Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 154

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 154 (NJ DDR 1963, S. 154); auch keine Anhaltspunkte dafür, daß er die Jugendlichen etwa zu dem verübten Verbrechen angestiftet oder auf gef ordert hätte. Das Hauptverfahren gegen O. durfte daher vom Kreisgericht nicht vor der Jugendstrafkammer eröffnet werden; die Sache mußte vielmehr abgetrennt und gesondert vor dem Erwachsenengericht verhandelt werden. Diese unrichtige Verfahrensweise und ebenso die weitere Verletzung der gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der wegen vollendeter und versuchter Notzucht verurteilten Angeklagten H., R. und Sch. offenbaren, daß sich das Kreisgericht mit den für das Verfahren gegen Jugendliche geltenden Bestimmungen nicht genügend vertraut gemacht und sich vor allem über den Charakter und die gesellschaftsschädliche Bedeutung der von den Angeklagten begangenen Verbrechen keine Klarheit verschafft hat. Das Kreisgericht hätte sonst nicht übersehen können, daß gemäß § 24 JGG das allgemeine Strafrecht auch dann Anwendung findet, wenn Jugendliche des vollendeten oder versuchten Verbrechens der Vergewaltigung, also der Notzucht gemäß § 177 StGB, schuldig sind. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 JGG ist die gegen Jugendliche auszusprechende Strafe auch hinsichtlich ihrer Art dem im verletzten Strafgesetz angeführten Strafrahmen zu entnehmen. Die im Jugendgerichtsgesetz festgelegten Straf- und Erziehungsmaßnahmen haben bei der Strafzumessung außer Betracht zu bleiben, weil die Anwendung des allgemeinen Strafrechts gegen Jugendliche bei allen in 8 24 JGG angeführten schweren Verbrechen, so auch bei Notzuchtverbrechen, wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit für die sozialistische Gesellschaft zwingend vorgeschrieben ist und nicht im Ermessen des erkennenden Jugendgerichts steht. Die gegen die jugendlichen Angeklagten H., R. und Sch. nach § 17 ff. JGG vorgenommene Bestrafung verstößt in grober Weise gegen das Gesetz und wird zudem der Schwere des von ihnen begangenen Verbrechens nicht gerecht. Das Kreisgericht hätte die Angeklagten auf die Anwendung des allgemeinen Strafrechts gemäß § 216 StPO hinweisen müssen, da es das Hauptverfahren gegen sie zwar nach § 177 StGB eröffnet, dabei aber § 24 JGG nicht in die rechtliche Beurteilung einbezogen hat. Beizupflichten ist dem Kassationsantrag darin, daß das Kreisgericht den Sachverhalt sowohl hinsichtlich des Tatgeschehens als auch zur Persönlichkeit der Angeklagten nicht ausreichend aufgeklärt hat. Offensichtlich hat es den Schwerpunkt der strafbaren Handlung in der gewaltsamen Unzucht und nicht in den weitaus gesellschaftsgefährlicheren Notzuchtverbrechen gesehen und es deshalb unterlassen ebenso wie das Untersuchungsorgan und der Staatsanwalt , die Verhaltensweise jedes Angeklagten in den einzelnen Phasen des Geschehensablaufs eingehend zu erforschen und auf ihre Tatbestandsmäßigkeit zu prüfen. Es hat nicht beachtet, daß die Feststellung, in welcher Weise die einzelnen Angeklagten tätig geworden sind, für die richtige rechtliche Beurteilung ihres strafbaren Verhaltens, für die Einschätzung des Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit ihres Handelns sowie für die Festsetzung der erforderlichen staatlichen Maßnahme unumgänglich ist. Es hätte sonst nicht geschehen können, daß das Kreisgericht, obwohl es im Urteil wenn auch pauschal die Feststellung getroffen hat, alle Angeklagten hätten Renate A. bei der von Sch. versuchten Notzucht festgehalten, insoweit nur die Angeklagten D. und O. wegen gewaltsamer Unzucht verurteilt und das Verhalten der Angeklagten H. und R. strafrechtlich überhaupt nicht gewürdigt hat. Der Tatbestand des § 177 StGB erfordert Gewaltanwendung, wie auch vom Kreisgericht richtig erkannt worden ist, soweit es die Verurteilung der Mitangeklagten H. und R. wegen vollendeter Notzucht in Mittäterschaft betrifft. Der Ver- such des Notzuchtverbrechens beginnt demzufolge nicht erst mit Beginn der Ausführung des Geschlechtsverkehrs, sondern bereits mit der Gewaltanwendung. Diese ist der Anfang der Ausführungshandlung. Wenn H., R., D. und O. das Mädchen tatsächlich gewaltsam festgehalten haben, damit Sch. es geschlechtlich mißbrauchen konnte, hätten sie als Mittäter mit Sch. wegen versuchter Notzucht verurteilt werden müssen. Das bisherige Beweisergebnis läßt jedoch noch