Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 695

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 695 (NJ DDR 1962, S. 695); neue Situation, die allgemein die ideologische Arbeit erleichtert, Berücksichtigung finden. Die Entwicklung des sozialistischen Staatsbewußtseins führt aber andererseits dazu, daß derartige Äußerungen eines rückständigen Denkens der Arbeiterklasse und allen Werktätigen immer fremder und unverständlicher werden. Je höher die Entwicklung der Demokratie ist, um so höhere Anforderungen werden notwendig an die Einsichtsfähigkeit aller Bürger in die gesetzmäßige Entwicklung gestellt. Das Recht zur Mitwirkung an der Leitung des Staates und der Wirtschaft entwickelt sich in der Perspektive immer mehr zu einer Sache des bewußten Verhaltens der Menschen zum Staat und zur Gesellschaft, zum Bewußtsein der persönlichen Verantwortung des einzelnen gegenüber der Gesellschaft. Dieses schärfere Hervortreten der Unvereinbarkeit alter Auffassungen mit dem Neuen muß aber als Folge des Erstarkens und Ausbreitens des Neuen verstanden werden, das gleichzeitig neue Formen und Methoden zur Überwindung des Alten möglich und notwendig macht, Irrt Gegensatz zur Hetze werden durch die Staatsverleumdung nicht die Machtverhältnisse oder die moralisch-politische Einheit als Ganzes in der DDR angegriffen, ist sie nicht auf eine feindliche Beeinflussung der Bevö'lkefüng und die Ermunterung labiler Elemente zu ebensolcher gegnerischer Tätigkeit gerichtet. Urteile, die die Angriffsrichtungen einer Staatsverleumdung damit charakterisieren, daß „sich der Angeklagte mit seinen Äußerungen auf die Seite des Klassengegners gestellt und dessen Ideologie zum Ausdruck gebracht hat“ und daß „sich die Tat in der Endkonsequenz gegen die staatliche Ordnung der DDR richte“, verwischen deshalb den Unterschied zwischen Staatsverleumdung und Hetze. Sie beruhen entweder auf einer falschen Feststellung der Angriffsrichtung der in Frage, stehenden Straftat oder auf prinzipiellen Unklarheiten über den unterschiedlichen Inhalt von Staatsverleumdung und Hetze. Typische Erscheinungsformen der Staatsvcrleumdung Die Überwindung schematischer Begründungen der Gesellschaftsgefährlichkeit setzt voraus, daß in jedem einzelnen Fall das Spezifische herausgearbeitet wird, zumal die einzelnen Staatsverleumdungen einen sehr unterschiedlichen Gefährlichkeitsgrad haben. Maßgebend dafür ist der gesetzliche Tatbestand des § 20 StEG. Er drückt aus, welche Erscheinungsformen diese Straftaten haben. Da er ihre wesentlichen Seiten charakterisiert, ergibt sich aus ihm das Wesen dieser Verbrechen8 9 10. Die ideologische Struktur der einzelnen Staatsverleumdungen ist sehr unterschiedlich ausgestaltet. Wie die Auswertung der Praxis, vor allem im Bezirk Potsdam, ergab, stehen die Staatsverleumdungen an erster Stelle, bei denen überlebte Auffassungen über, die sozialistische Staatlichkeit mit einer starken egoistisch-individualistischen Denkweise verbunden sind. Typisch dafür sind verleumderische Äußerungen über Maßnahmen oder einzelne Entscheidungen staatlicher Organe und gesellschaftlicher Organisationen. Egoistisch-individualistische Tendenzen äußern sich 8 Vgl. Lutzke, „Widersprüche und Kriminalität in der sozialistischen Gesellschaft“, NJ 1962 S. 340 ff. 9 Vgl. Rutsch, „Zur Gesellschaftsgefährlichkeit der Staatsverbrechen“, Staat und Recht 1961, Heft 5, S. 875; Delzner/Gäse/ Stiller, „Einige Fragen des Kampfes gegen die staatsgefährdende Propaganda und Hetze“, NJ 1962 S. 506 ff. 10 im Beschluß des Staatsrates über die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege in der DDR vom 30. Januar 1961 wird die Bedeutung des gesetzlichen Tatbestandes für die Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit durch die Forde- rung unterstrichen, die Prüfung der konkreten Gesellschafts- gefährlichkeit in jedem Fall auf der Grundlage des Tat- bestandes vorzunehmen. Vgl. NJ 1961 S. 74 auch in dem Bestreben, von der Gesellschaft mehr zu erhalten, als man ihr gibt11 *, so daß der Täter den staatlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen, die auf die Durchsetzung des Gesetzes des ständigen Wachstums der Produktivkräfte in der DDR und des Prinzips der Verteilung nach der Leistung gerichtet sind, ablehnend gegenübersteht. Ihren Niederschlag finden diese Auffassungen z. B. in Diffamierungen des Produktionsaufgebots und der konsequenten Durchsetzung des Statuts in der genossenschaftlichen Arbeit. So beschimpfte und verleumdete z. B. ein sehr gut arbeitender Melker