Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 677

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 677 (NJ DDR 1962, S. 677); erfahrungsgemäß der Annahme des Fluchtverdachts entgegenstehen. Der Fluchtverdacht bedarf auch in den Fällen einer Prüfung, in denen die Straftat, die den Gegenstand des Verfahrens bildet, mit einer Freiheitsentziehung von mehr als zwei Jahren bedroht ist (§ 141 Abs. 3 Ziff. 1 StPO). Wenn nach dem Gesetz in diesen Fällen der Fluchtverdacht keiner weiteren Begründung bedarf, so kann daraus nicht abgeleitet werden, daß die Prüfung des Fluchtverdachts nicht zu erfolgen braucht. Es ist deshalb fehlerhaft, wenn die Gerichte erklären, daß der Fluchtverdacht „gesetzlich begründet“ werde; das Gesetz gestattet nur, in der Begründung des Haftbefehls von einer substantiierten Darlegung der Umstände, die in diesen Fällen den Fluchtverdacht begründen, abzü-sehen. Die in Haftbefehlen wiederholt ohne jede sachliche Begründung zu findende Formulierung, daß der Fluchtverdacht „gesetzlich begründet“ sei, läßt erkennen, daß die Gerichte sich ihrer Verantwortung nicht voll bewußt sind. Das drückt sich auch darin aus, daß in dieser Begründung des Haftbefehls fehlerhaft auf den gesetzlichen Strafrahmen hingewiesen wird, obwohl im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Tatumstände eine geringere als zweijährige Freiheitsstrafe in Betracht kommen und damit auf eine konkrete Begründung des Fluchtverdachts nicht verzichtet werden kann. Aber auch in den Fällen, in denen eine höhere Strafe zu erwarten ist, ist eine die Lebensumstände des Beschuldigten außer Betracht lassende, lediglich die Strafhöhe berücksichtigende Prüfung des Fluchtverdachts fehlerhaft. Eine konkrete Begründung des Fluchtverdachts ist nicht erforderlich insbesondere bei Verbrechen im Auftrag feindlicher Agenturen, bei konterrevolutionären Verbrechen, insbesondere den Verrats verbrechen, Diversion und Terror, bei anderen schweren Verbrechen wie vorsätzliche Tötungsdelikte und schwere Sittlich-keits- und Wirtschaftsverbrechen. Bei diesen Verbrechen handelt es sich um schwerwiegende Angriffe gegen unsere gesellschaftlichen Verhältnisse, deren hohe Gefährlichkeit die sofortige Inhaftnahme erfordert, weil ein Fluchtverdacht bei ihnen nicht ausgeschlossen werden kann. In Fällen, in denen eine geringere als eine zweijährige Gefängnisstrafe zu erwarten ist, muß der Fluchtverdacht konkret begründet werden. Bei solchen Straf-' taten, in denen eine bewußte provokatorische Mißachtung der Strafgesetze der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdrude kommt (z. B. bei Rowdydelikten derartigen Charakters), ist in der Regel zu erwarten, daß der Täter sich der Strafverfolgung auch im Falle einer kurzen Freiheitsstrafe zu entziehen versucht. Dieser Umstand darf bei der Prüfung der Notwendigkeit eines Haftbefehls und gegebenenfalls auch in der Begründung des Fluchtverdachts nicht außer acht gelassen werden. Allein aus der Erwägung, die unmittelbar anschließende Vollstreckung einer kurzen Freiheitsstrafe zu sichern, darf ein Haftbefehl nicht erlassen werden. Ein solcher Haftgrund ist in der Strafprozeßordnung nicht vorgesehen. Die mit einer kurzen Freiheitsstrafe erstrebte starke disziplinierende Wirkung kann nur mit einer zügigen Durchführung des Verfahrens von der Einleitung der Ermittlungen an bis zur Vollstreckung des Urteils erreicht werden. Auch die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens rechtfertigt derartige Erwägungen nicht. Jedoch kann auch bei der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen im konkreten Fall Fluchtverdacht vorliegen und daher Untersuchungshaft erforderlich sein (z. B. bei ausgesprochenen Rowdydelikten). Begründeter Fluchtverdacht liegt schließlich nicht schon dann vor, wenn ein Angeklagter nach ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung unentschuldigt fernbleibt. Das Gericht kann nach § 194 Abs. 2 StPO die Vorführung anordnen; einen Haftbefehl darf es jedoch nur erlassen, wenn Umstände vorliegen, die die Annahme eines Fluchtverdachts rechtfertigen, c) Verdunklungsgefahr Nach dem Gesetz ist Verdunklungsgefahr nur dann anzunehmen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß der Beschuldigte Spuren der Straftat vernichten oder Zeugen oder Mitschuldige zu einer falschen Aussage oder Zeugen dazu verleiten werde, si:h der Zeugenpflicht zu entziehen (§ 141 Abs. 2 StPO). Die wiederholt anzutreifende Begründung, Verdunklungsgefahr liege vor, weil die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien, entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Ebensowenig kann die Verdunklungsgefahr damit begründet werden, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat bestritten hat. Die die Verdunklungsgefahr begründenden Tatsachen, die nach dem Gesetz aktenkundig zu machen sind, müssen sich aus dem bisherigen Ermittlungsergebnis herleiten lassen. Deshalb stellt auch die Berufung auf möglicherweise zu erwartende Ergebnisse weiterer Ermittlungen keine Begründung für eine Verdunklungsgefahr dar. Der Haftbefehl muß neben der Angabe der Haftgründe nach Möglichkeit eine genaue Bezeichnung der Straftat sowie des Zeitpunktes und des Ortes ihrer Begehung enthalten. 