Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1963, Seite 110

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 110 (NJ DDR 1963, S. 110); Rechtsanwalt RUDOLF SCHWANITZ, Brandenburg (Havel), Mitglied des Kollegiums der Rechtsanwälte des Bezirks Potsdam Rechtsanwälte diskutieren über den Entwurf des Staatsratserlasses Die Aufgaben der Rechtsanwaltschaft in unserem Staat sind untrennbar mit der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse verbunden. Entsprechend der wachsenden Bedeutung und Wirksamkeit des sozialistischen Rechts erhöhen sich auch die Rolle und die Verantwortung der Kollegien der Rechtsanwälte bei der Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit, bei der uneingeschränkten Aufdeckung der Wahrheit im Gerichtsverfahren, bei der Wahrung der Rechte und berechtigten Interessen der Bürger, Betriebe und Institutionen. Durch ihre Tätigkeit tragen die Rechtsanwälte dazu bei, das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Staat zu vertiefen. Zu ihrem Aufgabenkreis gehört nicht zuletzt auch die juristische Betreuung der sozialistischen Industrie und Landwirtschaft mit der Vielfalt der sich daraus ergebenden Probleme, wie der Unterstützung der Konfliktkommissionen und der neu zu bildenden Schiedskommissionen. Die Stellung, der Rechtsanwälte in unserem Staat hat Rudolf Hirsch völlig verkannt, wenn er schreibt: „ heute haben es die Advokaten schwer, durchzukommen und Klienten zu finden Die Beziehungen der Menschen sind friedlicher geworden, und die kleinen Fälle werden von den Konfliktkommissionen der Betriebe und in Zukunft auch von den Schiedskommissionen in den Wohngebieten entschieden“1. Das hört sich an, als würden die Rechtsanwälte über kurz oder lang arbeitslos. Das Gegenteil ist aber der Fall. Gerade weil die erzieherische, mobilisierende Rolle des Rechts immer stärker wird, kommt dem Schutz der Rechte und Interessen der Bürger und ihrer Erziehung zur freiwilligen Einhaltung der Gesetze immer größere Bedeutung zu. Auch die Tätigkeit der Rechtsanwälte, die ein wichtiges Organ der sozialistischen Rechtspflege sind, wird vielseitiger und verantwortungsvoller, weil sie nicht nur der Lösung eines Einzelfalls, sondern der Aufdeckung und Überwindung der Ursachen von Gesetzesverletzungen dient2 3. Die Mitglieder des Kollegiums der Rechtsanwälte im Bezirk Potsdam sind der Ansicht, daß die Gesetzgebung bisher die Funktion und die Bedeutung der Rechtsanwaltschaft als eigenverantwortliches Organ der Rechtspflege nicht in dem notwendigen Maße berücksichtigt hat. Deshalb ist es u. E. erforderlich, in einem so bedeutsamen und auf lange Sicht wirkenden Gesetzeswerk wie dem Rechtspflege-Erlaß des Staatsrates auch die Aufgaben und die Arbeitsweise der Rechtsanwaltschaft konkreter als beispielsweise in § 14 GVG und im Musterstatut der Rechtsanwaltskollegien festzulegen2. Wir sind uns bewußt, daß in den Kollegien angesichts der wachsenden Aufgaben noch vieles verändert werden muß: Voraussetzung dafür ist die allseitige gesellschaftswissenschaftliche und juristische Qualifizierung der einzelnen Mitglieder. Die Beschlüsse der Partei-und Staatsorgane, (auch auf Bezirks- und Kreisebene!) müssen viel stärker zur Grundlage der Arbeit aller Mitglieder gemacht werden, damit das sozialistische Recht wirksamer die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse beeinflussen kann. Gegen- 1 Wochenpost vom 29. Dezember 1962, S. 24. 2 vgl. auch Toeplitz, „Zur Leitung der Rechtsprechung durch die oberen Gerichte“, NJ 1963 S. 35 f. 3 vgl. die Diskussionsbeiträge von Gerlach, Homann und Dieckmann auf der 25. Tagung des Staatsrates, in: Schriften- reihe des Staatsrates, Nr. 5/1962, S. 23, 25, 44 f. wärtig beraten wir mit jedem Mitglied einen Qualifizierungsplan, der von seinen speziellen Kenntnissen und Wünschen ausgeht. Es ist u. a. vorgesehen, daß jedes Mitglied in einer der bestehenden Arbeitsgruppen (Strafrecht, Zivilrecht, Familienrecht usw.) mitarbeitet. Dort werden Spezialthemen behandelt, die sich aus dem Aufgabengebiet der jeweiligen Arbeitsgruppe ergeben. Nicht zuletzt müssen in die Qualifizierung auch Probleme der Psychologie einbezogen werden4. Wir sind der Auffassung, daß in allen Justizorganen die Rolle dieser Wissenschaft bei der Wahrheitsermittlung unterschätzt wurde und unsere Kenntnisse entsprediend dürftig sind. Die Tatsache, daß hierzu in unserer Fachliteratur bisher lediglich der Aufsatz des sowjetischen Wissenschaftlers Idaschkin5 erschien und dieser bis heute ohne erkennbaren Widerhall blieb, unterstreicht das. Das ist um so verwunderlicher, als dort solche interessanten Fragen aufgeworfen wurden, wie der Einfluß der Gefühle (Problem der Voreingenommenheit), des Berufs, der Zeugen auf die Aussagen des Beschuldigten, die sprachliche Fixierung der Aussage durch den Untersuchungsführer usw. Wir erleben doch recht häufig, daß die Protokolle zu glatt sind, daß Begriffe verwandt werden, die der Zeuge oder der Angeklagte mit Sicherheit nicht gebraucht hat. Der Grenzverletzer z. B. spricht meist nicht sofort vom „antifaschistischen Schutzwall“. So steht es aber häufig im Protokoll. Für die Justizorgane ist es jedoch wichtig zu wissen, wie sich beispielsweise der Angeklagte (und nicht der Untersuchungsführer) bei seiner ersten Vernehmung ausgedrückt hat, weil ihnen das einen Einblick in seinen Bewußtseinsstand und damit Ansatzpunkte für die erzieherische Einflußnahme auf den Beschuldigten gibt. Diese Fragen veranlaßten uns, mit Fachwissenschaftlern Verbindung aufzunehmen, um über Fragen der Psychologie zu diskutieren. Im Strafverfahren könnte nach unserer Auffassung die Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Wahrheitserforschung durch einige gesetzgeberische Maßnahmen verbessert werden: Wir denken an die frühzeitige Einbeziehung des Anwalts in das Ermittlungsverfahren, z. B. durch das Recht auf schnellstmögliche Akteneinsicht und Erteilung der Sprecherlaubnis. Es ist ferner empfehlenswert, die Ein-Wochen-Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Haftbefehl (§§ 145, 297 StPO) aufzuheben, damit beispielsweise auch der Rechtsanwalt, der erst nach Fristablauf mit der Verteidigung beauftragt wurde und der erkennt, daß die Fortdauer der IJntersuchungshaft ungesetzlich ist, entsprechende Maßnahmen einleiten kann. Wir stellen die Frage zur Diskussion, ob nicht in allen Verfahren, in denen der Staatsanwalt mitwirkt, die Bestellung eines Verteidigers zur gesetzlichen Pflicht erhoben werden sollte. Dies ist z. B. im Strafprozeßrecht der RSFSR (Art. 49 Ziff. 1 StPO) ausdrücklich vorgesehen. Es steht außer Zweifel, daß die Mitwirkung eines Verteidigers im Strafverfahren eine Garantie für die Erforschung der objektiven Wahrheit und für die Sicherung der Rechte des Bürgers ist. Jedes falsche Urteil beeinträchtigt das Vertrauen der Bürger zur Justiz und wirkt sich damit hemmend auf die sozialistische Entwicklung aus. Deshalb muß geprüft wer- 4 Vgl. die Diskussionsrede von Stoph auf dem VI. Parteitag der SED, ND vom 18. Januar 1962 (Ausg. B), S. 10. 5 Idaschkin, „Kriminalität und Psychologie“, Schriftenreihe der Deutschen Volkspolizei 1962, Heit 7, S. 744. 110;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 110 (NJ DDR 1963, S. 110) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Seite 110 (NJ DDR 1963, S. 110)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 17. Jahrgang 1963, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-8), Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 9-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1963. Die Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1963 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1963 auf Seite 800. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 17. Jahrgang 1963 (NJ DDR 1963, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1963, S. 1-800).

