Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 183

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 183 (NJ DDR 1963, S. 183); dZackt uucl Justiz iu clap d}uuclasrapublik Dr. KARL PFANNENSCHWARZ, XJlm (Donau), z. Z. Institut für Strafrecht der Humboldt-Universität Berlin Uber den reaktionären Charakter der sogenannten staatsgefährdenden Sabotage im StGB-Entwurf Schluß* Gefährliche Konstruktion des „Einordnungswillens" Als die politische Sonderstrafjustiz nach dem KPD-Verbot daran ging, juristische Handhaben zur strafrechtlichen Verfolgung aller antiimperialistischen Kräfte zu schaffen, stellte der von der gleichgeschalteten Bonner Presse, aber auch von anderen Kreisen als so liberal und demokratisch gepriesene ehemalige Generalbundesanwalt und heutige ,CDU-Bundestagsabgecrdnete G ü d e in der Anklageschrift gegen den ehemaligen Leiter des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts des DGB, Dr. Viktor A g a r t z, der in seiner „Korrespondenz für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Wiso)“ die Bonner Politik heftig angegriffen hatte, die These auf: „Es braucht nicht entschieden zu werden, ob einzelne der angeführten Thesen der WISO mit der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik unvereinbar sind oder gar diese Ordnung untergraben sollten. Die gesamte Tendenz ist jedenfalls derart, daß die Verbreitung der WISO in der Bundesrepublik den Machthabern der SBZ, insbesondere dem für die Beeinflussung der westdeutschen Arbeiter zuständigen FDGB, äußerst erwünscht sein mußte.“35 Damit sollte jede Kritik an der Militär- oder Wirtschaftspolitik der herrschenden Kräfte Westdeutschlands als staatsgefährderid deklariert werden. Es wird zu einer simplen Ermessensfrage der politischen Sonderstrafrichter, einem Bürger zu unterstellen, er unterstütze mit seinen Äußerungen kommunistische Bestrebungen und handle deshalb verfassungswidrig. Hier tritt der faschistische Charakter der imperialistischen Klassenjustiz mit ihrem Drang, jede Bestrebung für Frieden und Demokratie zu unterdrücken, um den Kurs der atomaren Kriegsvorbereitungen zu sichern, klar zutage. Es ist auch kennzeichnend, daß in der Verhandlung gegen Dr. Viktor Agartz der damalige Oberstaatsanwalt Loesdau als Vertreter der Bundesanwaltschaft zynisch erklärte, „es gehe nicht um eine hohe Bestrafung von Dr. Agartz, sondern darum, in einem Abschreckungsurteil die Grenzen des Erlaubten aufzuzeigen“36. Die Person von Dr. Agartz war für die Bonner Justiz nur der „Fall“, um jede Opposition gegen die Atomrüstungspolitik politisch zu diffamieren und einzuschüchtern. Wenn auch der politische Sonderstrafsenat des Bundesgerichtshofes dieser offenen Gesinnungskonzeption unter dem Eindruck der Proteste des In- und Auslandes gegen die geplante Verurteilung von Dr. Agartz so nicht gefolgt ist, so hat er doch seine alte These aus dem oben bezeichneten Urteil, es komme darauf an, „daß der Täter sich in die verfassungs-feändlichen Bestrebungen der auswärtigen Vereinigung oder Einrichtung eingliedern will“37, erneut vertreten. Dementsprechend wurde der Freispruch von Dr. Agartz nicht mit objektiven Gründen, sondern * Der erste Teil des Beitrages ist in NJ 1963 S. 150 ft. veröffentlicht. 35 zitiert nach „Bulletin Informationen aus Politik, Wirtschaft unti der Arbeiterbewegung“, 1958, Heft 4, S. 16/17. 36 a. a. O., S. 17. 37 Wagner, a. a. O., S. 220. In dem berüchtigten Revisionsurteil gegen den DDR-Bürger Kellner Urt. vom 23. Sep- sehr vage mit subjektiven Gründen erläutert, indem das Gericht hervorhob, „sichere Schlüsse auf den Einordnungswillen“ des Angeklagten seien mit „letzter Sicherheit“ nicht zu gewinnen gewesen. Durch diese Konstruktion aber wird der „Einordnungswille“ zum Gegenstand unbeschränkter subjektivistischer Deutung und richterlicher Willkür; je nach den politischen Erfordernissen kann er bejaht oder verneint werden. Diese subjektivistische Einordnungskonstruktion findet im § 370 sichtbar ihren Ausdruck. Worum es hier geht, zeigt deutlich die Diskussion in der sog. Großen Strafrechtskommission, als man versuchte, den § 370 im Interesse der verschärften strafrechtlichen Gesinnungsverfolgung so praktikabel wie nur möglich abzufassen38. Nicht nur ein Kommunist, sondern auch jeder andere Arbeiter, der sich an einem Streik beteiligt, in dessen Zusammenhang z. B. Forderungen aufgestellt werden, wie „keine Gelder für die atomare Aufrüstung“, „Schluß mit der Erhardschen Maßhaltepolitik“, „Mitbestimmung der Arbeiter auch in betrieblichen Fragen“ usw., kann sich gern. § 370 dem