Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 187

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 187 (NJ DDR 1963, S. 187); Der Präsident des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik hat zugunsten des Angeklagten die Kassation des Urteils des Kreisgerichts M. wegen Verletzung des § 200 StPO beantragt. Der Kassationsantrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Das Kreisgericht hat seine sich aus § 200 StPO ergebende Pflicht zur allseitigen Erforschung der Wahrheit verletzt, indem es bei der Feststellung der Schuld des Angeklagten nicht alle vorhandenen Beweismöglichkeiten ausschöpfte. Darin zeigt sich auch, daß das Kreisgericht bei seiner Entscheidung nicht genügend die Hinweise beachtet hat, die den Justizorganen für ihre Tätigkeit durch den Rechtspflegebeschluß des Staatsrates vom 30. Januar 1961 gegeben worden sind. Die sozialistische Gesetzlichkeit verlangt die allseitige genaue Beachtung des gesetzlichen Tatbestandes. Dazu gehört die gründliche Untersuchung aller objektiven Umstände der Tat, der Persönlichkeit des Täters, seiner Entwicklung, seines Bewußtseinsstandes, seines gesellschaftlichen Verhaltens und der Motive seines zur Beurteilung stehenden Handelns. Da das Gericht keine exakte und allseitige Erforschung aller Umstände, die zum Verhalten des Angeklagten geführt haben, durchgeführt hat, gelangte es zu der fehlerhaften Auffassung, daß der Angeklagte bewußt fahrlässig gehandelt habe. So hat es entgegen dem Ergebnis der Beweisaufnahme angenommen, daß dem Angeklagten bekannt gewesen sei, daß das viele Fressen von Zuckerrübenblatt bzw. Wurzelresten sich schädlich für die Kühe auswirken und in schweren Fällen sogar ihren Tod bewirken könne. Weder in der Hauptverhandlung noch im Ermittlungsverfahren ist aber eine solche Kenntnis des Angeklagten festgestellt worden. Nach dem Protokoll der Hauptverhandlung hat der Angeklagte nur gesagt, ihm sei bekannt gewesen, daß die Kühe, wenn sie' vom Zuckerrübenblatt fressen, dick werden bzw. daß etwas geschehen kann. Weiterhin hat er in der Beweisaufnahme ausgeführt, daß ihm jemand von der LPG gesagt habe, daß den Kühen nichts geschehen würde, wenn sie von dem Rübenblatt fressen. Vor dem Untersuchungsorgan hat der Angeklagte dazu ausgesagt: „Ich habe bei meiner Handlung angenommen, daß dies den Kühen nicht schaden würde. Wenn ich gewußt hätte, daß hierbei die Kühe krank werden, hätte ich dieses nicht zugelassen. Ich hätte mir dann Hilfe geholt. Es waren ja einige Mitglieder der LPG in der Nähe. Ich habe mit diesen auch gesprochen. Die sagten auch, daß es der Herde bei dieser Zeit noch nicht schaden kann.“ Dieses Gespräch ist von den Zeugen W. und C., die in der Hauptverhandlung nicht gehört worden sind, im Ermittlungsverfahren bestätigt worden. Beide haben vor der Volkspolizei ausgesagt, auch sie seien der Meinung gewesen, daß die Kühe durch das Weiden auf dem Rübenschlag keinen Schaden nehmen könnten. Der Zeuge C. als erfahrener Bauer hat vor dem Untersuchungsausschuß noch angegeben: „Wenn ich dieses gewußt hätte, dann hätten wir bestimmt mit vereinten Kräften die Herde vom Rübenfeld getrieben.“ Auch der Leiter der Melkergruppe, der Zeuge L., hat in der Hauptverhandlung erklärt, daß er gesehen habe, daß die Kühe auf dem abgeernteten Rübenfeld waren und der Angeklagte sie von dort nicht mehr wegbekam. Er habe aber als Vorgesetzter des Angeklagten nichts unternommen, weil auch er der Meinung gewesen sei, die Rübenblätter würden den Tieren nicht schaden. Wie Sich aus dem in der Hauptverhandlung als Beweismittel verlesenen tierärztlichen Gutachten ergibt, ist die Ursache der schädlichen Folgen des Weidens auf dem Zuckerrübenfeld auch nicht das Fressen von Rüben-blättem schlechthin, sondern der plötzliche Futterwechsel. Allein schon auf Grund der in der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen hätte das Kreisgericht erkennen müssen, daß dem Angeklagten ein bewußt fahrlässiges Verhalten nicht zur Last gelegt werden kann, da die bewußte Fahrlässigkeit voraussetzt, daß der Täter die möglichen Folgen seines Handelns voraussieht. Das Kreisgericht hätte außer dem Zeugen L. auch die Zeugen C. und W. vernehmen müssen. Wären in der Beweisaufnahme die Einlassungen des Angeklagten von den Zeugen bestätigt worden, dann würde dem Handeln des Angeklagten auch keine unbewußte Fahrlässigkeit zugrunde liegen. Denn auch diese verlangt, daß der Täter entsprechend seinen Kenntnissen und Fähigkeiten hätte erkennen können und müssen, daß durch das Weiden auf dem abgeernteten Zuckerrübenfeld bei den Kühen Gesundheitsschäden oder sogar ihr Tod hätte eintreten können und daß dadurch die Versorgung der Bevölkerung mit Milch und Butter gefährdet werden könnte. An den Angeklagten, der als ehemaliger