die Funktionäre seiner LPG in der Gaststätte in übelster Weise, weil den Melkern bei der Herstellung der Wirtschaftlichkeit der LPG verschiedene „Sonderrechte“ entzogen worden waren. Dazu kommen häufig bürgerliche Vorstellungen von der persönlichen „Freiheit“, die der Täter anarchischzügellos auffaßt und wo er gegnerische Argumente wiederholt, ohne sich auf den Boden des Gegners stellen zu wollen. Außerdem kollidiert auch das in der Produktion gewachsene Selbstbewußtsein der Arbeiterklasse mit negativen Vorstellungen vom Charakter einzelner staatlicher Organe, insbesondere der Sicherheitsorgane. Die negative Seite dieses Widerspruchs äußert sich in Respektlosigkeit gegenüber diesen Organen und anarchisch-syndikalistischen Tendenzen. In Verbindung mit falschen Freiheitsvorstellungen kommt es dadurch gewöhnlich, wenn diese Organe wegen vorangegangener Gesetzesverletzungen des Täters tätig geworden sind, zu beleidigenden oder verleumderischen Äußerungen. Allen Staatsverleumdungen ist gemeinsam, daß im Bewußtsein der Täter noch so starke ideologische Rudimente nachwirken, daß es unter bestimmten Umständen zur Herausbildung des Willens kommt, eine staatliche oder gesellschaftliche Einrichtung oder Organisation, ihre Maßnahmen oder ihre Funktionäre zu verleumden bzw. verächtlich zu machen. Der Täter verbreitet z. B. bewußt wahrheitswidrige Dinge, um eine staatliche Dienststelle zu diffamieren, oder er macht leitende Funktionäre verächtlich, um das Ansehen eines staatlichen Organs herabzusetzen. Nur in negativen Äußerungen mit einer solchen Zielsetzung kommen m. E. so starke Überreste bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Ideologie zum Ausdruck, daß sie die Qualität einer Straftat haben. Es darf niemals außer acht gelassen werden, daß es um die Disziplinierung und Heranführung aller Bürger an die sozialistische Demokratie geht. Das hauptsächliche Mittel dafür ist die weitere Entwicklung sozialistischer Leitungsmethoden. Nach wie vor gilt die Feststellung in der Programmatischen Erklärung des Staatsrates, daß die Menschen eine unterschiedliche Vergangenheit, Herkunft und Lebenserfahrung haben und ihre Gedanken demzufolge recht verschieden sind, daß wir aber alle geduldig davon überzeugen müssen, daß der Sozialismus allen eine Perspektive gibt. Diese Arbeit „erfordert viel Zeit und Mühe, viel Takt und Fingerspitzengefühl und menschliche Größe“13 * * *. Bereits 1956, zum 10. Jahrestag der Gründung der SED, forderte Walter Ulbricht, daß man mit einem, der dummes Zeug-redet, diskutieren und ihn nicht gleich anzeigen sollte. Auf dem Nationalkongreß hob er erneut mit allem Nachdruck hervor, daß nicht jede dumme Bemerkung, nicht jedes dumme Gerede eine Staatsverleumdung ist18. Wir müssen also gerade hier geduldig mit dem Mittel der Überzeugung arbeiten. 11 vgl. dazu Weber, „Welche Bedeutung hat die Einstellung des Rechtsbrechers zur sozialistischen Arbeit für die richtige Einschätzung der Straftat und die Differenzierung der Strafe“, NJ 1961 S. 770. 12 programmatische Erklärung ., Berlin 1960, S. 58. !3 vgl. ND (AUSg. B) vom 20. Juni 1962, S. 4.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges gefährdet. Auch im Staatssicherheit mit seinen humanistischen, flexiblen und die Persönlichkeit des Verhafteten achtenden Festlegungen über die Grundsätze der Unterbringung und Verwahrung verbunden, das heißt, ob der Verhaftete in Einzeloder Gemeinschaftsunterbringung verwahrt wird und mit welchen anderen Verhafteten er bei Gemeinschaftsunterbringung in einem Verwahrraum zusammengelegt wird. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege ermöglichen. In der Untersuchungspraxis Staatssicherheit hat diese Entscheidungsbefugnis der Untersuchungsorgane allerdings bisher keine nennenswerte Bedeutung. Die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten der Dienst-einheiten der Linie Untersuchung im Staatssicherheit . Ihre Spezifik wird dadurch bestimmt, daß sie offizielle staatliche Tätigkeit zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten ist. Die Diensteinheiten der Linie Untersuchung anspruchsvolle Aufgaben zu lösen sowie Verantwortungen wahrzunchnen. Die in Bearbeitung genommenen Ermittlungsverfahren sowie die Klärung von Vorkommnissen ind in enger Zusammenarbeit mit den anderen operativen Diensteinheiten zum Zwecke der weiteren Beweisführung und Überprüfung im Stadium des Ermittlungsverfahrens, entsprechend den Bestimmungen der Richtlinie, zu qualifizieren.

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