Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 700

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 700 (NJ DDR 1962, S. 700); Rechtsklarheit allenthalben zu verwirklichen“* ihm sei das „Streben nach Gerechtigkeit“ eigen7. Die Berufung auf die Geschichte der 14 amtlichen, halbamtlichen und privaten Entwürfe eines neuen StGB, die in der Zeit von 1909 bis 1939 ausgearbeitet wurden, gewinnt jedoch einen makabren Beigeschmack, wenn man durch die amtliche Begründung vernimmt, daß man selbst „wertvolle Gedanken“ aus dem faschistischen StGB-Entwurf von 1936 in die Vorlage von 1962 übernommen habe8. Und in der Tat merkt man dem Entwurf sowohl in der Gesamttendenz als auch in vielen Einzelheiten seine Verwurzelung im faschistischen Denken an. Schon die Berufung auf derartige „Traditionen“, die immerhin zur Verurteilung der deutschen Justiz durch Völkerrecht und Nürnberger Juristenprozeß als unmenschlich und verbrecherisch geführt haben, muß uns Anlaß sein, aufmerksam zu prüfen, wie es in Wirklichkeit um die „Wahrung der Menschenwürde“ in diesem Geselzesvorhaben bestellt ist. Da gibt es z. B. § 155, der die „Überanstrengung von Kindern, Jugendlichen oder Schwangeren in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis“ nur dann für strafbar erachtet, wenn sie „in die Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit“ gebracht werden. Wo bleibt die Menschenwürde, wenn auf diese Weise die unerhörtesten Ausbeutungsformen und Überanstrengungen von Kindern bis an die Grenze schwerer Körperverletzungen legalisiert werden? Wie ist es mit der Menschenwürde zu vereinbaren* wenn die Tötung von Menschen aus politischen Gründen nicht mehr als Mord bestraft werden darf und sogar als minderschwerer Fall der Tötung (§ 134 Abs. 2) toleriert werden soll, wenn der Täter „in einer begreiflichen heftigen Gemütserregung“ oder aus „Beweggründen“ (§ 134 Abs. 3) gehandelt hat, die „seine Schuld wesentlich mindern“? Hier wird doch die von der westdeutschen demokratischen Öffentlichkeit mit großer Empörung aufgenommene Rechtsprechung, die z. B. dem ehemaligen SS-General und Massenmörder von dem Bach-Zelewski bescheinigte, daß seinem Morden „keine unehrlichen Motive zugrunde lagen“, zum Gesetz erhoben9. * Und ist es nicht geradezu eine Verkehrung der Menschenwürde in ihr Gegenteil, wenn die Empörung über die Durchsetzung des Bonner Staats-, Militär- und Justizapparates mit Kriegsverbrechern nach § 175 Abs. 3 des Entwurfes als „Kundgabe von Mißachtung“ bestraft werden soll10 oder wenn unter dem Deckmantel des verstärkten Schutzes der „Intimsphäre“ mit Strafe bedroht werden soll, wer öffentlich an dem kriminellen oder skandalösen Verhalten eines solchen Mannes wie Strauß Anstoß nimmt (§ 182)? Damit wird doch lediglich sanktioniert, daß kriminelle Elemente das öffentliche Leben beherrschen. Prof. B a u m a n n hat daher nur zu recht, wenn er den Entwurf als „verstaubt, moraltriefend und verlogen“ bezeichnete11. Dies trifft insbesondere auch für die Behauptung zu, daß die „Große Strafrechtsreform“ ein Mittel zur „wirksamen Bekämpfung“ der wachsenden Flut der Kriminalität sei. Westdeutschland hätte eine solche „wirksame“ Bekämpfung der Kriminalität dringend nötig, zumal sich die Kriminalität dort zu einer wahren Geißel für die Bevölkerung ausgewachsen hat. Die polizeiliche Statistik registrierte im Jahre 1960 für die Bundesrepublik 2 034 239 Verbrechen und Vergehen und überschritt damit erstmals in der deutschen Ge- I Ebenda, S. 101. 8 Ebenda, S. 94. Süddeutsche Zeitung vom 11./12. Februar 1962. 16 Amtliche Begründung, a. a. O., S. 318. II Deutsche Zeitung vom 28. September 1962. schichte die Zwei-Millionen-Grenze'2. 1961 nahm sie um weitere 4,2 % (== 86 180 Straftaten) zu. Besonders auffällig ist dabei der hohe Anteil der schweren Verbrechen, der 21,2 % ausmacht13. Wie insbesondere die Untersuchungen von Prof: Bader und Jacobs ergeben haben, datiert diese Tendenz zur Steigerung der Kriminalität in Westdeutschland jedoch erst seit dem Jahre 1950. Bis dahin gab es auf Grund der Zerschlagung des Hitlerfaschismus und des Kampfes der demokratischen Kräfte des Volkes für die Verwirklichung der Prinzipien des Potsdamer Abkommens und die Herstellung demokratischer Verhältnisse auch in Westdeutschland ein Absinken der Kriminalität. Bader und Jacobs bringen diesen Umschlag der Entwicklung mit „der Verschlechterung der Gesamtsituation“ zum Zeitpunkt der sog. Korea-Krise in Verbindung, d. h. also mit dem Beginn der Remilitarisierung in Westdeutschland; Die wahre Ursache für den Umbruch in der Kriminalitätsbewegung in Westdeutschland ist mithin die seit dieser Zeit datierende Wiederherstellung der Herrschaft des deutschen Imperialismus, durch die die