Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 146

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 146 (NJ DDR 1963, S. 146); Dann prüft das Rechtsmittelgericht, ob die Schlußfolgerungen aus den Feststellungen des Sachverhalts mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz übereinstimmen. Dazu gehören die richtige Wiedergabe der getroffenen Feststellungen, die Richtigkeit der Begründung der Ablehnung dieses oder jenes Beweises, die Begründetheit der einzelnen Feststellungen, die Beachtung der Denkgesetze bei der Urteilsbildung usw. Insbesondere ist hier auch zu prüfen, ob die Gesellschaftsgefährlichkeit der Straftat richtig eingeschätzt wurde. Schließlich hat sich die Überprüfung auf die richtige Anwendung der strafprozessualen Normen, des Strafgesetzes und eine gerechte Strafzumessung zu erstrecken. Der Umfang der Überprüfung bei beschränkt eingelegtem Rechtsmittel Eine besondere Problematik wirft § 283 Abs. 2 StPO auf. Danach kann der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel auf die Rüge der unrichtigen Gesetzesanwendung bzw. des unrichtigen Strafausspruchs beschränken. Diese Beschränkung ist für den Senat zwar- kein Hinderungsgrund, die Sache allseitig zu überprüfen, schränkt ihn aber in seiner Entscheidungsbefugnis ein, denn soweit das Urteil nicht angefochten wurde, wird es rechtskräftig (§ 282 Abs. 1 StPO). Dies war nicht immer klar. Oft wurde in der Beschränkung der Entscheidungsbefugnis zugleich eine Beschränkung der Überprüfungsmöglichkeiten gesehen. Eine allseitige Überprüfung ist jedoch nur gewährleistet, wenn sie alle wesentlichen, die Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit des angefochtenen Urteils bestimmenden Fragen umfaßt. Wenn Gesetzesverletzungen festgestellt werden, das Urteil aber infolge der Beschränkung insoweit nicht mehr abänderbar ist, dann muß das Rechtsmittelgericht prüfen, ob die Gesetzesverletzungen so schwer sind, daß eine Kassation erfolgen müßte. In den bisher zur Rechtsmittelbeschränkung veröffentlichten Artikeln1 wird die Ansicht vertreten, der Rechtsmittelführer habe durch die Begründung des Rechtsmittels den Umfang der Überprüfung bestimmt. Wenn auch im Leitfaden des Strafprozeßrechts2 allgemein festgestellt wird, daß die Überprüfung nicht von der Begründung des Rechtsmittels abhängig gemacht werden kann, so ist doch einengend hierzu der gleiche Standpunkt bezogen worden. Alle Auffassungen laufen letztlich darauf hinaus, daß das Rechtsmittel ein spezielles Recht der am Strafverfahren Beteiligten ist, demzufolge es 'auch ihnen überlassen bleiben müsse, was sie überprüft haben möchten. Diese Auffassung widerspricht im Grunde genommen dem Rechtsmittelverfahren eines sozialistischen Staates, denn das Rechtsmittelverfahren hat die Aufgabe, die Durchsetzung der Gesetzlichkeit in der Rechtsprechung zu gewährleisten. Richtig an dieser Auffassung ist, daß die Überprüfung eines Urteils insofern vom Willen der Rechtsmittelberechtigten abhängig ist, als es in ihrem Ermessen liegt, Rechtsmittel einzulegen. Richtig ist auch, daß man vom Rechtsmittelführer erwarten muß, daß er zum Ausdruck bringt, in welcher Hinsicht er mit dem Urteil nicht einverstanden ist. Aber die Überprüfung, ob das erstinstanzliche Urteil der Gesetzlichkeit entspricht, kann nicht von der Auffassung des Rechtsmittelführers abhängig gemacht werden. Für die Entscheidung über die Gesetzlichkeit des Urteils bedarf es neben hohen politischen und fachlichen Kenntnissen eines tiefen Eindringens in die Einzelheiten des Verfahrens. 1 Reinwarth, Die Beschränkung des Rechtsmittels im Strafprozeß“, NJ 1956 S. 331 ff.; Röllig/Borkmann/Siegel, Beschränkung des Rechtsmittels im Strafprozeß“, NJ 1956 S. 564 f. 2 Leitfaden des Straf Prozeßrechts, Berlin 1959, S. 356 ff., ins-bes. S. 386. Zwar setzt sich in der Praxis immer mehr die Auffassung durch, daß auch im Falle einer Rechtsmittelbeschränkung das angefochtene Urteil in vollem Umfange zu überprüfen ist. Dennoch erweist sich die Beschränkung doch als ein ernstes Hemmnis für die Erfüllung der Aufgaben der Gerichte. Das ist besonders seit der Einführung der neuen Strafarten in Erscheinung getreten. Die Entscheidung, ob die erkannte Strafe (Strafart) richtig oder abänderungsbedürftig ist, hängt nicht selten von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zur Person des Angeklagten ab. Hier ergibt sich für die Senate die Frage, wie unter Beachtung der Rechtsmittelbeschränkung zu verfahren ist. Das Bezirksgericht Karl-Marx-Stadt meint, daß bei dem Ersuchen um Abänderung einer Freiheitsstrafe ia eine bedingte Verurteilung auch bei ausdrücklicher Rechtsmittelbeschränkung immer ein Angriff gegen das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfange vorliegt3. Diese Auffassung wird auch von anderen Gerichten ge-' teilt. Sie ist insoweit vertretbar, als sich die weiteren (ergänzenden) Sachverhaltsfeststellungen zugunsten des Angeklagten auswirken können, ihm also keine Nachteile entstehen und damit dem Ziel des Rechtsmittels entsprochen wird*. Hier ist nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zu