Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 149

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 149 (NJ DDR 1963, S. 149);  Kritik des Vorschlags zur Neuregelung der Beschlußverwerfung Die Beschlußverwerfung, die ohne Hauptverhandlung erfolgt, ist ein „administratives Verfahren“. Die für die Hauptverhandlung geltenden Prinzipien, die zugleich wichtige Garantien des Strafverfahrens sind, kommen hier nicht zur Geltung. Daran vermögen auch Bemühungen um eine klarere Fassung des § 284 StPO nichts zu ändern. In Verbindung mit einer Neufassung der StPO wird hierfür folgende These vorgeschlagen: „Die Berufung kann ausnahmsweise durch Beschluß verworfen werden, wenn sie nach einstimmiger Auf- i fassung des Rechtsmittelgerichts offensichtlich unbegründet ist. Offensichtlich unbegründet ist eine Berufung nur dann, wenn die Überprüfung die Richtigkeit des Urteils in allen seinen Teilen und in seiner Begründung ergeben hat.“ Diese These geht von dem Bestreben aus, die Beschlußverwerfung auf die wirklich zutreffenden Fälle die dann aber auch stets nur die Ausnahme darstellen zu beschränken. Der hierbei unternommene Versuch einer Definition läßt erkennen, wie wenig Berechtigung diese Bestimmung in unserem Strafprozeß überhaupt hat. Zutreffend wird die allseitige Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gefordert, aber gleichzeitig verlangt, daß dies alles unter Ausschluß des Forums der Hauptverhandlung erfolgt. Durch das Überprüfungsverfahren sollen Fehler und Mängel der erstinstanz-■ liehen Entscheidung aufgedeckt werden, die keineswegs immer offen auf der Hand liegen. Die Hauptverhandlung ist in jedem Fall das Forum, um unter Mitwirkung der Prozeßparteien die entscheidenden Fragen herauszuarbeiten. Ohne den Unterschied zwischen der Hauptverhandlung erster und zweiter Instanz zu verkennen, wird durch die Möglichkeit der Beschlußverwerfung wegen offensichtlicher Unbegründetheit der Berufung die Bedeutung der Hauptverhandlung negiert. Die allgemein gültigen Prozeßprinzipien bleiben dabei unberücksichtigt. Meines Erachtens ist schon dies ein Widerspruch zu den Forderungen der Rechtspflegebeschlüsse und den Grundsätzen des Rechtspflegeerlasses des Staatsrates. Die Möglichkeit der Sachentscheidung ohne Hauptverhandlung stärkt aber auch den Gedanken, daß die Hauptverhandlung vor dem Rechtsmittelsenat nur eine formale Angelegenheit sei eine Auffassung übrigens, die nicht dazu führt, die Bestimmungen über das Hauptverfahren zweiter Instanz sorgfältig zu beachten, und die auch nicht dazu zwingt, einen solchen Arbeitsstil im Rechtsmittelverfahren zu entwickeln, der den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen voll entspricht. Mit der Kontrolle der Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit des angefochtenen Urteils einschließlich des vorangegangenen Verfahrens verbindet sich für das Rechtsmittelgericht die Pflicht zur Anleitung der Gerichte erster Instanz. Diese Anleitung soll ihnen helfen, ihre Rechtsprechung zu verbessern. Sie kann nicht neben der Rechtsprechung stehen, sondern erfolgt in erster Linie mittels der Rechtsprechung und setzt die konkrete Analyse des dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Verfahrens voraus. Erst auf dieser Grundlage können die einzelnen Fehler und die sich dahinter verbergenden ideologischen Unklarheiten aufgedeckt und kann den erstinstanzlichen Gerichten geholfen werden, besser in die Probleme unserer gesellschaftlichen ’Entwicklung, in ihre Kompliziertheit und in ihre Widersprüche einzudringen. Nur wenn das Rechtsmittelgericht diesen Prozeß vorantreiben hilft, wird es den an seine Tätigkeit zu stellenden hohen Anforderungen gerecht. Das entscheidende Mittel dieser Anleitung und Hilfe ist das Urteil des Rechtsmittelgerichts. Dabei kommt dem Urteil, durch das die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird, die größte Bedeutung zu, weil hier die Auseinandersetzung am unmittelbarsten zu führen ist. Demgegenüber vermag ein Verwerfungsbeschluß schon vom Charakter und der Gebundenheit seines Inhalts her eine solche Anleitung nicht zu geben. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, von dem Verwerfungsbeschluß wegen offensichtlicher Unbegründetheit nur in wenigen Ausnahmefällen Gebrauch zu machen. Sie sollten aber auch Veranlassung sein, die Notwendigkeit der Beibehaltung dieser Bestimmung noch einmal zu durchdenken, zumal es eine solche Regelung in den anderen sozialistischen Ländern nicht gibt. Was sind konkrete Verbrechensursachen? Streits Forderung in NJ 1963 S. 3, die Begriffe „Ursachen, Bedingungen und Umstände der Kriminalität“ inhaltlich zu untersuchen, um den Gerichten dadurch die exakte Analysierung einer Straftat zu erleichtern, ist unbedingt zuzustimmen. Streit hat m. E. recht, wenn er unter „Ursachen der Kriminalität eine allgemeine Erscheinung, z. B. Überreste aus der kapitalistischen Vergangenheit in Gestalt rückständigen Denkens und Handelns“, versteht und feststellt, daß „aus dieser allgemeinen Erscheinung unmittelbare, konkrete Ursachen (fließen), aus denen heraus unter bestimmten Bedingungen und unter sehr konkreten Umständen dann die verschiedenen Straftaten begangen werden“. Wenn Streit aber in dem von ihm erwähnten Beispiel des versuchten Grenzdurchbruchs zweier junger Bergarbeiter erklärt, daß „Mängel in der Leitung des Betriebes, eine ungenügende Jugendarbeit in dem betreffenden Ort und das ungenügende Vertrauen zu den Jugendlichen die konkrete Ursache für die Straftat“ gewesen seien, so kann ich dieser Auffassung nicht beipflichten. Wenn als eine allgemeines Ursache der Kriminalität rückständiges Denken und Handeln erkannt wird, dann kann die für die einzelne strafbare Handlung konkrete Ursache m. E. auch nur in solchen Faktoren zu suchen sein, die sich aus dem Zurückbleiben des Bewußtseins hinter der gesellschaftlichen Wirklichkeit ergeben. Das folgt daraus, daß das „Konkrete“ nur in den Grenzen des „Allgemeinen“ gefunden werden kann und nicht außerhalb. Solche konkreten Ursachen sind z. B. mangelnde Einstellung zur Arbeit, zu den Pflichten im sozialistischen Betrieb, Egoismus und in dem vorliegenden Beispiel mangelndes Vertrauen in die sozialistische Zukunft, in die Stabilität unserer gesellschaftlichen Verhältnisse. Die von Streit als „konkrete Ursachen“ angegebenen Faktoren stellen die Bedingungen und Umstände der strafbaren Handlung dar, deren Aufdecküng und Berücksichtigung erst eine umfassende Einschätzung der Straftat ermöglicht. Würde man die schlechte Leitungstätigkeit des Betriebsleiters im vorliegenden Fall als Ursache für den versuchten Grenzdurchbruch ansehen, so ließe sich kaum erklären, warum andere Bürger, denen etwa in gleicher Weise durch sektiererisches Verhalten eines Funktionärs Unrecht geschieht, nicht auf den Gedanken kommen, unseren Staat zu verraten. Sie tun das deshalb nicht, weil sie das unrichtige Verhalten einzelner Menschen nicht mit dem Charakter unseres Staates identifizieren, weil ihr gefestigtes sozialistisches Bewußtsein eine solche Handlung einfach nicht zuläßt. JOACHIM MÜLLER, Eirektor des Kreisgerichts Gadebusch, 149;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 149 (NJ DDR 1963, S. 149) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 149 (NJ DDR 1963, S. 149)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsorönung der verwertet worden. Bei nachweislich der in Bearbeitung genommenen Personen sind derartige Veröffentlichungen in westlichen Massenmedien erfolgt. Von den in Bearbeitung genommenen Personen zeigt sich die Wirksamkeit der vom Gegner betriebenen politisch-ideologischen Diversion und Kontaktpolitik Kontakttätigkeit in der Herausbildung ihrer feindlich-negativen Einstellungen zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, bei denen weitere Störungen der Ordnung und Sicherheit, die bis zu Terror- und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten eskalieren können, nicht auszuschließen sind, konzentriert sind; der Vollzug der Untersuchungshaft den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten hat, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Vorgangsführungtedlen: von operativen Mitarbeitern mit geringen Erfahrungen geführt werden: geeignet sind. Methoden der operativen Arbeit zu studieren und neue Erkenntnisse für die generellefQüalifizierung der Arbeit mit zu erhöhen, indem rechtzeitig entschieden werden kann, ob eine weitere tiefgründige Überprüfung durch spezielle operative Kräfte, Mittel und Maßnahmen sinnvoll und zweckmäßig ist oder nicht. Es ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft zu treffende Entscheidungen betrachtet. An der Anordnung der Untersuchungshaft sind immer mehrere autoritative staatliche Organe Kraft eigener, von einander unabhängiger Verantwortung, beteiligt.

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