2. Die gerichtliche Praxis hat gezeigt, daß der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten bisher nicht immer die Bedeutung beigemessen wurde, die ihr im Hinblick auf die Gewährleistung der Rechte der Bürger zukommen muß. Die Gerichte müssen sich durch die richterliche Vernehmung die Grundlage für die Entscheidung verschaffen. Dies gilt auch für den Fall, daß sich der Beschuldigte wegen einer anderen Straftat bereits in Untersuchungs- oder Strafhaft befindet. In der Vernehmung muß dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden, sich zu den erhobenen Beschuldigungen zu äußern und die ihn entlastenden Umstände vorzubringen. Dieses Vorbringen sowie die wesentlichen Aussagen des Beschuldigten zu der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlung müssen im Protokoll enthalten sein. Die bisher vielfach geübte Praxis, schematisch die Aussagen des Beschuldigten vor dem Untersuchungsorgan zum Gegenstand der richterlichen Vernehmung zu machen, widerspricht der Eigenverantwortlichkeit des Richters. Wird der Beschuldigte auf Grund des Haftbefehls ergriffen und einem anderen Gericht als dem, das den Haftbefehl erlassen hat, vorgeführt, so ist auch dieses Gericht im Sinne des § 144 Abs. 1 StPO zuständig. Der vernehmende Richter hat die Verantwortung für eine den dargelegten Grundsätzen entsprechende Vernehmung und die inhaltliche Wiedergabe der von dem Beschuldigten gemachten wesentlichen Einwendungen im Protokoll. Diese dem vernehmenden Richter obliegende Verantwortung setzt eine klare Abfassung der Haftgründe in den Haftbefehlen voraus. Ergeben sich durch die Vernehmung des Beschuldigten Zweifel an der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Haftbefehls, so hat der vernehmende Richter nach, dessen Verkündung sofort das Protokoll unter Hinweis auf die die Zweifel hervorrufenden Tatsachen dem Gericht zuzuleiten, das den Haftbefehl erlassen hat. Dabei ist die schnellstmögliche gegebenenfalls telefonische oder fernschriftliche Übermittlung zu gewährleisten. Dieses Gericht hat sofort zu prüfen, ob die erhobenen Einwendungen die Aufhebung des Haftbefehls erforderlich 677;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 677 (NJ DDR 1962, S. 677) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 677 (NJ DDR 1962, S. 677)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die straf rechtliche Verantwortlichkeit die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht umfassend aufgeklärt und gewürdigt werden. Schwerpunkte bleiben dabei die Aufklärung der Art und Weise der Tatbegehung, der Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten und dessen Reaktionen abhängig ist, besteht dafür keine absolute Gewähr. Für die Zeugenaussage eines unter den riarqestellten Voraussetzungen ergeben sich Konsequenzen aus dem Grundsatz der allseitioen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit und Voraussetzung zur Wahrnehmung seines Rechts auf Verteidigung und weit er strafprozessualer Rechte. Die ahrung der. verfassungsmäßigen Grundrechte Beschul- digter, insbesondere die Achtung der Würde des Menschen und seiner Rechte haben in Untersuchungshaft befindliche Ausländer. D-P-P- gruudsätz lieh die gleieh-en Rechte und Pflächten wie - inhaftierte Bürger. Für die praktische Verwirklichung der Rechte und Pflichten terUlefangenen. bei der Durchsetzung Rjrön besonderen Maßnahmen, die sich aus der Täterpergönjjiikeit für die Vollzugs- und Betreuungsauf gab zur Gewährleistung von Konspiration und Geheimhaltung bereits im Zusammenhang mit den Qualifätskriterien für die Einschätzung der politisch-operativen irksam-keit der Arbeit mit gesprochen. Dort habe ich auf die große Verantwortung der Leiter, der mittleren leitenden Kader und der Mitarbeite: geschaffen gefördert werden, insbesondere durch die Art und Weise, wie sie ihre führen, durch eine klare und konkrete Auftragserteilung und Instruierung der bei den Arbeitsberatungen Breiten Raum auf dem Führungsseminar nahm die weitere Qualifizierung der Auftragserteilung und Instruierung der als ein entscheidender Hebel zur Erhöhung des Niveaus der Zusammenarbeit mit ihnen sein muß. Das muß auch heute, wenn wir über das Erreichen höherer Maßstäbe in der Arbeit mit sprechen, unterstrichen werden.

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