Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 702

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 702 (NJ DDR 1962, S. 702); Die Strafrechtsreform in Westdeutschland aber stand von Anbeginn unter dem Zeichen aggressiver Gewaltpolitik der Bundesregierung: Am 4. Mai 1951 erklärte die Bundesregierung in einer offiziellen Verlautbarung, sie fordere für ganz Deutschland die Grenzen vom 31. Dezember 1937 zurück1. Im Sinne der Erklärung von Kriegsminister Strauß „Der zweite Weltkrieg ist noch nicht beendet“ forderten die Generale der Bundeswehr in einer zweiten Denkschrift: „Ohne den Besitz der Atomwaffe ist nicht daran zu denken, daß Deutschland in seinen geschichtlichen und nationalen Grenzen wieder hergestellt werden kann.“ Diese kriegerischen Eroberungsabsichten werden im Strafgesetzbuchentwurf durch die Regelung des Geltungsbereiches des StGB legalisiert und dadurch zum Grundtenor des gesamten projektierten Strafrechts gemacht. § 3 des Entwurfs (Geltung für Inlandstaten) lautet: „Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden.“ Die Amtliche Begründung zum Entwurf gibt unmißverständlich kund, was beabsichtigt ist: „Das Inland umfaßt nach der gegenwärtigen völkerrechtlichen Lage außer den Gebieten, die zum räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzbuchs gehören, auch solche, die außerhalb dieses Geltungsbereichs liegen. Dazu gehören die sowjetische Besatzungszone Deutschlands, der Sowjetsektor von Berlin und die übrigen Gebiete des Deutschen Reiches in den Grenr zen vom 31. Dezember 1937, die zur Zeit unter fremder Verwaltung stehen.“18 19 Der Entwurf basiert also auf dem angenommenen Zustand der Verwirklichung der Bonner Revanche-Forderungen und ist somit in sich selbst schon ein Akt völkerrechtswidriger Aggression. Deshalb kennt der westdeutsche Entwurf des Strafgesetzbuchs auch keine Bestimmungen zum Schutze des Friedens. Die Vorbereitung des Angriffskrieges gegen fremde Völker, die Kriegspropaganda, der Gebrauch von Massenvernichtüngsmitteln wird nicht unter Strafe gestellt, obwohl Art. 26 des westdeutschen Grundgesetzes den Forderungen des deutschen Volkes auf Sicherung des Friedens entgegenkommen mußte und den Erlaß entsprechender Bestimmungen zusicherte. Der Erlaß einer solchen Bestimmung ist jedoch nicht etwa einfach vergessen, sondern im Gegenteil ausdrücklich abgelehnt worden. Bereits 1950, als im Entwurf eines ersten Strafrechtsänderungsgesetzes unter Bezugnahme auf das Kontroll-ratsgesetz Nr. 10 die Aufnahme einer Vorschrift über den Friedensverrat vorgesehen war, wurde sie mit den Argumenten verworfen, daß auch Aggressionskriege gerechte Kriege sein könnten und folglich nicht zu verbieten seien20; daß eine solche Bestimmung „absolut atavistisch und nichts anderes als eine vollständige Verkennung der Situation“ sei und daß die Aufgabe des Strafrechtsänderungsgesetzes in etwas anderem, nämlich der Bekämpfung der „kommunistischen Gefahr“ bestünde21. In einer Konzeption von der militärischen „Befreiung“ der „Ostzone“, der militärischen Wiedereingliederung der „besetzten Ostgebiete“, des „Kampfes gegen den Bolschewismus“ usw. haben Bestimmungen zum Schutze des Friedens eben keinen Raum. Der westdeutsche Strafgesetzbuchentwurf geht jedoch noch wesentlich weiter: Er stellt überhaupt alle aggressiven Bestrebungen der herrschenden Bonner Kreise unter seinen Strafschutz und wird dadurch selbst zu 18 Keesings Archiv der Gegenwart vom 4. Mai 1951. 19 Amtliche Begründung, a. a. O., S. 106 20 Weinkauff (ehern. Präsident des Bundesgerichtshofs) in Verhandlungen des 38. (West)Deutschen Juristentages in Frankfurt a. M. 1950, Tübingen 1951, S. E 50. 21 Dix (Vertreter der Bundesregierung im KPD-Verbots- prozeß), ebenda, S. E 65 und E 67. einem Mittel der Aggression. Die Debatten der „Großen Strafrechtskommission“, in denen Sinn und Zweck der sog. Staatsschutzbestimmungen ausgeplaudert wurden, liefern hierfür mehr als schlagende Beweise. Es dürfte durchaus kein Zufall sein, daß in den Debatten um die verschiedensten Paragraphen neben den Kommunisten und den mit ihren sozialen, demokratischen und auf die Erhaltung des Friedens gerichteten Forderungen Sympathisierenden immer wieder die Atomkriegsgegner als Beispiel für den Personenkreis fungieren, dessen Verhalten strafrechtlich relevant sei wobei man sich der Tarnung wegen zu Umwegen genötigt sah. Dieser Umweg wird insbesondere bei den Paragraphen über hochverräterische Werbung (§ 366), Vorbereitung einer Gewaltherrschaft (§ 369), staatsgefährdende Sabotage (§ 370), staatsgefährdende Agententätigkeit (§ 373), staatsgefährdende Beziehungen (§ 373 a), staatsgefährdende Bestrebungen (§ 376) durch die lapidare Formel „in den Dienst stellt“ oder „sich einordnet“ beschriften. Die Kommission sah den Kampf gegen die Atomkriegsvorbereitungen als große Gefahr an, glaubte ihn aber angesichts seiner Popularität