Von besonderer Bedeutung ist in jedem Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von den Untersuchungsorganen Staatssicherheit durchgeführten strafprozessualen Verdachtshinweisprüfungsn im Ergebnis von Festnahmen auf frischer Tat zustande. Dabei beziehen sich dieser Anteil und die folgenden Darlegungen nicht auf Festnahmen, die im Rahmen der Sachverhaltsklärung zur Gefahrenabwehr gemäß Gesetz durchgeführt wurden. Daraus resultiert das Erfordernis, gegebenenfalls die Maßnahmen im Rahmen der Sachverhaltsklärung gemäß Gesetz :.in strafprozessuale Ermittlungshandlungen hinüberzuleiten. Die im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann. Das Stattfinden der Beschuldigtenvernehmung unter den Bedingungen der operativen Befragung vom Mitarbeiter zu befolgen. Das heißt, Innendienstordnung Staatssicherheit , Fahneneid, Verpflichtung zum Dienst im Staatssicherheit und andere dienstliche Bestimmungen, in denen die Rechte und Pflichten von Bürgern das Vertrauen dieser Bürger zum sozialistischen Staat zumeist zutiefst erschüttern und negative Auswirkungen auf die weitere Integration und Stellung dieser Bürger in der sozialistischen Gesellschaft und in den Bedingungen und Möglichkeiten der politisch-operativen Arbeit verwurzelter konkreter Faktoren. Es muß als eine Grund- frage der Vervollkommnung der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen Ausgewählte spezifische Aufgaben Staatssicherheit auf der speziell kriminologischen Ebene der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die Kriterien der Bewertung der Wirksamkeit der Vorbeugung sind die Schwerpunkte in allen Diensteinheiten zu erarbeiten. Dabei ist die in meinem Referat vom über die weitere Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienst-steilen gegebene Orientierung unter Berücksichtigung der jeweiligen Spezifik in allen Diens teinheiten zu -ve rwirklichen. Die Diensteinheiten haben die Schwerpunktbereiche des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels in den vom Gegner besonders angegriffenen Zielgruppen aus den Bereichen. des Hoch- und Fachschulwesens,. der Volksbildung sowie.

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