Industriearbeiter noch nicht über umfassende landwirtschaftliche Kenntnisse verfügt, können jedoch keineswegs höhere Anforderungen gestellt werden als an die übrigen LPG-Mitglieder, die dieses Wissen ebenfalls nicht hatten. Hätte dies in der umfassenden Beweisaufnahme festgestellt werden können, dann hätte der Angeklagte gemäß § 221 Ziff. 1 StPO freigesprochen werden müssen. Mit einem Freispruch wäre auch die Verurteilung zum Schadensersatz entfallen. Das angefochtene Urteil enthält aber noch eine weitere Gesetzesverletzung. Das Kreisgericht hat den Angeklagten entsprechend dem vom Vorstand der geschädigten LPG gestellten Antrag dem Grunde nach zum Schadensersatz verurteilt, ohne daß ein Beschluß der Mitgliederversammlung gemäß § 17 Abs. 2 LPG-Ges. Vorgelegen hat*. Liegt aber dem Antrag oder der Klage ein Beschluß der Mitgliederversammlung nicht zugrunde, so muß das Gericht den Vorstand der LPG auf das Fehlen dieser Sachurteilsvoraussetzung hinweisen und ihn auffordern, das Versäumte nachzüholen. Kommt die LPG diesem Hinweis bis zur Entscheidung trotzdem nicht nach, dann ist der Antrag auf Schadensersatz aus prozessualen Gründen als unzulässig zurückzuweisen. Auch eine Verurteilung dem Grunde nach darf ohne Vorliegen des Beschlusses der Mitgliederversammlung nicht vorgenommen werden, weil diese schon darüber zu beschließen hat, ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden soll. Aus den dargelegten Gründen war das angefochtene Urteil entsprechend dem Kassationsantrag aufzuheben. * Vgl. hierzu auch Urt. des OG vom 21. August 1962 3 Zst II 2/62 (NJ 1962 S. 643). §§ 1, 10 wstvo. Zur Abgrenzung strafrechtlicher Fahrlässigkeit von persönlichem Unvermögen bei mangelnder Anleitungsund Kontrolltätigkeit eines LPG-Vorsitzenden. OG, Urt. vom 22. November 1962 3 Zst II 57/62. Das Kreisgericht hat den Angeklagten wegen fortgesetzten Wirtschafts Vergehens gemäß § 10 Abs. 1 WStVO zu einer bedingten Gefängnisstrafe von vier Monaten unter Auferlegung einer Bewährungszeit von zwei Jahren verurteilt. Dem Urteil liegen im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte ist Miteigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes. Seit 1960 ist er Mitglied, seit 1961 war er Vorsitzender der LPG Typ III in H. Im Mai 1962 wurde er von seiner Funktion abgelöst. Die LPG befaßt sich in der Hauptsache mit der Geflügelintensivhaltung. Der im gleichen Verfahren mitverurteilte D. war als Geflügelzuchtbrigadier eingesetzt. D. gab laufend gegenüber dem Rat der Gemeinde 187;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 187 (NJ DDR 1963, S. 187) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 187 (NJ DDR 1963, S. 187)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte bei ständiger Berücksichtigung der politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich, Koordinierung aller erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung des politisch-operativen Untersuchungshaftvollzuges, die Absicherung von Schwerpunktinhaftierten, Besonderheiten, die sich aus der neuen Lage und Aufgabenstellung ergebenden politisch-operativen Schwerpunkte bereits zu berücksichtigen. Unter diesem Gesichtspunkt haben die Leiter durch zielgerichtete Planaufgaben höhere Anforderungen an die Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von werden - trotz der erreichten Fortschritte -noch nicht qualifiziert genug auf der Grundlage und in konsequenter Durchsetzung der zentralen Weisungen im engen Zusammenhang mit der Durchsetzung der in anderen Grundsatzdokumenten, wie den Richtlinien, und, sowie in den anderen dienstlichen Bestimmungen festgelegten politisch-operativen Aufgaben zu erfolgen. Bei der Führungs- und Leitungstätigkeit verantwortlich für die - schöpferische Auswertung und Anwendung der Beschlüsse und Dokumente der Partei und Regierung, der Befehle und Weisungen des Ministers und des Leiters der Diensteinheit - der Kapitel, Abschnitt, Refltr., und - Gemeinsame Anweisung über die Durch- Refltr. führung der Untersuchungshaft - Gemeinsame Festlegung der und der Refltr. Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der UntersuchungshaftVollzugsordnung -UKVO - in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit ;. die Gemeinsamen Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der Hauptabteilung und der Abteilung insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe Zugeführter; das kameradschaftliche Zusammenwirken mit Staatsanwalt und Gericht bei der raschen Verwirklichung getroffener Entscheidungen über die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen des dringenden Verdachtes von Straftaten, die sich gegen die staatliche Entscheidung zu richteten unter Bezugnahme auf dieselbe begangen wurden.

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