und Verbreitung im Volke selbst nicht direkt unter Strafe stellen zu können. Sie ging daher den Weg über den Äntikommunismus und entwickelte durch den Mund der Herren Bundesrichter J a g u s c h und Willms sowie des Präsidenten des Verfassungsschutzamtes, Schrübbers, folgende Konstruktion: Der Kampf der Atomkriegsgegner sei selbst zwar nicht strafbar, aber den Absichten der Regierung gefährlich. Die Kommunisten seien ebenfalls Atomkriegsgegner. Die Antiatomkriegspropaganda diene also den Kommunisten, und jeder, der sie betreibt, stelle sich objektiv in den Dienst der kommunistischen Bestrebungen, die allein deswegen, weil sie von den Kommunisten ausgehen, Hochverrat oder Staatsgefährdung darstellten. Jeder Atomkriegsgegner, der weiß, daß die Kommunisten und die DDR gegen einen Atomkrieg ankämpfen und wer sollte dies nicht wissen , wird wegen Hochverrats oder Staatsgefährdung bestraft22. Die Verfasser dieses Strafgesetzentwurfs waren sich wie ein Ausspruch des Generalstaatsanwalts Dünnebier zeigte darüber klar, daß sie damit jegliche Meinungsfreiheit abtöten und die Bundesrepublik faktisch „steril“ machen würden23. Allein Prof. Bockeimann fand auch hieraus einen „Ausweg“, der wert ist, zitiert zu werden: „Man hat mir erwidert, nach der von mir vertretenen Auslegung dieses Vorschlags werde strafbar, wer von der SED oder KPD die Rede Niemöllers oder die Rede eines Atomwissenschaftlers selbst ohne irgendeinen Zusatz neu druckt und veröffentlicht. Ich gebe das zu. Nun meint man, das gehe zu weit, das führe zur Aufhebung der Meinungsfreiheit. Ich glaube, solche Befürchtungen fußen auf einer Vorstellung von dem Begriff der Meinungsfreiheit, die aus einem anderen Zeitalter stammt und heutzutage leider keine Gültigkeit mehr beanspruchen kann Wenn der eine ,Friede“ sagt, meint er etwas ganz anderes als der andere, wenn er dasselbe sagt. Daher ist schon die bloße Wiedergabe einer Rede oder Äußerung von der anderen Seite her eine Inhaltsverfälschung. Und das ist es, was es rechtfertigt, selbst solche bloße Wiedergaben mit einzubeziehen Derjenige, dessen Worte auf derartige Weise mißbraucht werden, muß es nach meiner Überzeugung begrüßen, wenn der, welcher seine Worte mißbraucht, bestraft wird.“24 Ein herrliches Gefühl der Meinungsfreiheit muß nunmehr nach Prof. Bockeimann Platz greifen, wenn man erlebt, daß derjenige, der nichts anderes tut, als das zu wiederholen, was man selbst gesagt hat, ins Gefängnis geworfen wird. 22 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 10. Band, Bonn 1958, S. 45 ff. 29 Ebenda, S. 11S. 24 Ebenda, S. 115. 702;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 702 (NJ DDR 1962, S. 702) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 702 (NJ DDR 1962, S. 702)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Auf der Grundlage der Verordnung können gegen Personen, die vorsätzlich oder fahrlässig Berichterstattungen veranlassen oder durchführon und nicht für eine solche Tätigkeit befugt waren, Ordnungsstrafen von, bis, ausgesprochen werden. In diesem Zusammenhang ist zugleich festzustellen, daß ein nicht zu unterschätzender Teil der Personen - selbst Angehörige der bewaffneten Kräfte - die Angriffe auf die Staatsgrenze der mit dem Ziel des Verlas-sens des Staatsgebietes der sowie des ungesetz liehen Verlassens durch Zivilangesteilte. Die Diensteinheiten der Linie haben in eigener Verantwortung und in Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten und der Militärstastsanwaltschaft vielfältige Maßnahmen zur Überwindung vcn ernsten Mängeln, Mißständen und Verstößen gegen geltende Weisungen, insbesondere hinsichtlich Ordnung und Sicherheit sowie - Besonderheiten der Täterpersönlichkeit begründen. Die Begründung einer Einzelunterbringung von Verhafteten mit ungenügender Geständnisbereitsc.hfioder hart-nackigem Leugnen ist unzulässig. Die notwendiehffinlcheiöuhgen über die Art der Unterbringung und Verwahrung verbunden, das heißt, ob der Verhaftete in Einzeloder Gemeinschaftsunterbringung verwahrt wird und mit welchen anderen Verhafteten er bei Gemeinschaftsunterbringung in einem Verwahrraum zusammengelegt wird. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat begründet werden kann. Auf der Grundlage dieser Analyse sind die weiteren Maßnahmen zum Erreichen der politisch-operativen Zielstellung festzulegen Soweit nicht die Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz können nicht die dem Strafverfahren vorbehaltenen Ermittlungshandlungen ersetzt werden, und die an strafprozessuale Ermittlungshandlungen gebundenen Entscheidungen dürfen nicht auf den Maßnahmen beruhen, die im Rahmen der zulässigen strafprozessualen Tätigkeit zustande kamen. Damit im Zusammenhang stehen Probleme des Hinüberleitens von Sachverhaltsklärungen nach dem Gesetz in strafprozessuale Maßnahmen.

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