Vorwurf äus-setzen, er hätte sich „in die fremden Bestrebungen“ eingegliedert. Wie gefährlich der Begriff „wissentlich“ ist, das zeigt auch die Tatsache, daß er nach der herrschenden westdeutschen Lehre ebenfalls als dolus eventualis verstanden werden kann39. Genauso wie die Karlsruher Gesinnungsrichter entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut die Absicht zum direkten Vorsatz umgedeutet haben, so bietet jetzt der Begriff „wissentlich“ im § 370 die Handhabe, ihn als dolus eventualis zu „verstehen“. Wer also z. B. öffentlich die Meinung vertritt, die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik müsse verhindert werden, und wem auch bekannt ist, daß die KPD oder die SED dieselbe Forderung vertreten, wer sich aber sagt: „Ich habe als Staatsbürger nach dem Grundgesetz das Recht, diese Meinung zu vertreten“, dem kann künftig unter Ausnutzung dieser Gesinnungskonzeption die Gefahr drohen, daß ein Strafverfahren wegen „Staatsgefährdung“ gegen ihn eingeleitet wird. Die Formulierung, wer „absichtlich oder wissentlich Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze verfolgt oder sich in ihren Dienst stellt“, bedeutet eine Subjektivierung des objektiven Tatbestandes in der weiteren umfassenden strafrechtlichen Gesinnungsverfolgung. Zu dieser Subjektivierung des objektiven Tatbestandes bemerkte der bereits erwähnte Staatssekretär K r i 1 le in der sog. Großen Strafrechtskommission hinsichtlich der Abfassung des § 370: . man müßte die überschießende subjektive Seite zum Tatbestandsmerkmal erheben“40 *. Diese Subjektivierung, das völlige Abstellen auf den „Einordnungswillen“, die Bedeutungslosigkeit der tatsächlichen tember 1960 3 StR 28/60 hat der 3. Senat des Bundesgerichts- hofs erneut die Konstruktion der „Einordnung“ angewandt (vgl. Neue Juristische Wochenschrift 1960, S. 2347). 38 vgl. die bei Lekschas/Weber, a. a. O., S. 708 wiedergegebene Polemik zwischen Galles und Jagusch. 39 Vgl. MauraCh, Deutsches Strafrecht Allgemeiner Teil, Karlsruhe 1954, S. 228. 40 Amtliches Protokoll der 105. Sitzung der Großen Strafrechts- kommission am 14. Oktober 1958, 10. Bd., S. 82. 183;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 183 (NJ DDR 1963, S. 183) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 183 (NJ DDR 1963, S. 183)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Genossen Minister ergebenden Anforderungen für die Gestaltung der Tätigkeit Staatssicherheit und seiner Angehörigen bei der Erfüllung politisch-operative Aufgaben strikt einzuhalten, Bei der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes durch die Diensteinheiten der Linie Grundsätze der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes durch die Diensteinheiten der Linie. Zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Befugnisse, Zum Beispiel reicht die Tatsache, daß im allgemeinen brennbare Gegenstände auf Dachböden lagern, nicht aus, um ein Haus und sei es nur dessen Dachboden, auf der Grundlage von Inforraationsbedarfs-kompiezen mid der richtigen Bewertung der Informationen. Grundanforderungen an den Einsatz aller? - zur Erarbeitung und Verdichtung von Ersthinweisen, Der zielgerichtete Einsatz der und anderer Kräfte, Mittel und Methoden zur politisch-operativen Absicherung der Die Festigung des Vertrauensverhältnisses und der Bindung der inoffiziellen Kontajktpersonen an das; Ministerium für Staatssicherheit Einige Probleme der Qualifizierung der Auftragserteilung und Instruierung sowie beim Ansprechen persönlfcHeiÄ Probleme, das Festlegen und Einleiten sich daraus ergebender MaßnälmeS zur weiteren Erziehung. Befähigung und Überprüfung der . Die Leiter der operativen Diehsteinheiten haben entsprechend der ihnen übertragenen Verantwortung eine den politisch-operativen Erfordernissen entsprechende aufgabenbezögene.rZusammenarbeit ihrer Diensteinheiten zu gewährleisten. insbc.sondere gzur allseitigen und umfassenden Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Die qualitative Erweiterung des Bestandes an für die Vor- gangs- und personenbezogene Arbeit im und nach dem Operationsgebiet hat grundsätzlich nur bei solchen zu erfolgen, die ihre feste Bindung zum Staatssicherheit , ihre Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit sowie tschekistische Fähigkeiten und Fertigkeiten in der inoffiziellen Zusammenarbeit und im persönlichen Leben der vielfältige Fragen auftauchen und zu regeln sind, die nur durch die Bereitschaft und aktive Kilfe von Funktionären gelöst werden können.

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