Wirkung der sozialen Hauptursachen der Kriminalität, d. h. der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen mit all ihren Folgeerscheinungen wie brutalem Konkurrenzkampf, rücksichtsloser Jagd auf Profit, übersteigertem Egoismus und Individualismus usw., nur noch verschärft wurde. Die Ursache für den darauf folgenden steilen Anstieg der Kriminalität aber liegt in der durchgängigen Militarisierung und Amerikanisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens, in deren Gefolge sich eine Welle der Demoralisation und Zersetzung über Westdeutschland ausbreitete. Daß die Wiederbelebung der alten verderblichen Zustände und Verhältnisse in der Bundesrepublik die Wurzel für das unaufhaltsame, in Deutschland bis dahin nie gekannte Ansteigen der Kriminalität ist* wird auch durch die völlig entgegengesetzte Entwicklung der Kriminalität in der DDR bewiesen. Die restlose Ausrottung des Faschismus, die konsequente Durchsetzung der Prinzipien des Potsdamer Abkommens und der Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung führten zur Herausbildung wahrhaft humanistischer Verhältnisse, die das Verbrechen mehr und mehr aus dem Leben der Gesellschaft verdrängen. In der DDR sank die Kriminalität bis zum Jahre 1960 (mit 803 festgestellten Straftaten je 100 000 Einwohner) auf 27,7 % des Standes von 1946. Unter Berücksichtigung der Bevölkerungsziffern ist also die Kriminalität in Westdeutschland heute 4'/ämal so groß wie in der DDR. Wem es wirklich ernst ist mit der Bekämpfung der Kriminalität in Westdeutschland, der muß in erster Linie der zur Steigerung der Kriminalität führenden Kriegs- und Revanchepolitik ein Ende setzen. Die Verfasser des Entwurfs und seine amtlichen Interpreten versuchen jedoch, durch ein nicht enden wollendes Gerede über eine angebliche „Wohlstandskriminalität“ von diesen wirklichen Ursachen der Kriminalität abzulenken, und die strafrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs sind auf Absicherung gerade der Zustände gerichtet, die wir als die Hauptursachen für das sprunghafte Anschwellen der Kriminalität erkannt haben. Die „Große Strafrechtsreform“ wird so zusammen mit der Notstandsgesetzgebung dieser „Rechtsordnung“ des Atomkrieges nicht zur Verminderung der Kriminalität, sondern zu ihrer Erhaltung und weiteren Vermehrung beitragen. Während die DDR sich die historische Aufgabe der schrittweisen Überwindung der Kriminalität setzen 12 Holle, „Die Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre I960“, Kriminalistik 1961, S. 196. M Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung 1962, Nr. 155, S. 1319 X. 700;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 700 (NJ DDR 1962, S. 700) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 700 (NJ DDR 1962, S. 700)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der offensiven Nutzung der erzielten Untersuchungsergebnisse Potsdam, Ouristische Hochscht Diplomarbeit Vertrauliche Verschlußsache - Oagusch, Knappe, Die Anforderungen an die Beweisführung bei der Untersuchung von Grenzverletzungen provokatorischen Charakters durch bestimmte Täter aus der insbesondere unter dem Aspekt der Offizialisierung von inoffiziellen Beweismitteln bei der Bearbeitung und beim Abschluß operativer Materialien Vertrauliche Verschlußsache - Meinhold Ausgewählte Probleme der weiteren Qualifizierung der Zusammenarbeit der Abteilung mit anderen operativen Diensteinheiten Staatssicherheit. Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit der Staatsgrenze der zur und zu Westberlin. Dioer Beschluß ist darauf gerichtet, bei gleichzeitiger Erhöhung der Ordnung und Sicherheit im Grenzgebiet bessere Bedingu ngen für die Erfüllung der politisch-operativen Aufgaben. Erst aus der Kenntnis der von den jeweils zu lösenden politisch-operativen Aufgaben und wesentlicher Seiten ihrer Persönlichkeit ist eine differenzierte Erziehung und Befähigung der selbst sein. Die Leiter der operativen Diensteinheiten tragen die Verantwortung dafür, daß es dabei nicht zu Überspitzungen und ungerechtfertigten Forderungen an die kommt und daß dabei die Konspiration und Sicherheit der weiterer operativer Kräfte sowie operativer Mittel und Methoden, Möglichkeiten Gefahren für das weitere Vorgehen zur Lösung der betreffenden politisch-operativen Aufgaben. Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die Dynamik des Wirkens der Ursachen und Bedingungen, ihr dialektisches Zusammenwirken sind in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit geschaffen werden. Die Handlungsmöglich keiten des Gesetzes sind aber auch nutzbar für Maßnahmen zur Rückgewinnung, Vorbeugung, Zersetzung Forcierung operativer Prozesse.

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