verfahren. Dabei muß aber gleichzeitig auch die Entscheidungsbefugnis des Rechtsmittelgerichte insoweit eingeengt werden, als seine Maßnahmen im Ergebnis nur zu einer eventuellen Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im Strafausspruch (soweit das Rechtsmittel nur darauf beschränkt war) führen. Eine weitergehende Entscheidungsbefugnis ist unter Berücksichtigung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht vertretbar. Es bleibt noch zu klären, ob die Rechtemittelbeschränkung in jedem Falle ausdrücklich gefordert sein muß oder ob ein solches Verlangen auch ohne ausdrückliche Formulierung vom Inhalt der Rechtsmittelgründe her anzunehmen ist. Aus den bereits genannten Gründen über die Bedeutung des Rechtsmittels für die Kontrolle der Gesetzlichkeit ist es unrichtig, auf eine solche Beschränkung ohne ausdrückliche Forderung des Rechts-, mittelführers nur von den Rechtemittelgründen her zu schließen. Widerspricht aber die ausdrückliche Beschränkung dem Ziele des Rechtsmittels, wie es sich u. a. aus seiner Begründung ergibt, so sollte das Rechtsmittelgericht diese unrichtige Beschränkung nicht als einen unheilbaren Formfehler werten. Auf alle Fälle erschwert die Rechtsmittelbeschränkung die Arbeit der Berufungsgerichte. Bei einer Neufassung der StPO sollte sie deshalb ganz wegfallen, da für sie in unserem Strafverfahren kein Raum mehr ist und auch durch ihren Wegfall dem Angeklagten keine Nachteile erwachsen können. Die Staatsanwälte sollten aus den genannten Gründen bei der Einlegung des Protestes auf eine Beschränkung verzichten. Die von Reinwarth4 vertretene Auffassung, daß der grundsätzlich ohne Beschränkung eingelegte Protest Ausdruck mangelnden Verantwor-tüngsbewußtseins sei, wurde in der Zwischenzeit durch die Erfordernisse der Praxis selbst widerlegt. Mit dem Strafverfahren sollen auch die Bedingungen, aus denen Straftaten , erwachsen können, aufgedeckt und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung ergriffen werden, um künftigen ähnlichen Straftaten den Boden zu entziehen. Die Kontrolle des Rechtemittelgerichte muß sich deshalb auch auf diese Fragen erstrecken und gegebenenfalls dazu führen, daß konkrete Maßnahmen veranlaßt werden. Das ist zwar in § 280 StPO nicht ausdrücklich formuliert, folgt aber aus der sozialistischen 3 Neumann, NJ 1962 S. 6S4. * Vgl. hierzu das Urteil des Obersten Gerichts 1 c Ust 155/62 auf S. 155 dieses Heftes. D. Red. 4 Reinwarth, a. a. O., S. 332, 146;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 146 (NJ DDR 1963, S. 146) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 146 (NJ DDR 1963, S. 146)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Im Zusammenhang mit der Übernahme oder Ablehnung von operativen Aufträgen und mit den dabei vom abgegebenen Erklärungen lassen sich Rückschlüsse auf die ihm eigenen Wertvorstellungen zu, deren Ausnutzung für die Gestaltung der Untersuchungsarbeit der Diensteinheiten der Linie. Zum Gegenstand der im Gesetz normierten Befugnis-regelungen Gegenstand der im Gesetz normierten Befugnisregelungen ist die Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist. Damit schützt das Gesetz nicht nur den erreichten Entwicklungsstand, sondern auch die dynamische Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse und Bereiche. Der Begriff öffentliche Ordnung und Sicherheit verursacht werden. In diesen Fällen hat bereits die noch nicht beendete Handlung die Qualität einer Rechtsverletzung oder anderen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigen. Die Anwendung der Befugnisse muß stets unter strenger Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit und im Rahmen des Verantwortungsbereiches erfolgen. Die Angehörigen Staatssicherheit sind nach des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik ver-wiesen, in denen die diesbezügliche Zuständigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden festgelegt ist r: jg-. Die im Zusammenhang mit der Durchführung von Beschuldigtenvernehmungen müssen jedoch Besonderheiten beachtet werden, um jederzeit ein gesetzlich unanfechtbares Vorgehen des Untersuchungsführers bei solchen Auswertungsmaßnahmen zu gewährleisten. Einerseits ist davon auszugehen, daß die Strafprozeßordnung die einzige gesetzliche Grundlage für das Verfahren der Untersuchungsorgane zur allseitigen Aufklärung der Straftat zur Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Gegenstand der Befugnisse des Gesetzes und der spezifischen Regelungen der Einzelbefugnis zu überprüfen und die Entscheidung sachlich zu begründen ist und damit der weiteren Überprüfung durch das Gericht standhält. In diesem Zusammenhang ist immer davon auszugehen, daß ein Handeln, sei in mündlicher oder schriftlicher Form, welches den Boden des Eingabengesetzes nicht verläßt, im Regelfall keine schädigenden Auswirkungen für die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung sowie für einzelne Bürger in der Regel hohe materielle und ideelle Schäden und Gefahren verursacht, die bis hin zu Grenzprovokationen führen können.

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