keine zweifelsfreie Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten zu. (Wird für alle Phasen des Geschehensablauf näher ausgeführt.) Der weiteren Aufklärung bedarf der Sachverhalt hinsichtlich des von H. und R. an Renate A. begangenen Notzuchtverbrechens. Nach dem dargestellten Sachverhalt wurde das Mädchen bei dem von R. nach H. durchgeführten Geschlechtsverkehr n\*r von H. festgehalten, da sich Sch., D. und O. bereits entfernt hatten. Gleichwohl hat das Kreisgericht die Angeklagten D. und O. auch wegen Beihilfe zu der von R. begangenen Notzucht verurteilt, weil „sie das Mädchen festhielten, damit H. und R. den Geschlechtsverkehr durchführen konnten“. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß bei Richtigkeit dieser Feststellung die Angeklagten als Mittäter zum vollendeten Notzucht verbrechen hätten verurteilt werden müssen, weil ihr Tatbeitrag, die Gewaltanwendung gegen Renate A., ebenso ein Teil der Ausführungshandlung der Notzucht ist wie beim Angeklagten H. hinsichtlich des von R. durchgeführten Geschlechtsverkehrs und umgekehrt. Außerdem läßt das Beweisergebnis nicht die Feststellung zu, D. und O. seien an der von R, begangenen Notzucht beteiligt gewesen (wird näher ausgeführt). In der neuen Hauptverhandlung hat das Kreisgericht nunmehr entsprechend den gegebenen Hinweisen Art und Umfang der Beteiligung der einzelnen Angeklagten in den jeweiligen Phasen des Tatgeschehens umfassend aufzuklären und nach dem festgestellten Öeweisergeb-nis rechtlich neu zu beurteilen. Ergibt die neue Hauptverhandlung die Richtigkeit der bisher nur pauschalen Urteilsfeststellung, daß. die Angeklagten H., R., D. und O. das Mädchen bei dem von Sch. unternommenen Versuch, mit ihr geschlechtlich zu verkehren, gewaltsam festgehalten haben, so sind sie als Mittäter eines versuchten Notzuchtverbrechens strafrechtlich verantwortlich. Der Angeklagte H., der selbst ein vollendetes Notzuchtverbrechen begangen hat, an dem R. und nach dem bisher vorliegenden Beweisergebnis auch Sch. mitgewirkt haben, und der die von R. durchgeführte vollendete Notzucht mit ausgeführt hat, ist dann wegen teils versuchten, teils vollendeten Notzuchtverbrechens, begangen in Mittäterschaft mit R. und Sch., gemäß § 177 StGB zu bestrafen. Das gleiche trifft auch für R. zu, dem die gleichen' Verbrechen zur Last fallen. Wird hinsichtlich des Angeklagten Sch. festgestellt, daß er, wie von ihm bekundet, die Vergewaltigung der Renate A. durch H. mit ausgeführt hat, so ist auch er wegen in Mittäterschaft begangener teils versuchter, teils vollendeter Notzucht zu bestrafen. Die Angeklagten D. und O. sind im Falle der Feststellung ihrer Teilnahme an der von Sch. versuchten Vergewaltigung ebenfalls wegen eines in Mittäterschaft begangenen versuchten Verbrechens nach § 177 StGB zu bestrafen. Sollte in der neuen Hauptverhandlung entgegen dem bisherigen Beweisergebnis festgestellt werden wovon das Kreisgericht im bisherigen Sachurteil fehlerhaft bereits ausgegangen ist , daß beide Angeklagte, möglicherweise auch D. allein, an den vollendeten Notzuchtverbrechen durch gewaltsames Festhalten der Renate A. beteiligt waren, dann sind auch sie, gegebenenfalls D. 154 . . :t ; - ----;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 154 (NJ DDR 1963, S. 154) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 154 (NJ DDR 1963, S. 154)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung von Flucht- und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie für die Gesamt aufgabenstellung Staatssicherheit . Diese hohe Verantwortung der Linie ergibt sich insbesondere aus der im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens und aus der vor und während der Bearbeitung des Forschungsvorhabens gewonnenen Ergebnisse, unter anderem auch zur Rolle und Stellung der Persönlichkeit und ihrer Individualität im Komplex der Ursachen und Bedingungen für das Zustandekommen von feindlich-negativen Einstellungen und ihres Umschlagens in staatsfeindliche Handlungen nicht vorgegriffen werden soll. Ausgehend vom Ziel der Forschung, zur weiteren Qualifizierung der Tätigkeit der Linie Untersuchung Staatssicherheit bei der Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Handlungen belegen, daß es durch die ziel-gerichtete Einschränkung der Wirksamkeit Ausräumung von Faktoren und Wirkungszusamnvenhängen vielfach möglich ist, den.

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