. 8 Vgl. Urteil des Obersten Gerichts vom 20. Mai 1961 1 Zst (I) 1/61 - in NJ 1961 S. 440 ff. erschüttert von den unmenschlichen Verbrechen des Angeklagten für die Todesstrafe statt für lebenslängliches Zuchthaus plädieren, wenn auch nach seiner persönlichen Überzeugung die Todesstrafe am Platze ist? Der Staatsanwalt muß es tun, der Verteidiger darf es nicht. Er muß hier seine persönliche Meinung unausgesprochen lassen, um nicht zum zweiten Ankläger zu werden. Er muß für die mildere Strafe, wenn sie das Gesetz zuläßt, mit echten Gründen eintreten und alles vortragen, was sachlich, menschlich, vor allem politisch-gesellschaftlich gesagt werden kann und was zur Verhängung der milderen Strafe Veranlassung geben könnte. Wenn es um Tod oder Leben geht, dann wird der Verteidiger mit Sorgfalt und tiefem Ernst in die vielfältig menschlich-unmenschliche Verstrickung der Persönlichkeit des Angeklagten hinabsteigen. Er wird das Gericht bitten, die mildere Strafe zu verhängen, wenn er selbst von der Richtigkeit einer solchen Entscheidung überzeugt ist, und er wird sich ohne Hintergedanken und ohne etwa ein eigenes Urteil in der Sache erkennbar zu machen mit der Darlegung aller Gesichtspunkte für das mildere Urteil begnügen, wenn es anders ist. Hier gibt es keine für alle Fälle gültige Regel. Es kommt alles auf den Einzelfall und die Umstände ah. Gerade in diesen schweren Fällen zeigt sich aber das eigentliche Wesen und die Aufgabe der Verteidigung am deutlichsten, weil hier nach dem Willen des Gesetzes (§ 76 Abs. 1 StPO) die Bestellung eines Verteidigers zwingend vorgeschrieben ist. Es wäre unzulässig, eine solche Verteidigung abzulehnen, weil nichts zu verteidigen sei, weil keine Umstände der Milderung oder Entlastung erkennbar seien. Auch dann, wenn der Staatsanwalt in seinem Schlußvortrag alles fallenläßt oder zugunsten des Angeklagten würdigt, was diesem an belastenden Umständen nicht nachgewiesen werden konnte, und das Gericht den Schlußfolgerungen und dem Antrag des Staatsanwalts voraussichtlich folgen wird und es scheinbar keinen Zweck hat, noch etwas zu sagen, muß die Verteidigung zu Ende geführt werden. Es gibt keinen Menschen, der als verteidigungsunwürdig anzusehen ist. Mag der Angeklagte auch wegen schwerer Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit das Leben verwirkt haben die Verteidigung gegen die Anklage hat er nicht verwirkt. Gerade das macht die gesellschaftliche Funktion des Verteidigers so verantwortungsschwer. Die Führung der Verteidigung im Verhältnis zu Mitangeklagten Wie der Verteidiger nicht zum Ankläger des eigenen Angeklagten werden darf, so darf er auch niemals zum Ankläger eines Mitangeklagten werden, der den eigenen Angeklagten belastet. Auch hier gibt es kein Rezept für das richtige Verhalten, wohl aber einige Grundsätze, die als Richtschnur dienen können. Auch hier ist wie bei der Führung jeder Verteidigung alles unzulässig, was den moralisch-ethischen Anschauungen der Bürger der sozialistischen Gesellschaftsordnung widerspricht. Für den Rechtsanwalt gilt keine Sonderethik, gibt es keinen anderen Maßstab bei der Beantwortung der Frage, inwieweit er in die Interessen eines anderen sei es auch zum Schutze der Interessen seines eigenen Mandanten eingreifen darf. Der bürgerliche Advokat beanspruchte bei der „Wahrung berechtigter Interessen“ in der Praxis für seinen Auftraggeber einen weit ausgedehnten Spielraum, der zu viel Verdruß, Streit, ja Verbitterung geführt hat. Diese Sonderethik hat nicht zuletzt zum Widerwillen der Bevöl- 20;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen der unmittelbar und direkt an feindlich tätigen Personen oder im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen arbeitet, deren Vertrauen besitzt, in ihre Konspiration eingedrungen ist und auf dieser Grundlage Maßnahmen der Auflösung und Zersetzung einzuleiten, den harten Kern zu zerschlagen unwirksam zu machen, die Rückgewinnung geeigneter Personen anzustreben. Aus aktueller polit isch-opo raliver Sicht sind in diesem Zusammenhang Informationen zu erarbeiten aus denen der konkrete Nachweis der Duldung, Förderung und Unterstützung der kriminellen Menschenhändlerbanden durch Behörden, Einrichtungen, Parteien und Organisationen sowie Institutionen der anderer nichtsozialistischer Staaten und Westberlins sowie Entlassungen aus der Staats bürgerschaft der Die politisch-operativen Aufgaben im Zusammenhang mit - Übersiedlungen von Bürgern der nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, Familienzusammenführungen und Eheschließungen mit Bürgern nichtsozialistischer Staaten und Westber- lins, Entlassungen aus der Staatsbürgerschaft der sind in den Gesamtkomplex der Maßnahmen zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens sowie Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Vergangenheit bereits mit disziplinwidrigen Verhaltens weisen in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten und hierfür zum Teil mit Ordnungsstrafen durch die belegt worden waren. Aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie für den relativ schnellen Übergang zu staatsfeindlichen Handlungen aus, wie Terror- und Gewaltakte gegen die Staatsgrenze der DDR.

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