Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 664

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 664 (NJ DDR 1962, S. 664); liehen, egoistischen Interessen nachzugehen (längere Pause zu haben, hohe Normerfüllung auf Kosten der Sicherheit bzw. der Maschinenpflege zu erreichen, oder um mit den Kollegen keinen Ärger zu haben)**. Dabei macht er sich oft keine Gedanken über mögliche Folgen und Auswirkungen, zumindest aber nimmt er an, daß es auf Grund seiner Erfahrungen oder, weil es ja sonst auch immer gut gegangen ist, zu, keinen schädlichen Auswirkungen kommen wird. Typisch ist also folgende Struktur der Schuld: Vorsatz9 10 bezüglich der Pflichtverletzung (die für sich noch nicht strafbar ist) und Fahrlässigkeit hinsichtlich der schädlichen ökonomischen Auswirkungen!1. Diese Struktur der Schuld spiegelt die in sich widersprüchliche Haltung vieler Werktätigen wider, die auf der einen Seite zwar ehrlich und fleißig um hohe Arbeitsergebnisse ringen wobei sie zu Recht12 mit einer entsprechenden materiellen Anerkennung bzw. Entlohnung rechnen , auf der anderen Seite aber als Nachwirkung der anarchisch aufgebauten kapitalistischen Produktionsweise noch nicht in allen Punkten die gebotene bewußte sozialistische Arbeitsdisziplin zeigen. Dabei kommt es zu Disziplinverletzungen (Nichterfüllung bestimmter Pflichten) insbesondere dort, wo die überkommenen individualistischen persönlichen Neigungen und Interessen mit den objektiven gesellschaftlichen Erfordernissen kollidieren. Demzufolge treten derartige Pflichtverletzungen insbesondere auf hinsichtlich der Pflege und Wartung von Maschinen oder Waren, hinsichtlich der Sicherheitsbestimmungen, z. T. auch hinsichtlich der Qualität der Arbeit d. h. auf Gebieten, wo die Nichteinhaltung der Pflichten bzw. Vorschriften in der Regel (insbesondere bei dem Stand der Kontrollen und dem System der Entlohnung) keine unmittelbaren materiellen Konsequenzen für den Pflichtvergessenen nach sich zieht. Der Kampf gegen solche Pflichtverletzungen ist durch die tägliche Erziehungsarbeit im Produktionsprozeß, sowie soweit nötig mit disziplinarischen und ähnlichen Mitteln zu führen. Strafrechtliche Verantwortlichkeit kommt nur in Betracht, wenn es infolge dieser vorsätzlichen Pflichtverletzung zu einem nicht unerheblichen materiellen Schaden, zumindest zu einer ernsten Gefährdung der Durchführung der Wirtschaftspläne, gekommen ist und diese ökonomischen Auswirkungen wenigstens von der fahrlässigen Schuld des Täters umfaßt waren. Demzufolge muß bei der Schuldprüfung also festgestellt werden: 1. ob der Täter die verletzten Pflichten (Vorschriften usw.) zur Tatzeit positiv gekannt hat, ob sie ihm bewußt und geläufig waren13. Ist das nicht der Fall, muß sehr sorgfältig geprüft werden, warum der Täter die Pflichten nicht kannte (z. B. mangelnde Erfahrungen, fehlende Einweisung und Belehrung, ungenügende Qualifikation und dgl.) und ob ihm die Nichtkenntnis zur Last zu legen ist. Auch das hängt von den individuellen Voraussetzungen und Vorkenntnissen ab. 2. ob der Täter sich vorsätzlich über diese Pflichten hinweggesetzt, sie bewußt nicht erfüllt hat. Dieser Nach- 9 Vgl. hierzu auch den Fall, den Schneider in NJ 1962 S. 411 schildert. 19 Meines Erachtens ist im Bereich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eine höhere Anforderung an die Pflichtverletzung zu stellen, also Vorsatz zu verlangen. 11 De lege ferenda ist diese Schuldstruktur als die primäre bei den betreffenden Wirtschaftsdelikten vorgeschlagen; vgl. NJ 1961 S. 535. 12 ich wende mich damit ausdrücklich gegen eine in manchen Entscheidungen anzutreffende sektiererische Abwertung der Tatsache, daß die Werktätigen für höhere Leistung auch einen höheren Lohn anstreben; das entspricht dem Verteilungsprinzip im Sozialismus. 13 Vgl. hierzu auch das Urteil des KrG Neustrelitz vom 20. Juli 1962 - S 85/61 NJ 1962 S. 133. weis ist meist unproblematisch. Es ist aber sehr wichtig, hier gründlich die Ursachen dafür aufzudecken: Handelte der Täter nur in diesem einen Fall pflichtvergessen und war er sonst stets pflichtbewußt; ist die Nichteinhaltung einer bestimmten Vorschrift eine allgemeine Erscheinung; wurde sie von den leitenden Funktionären mehr oder weniger geduldet; war den Kollegen der Grund der betreffenden Vorschrift erklärt und waren ihnen die möglichen Folgen bei Nichteinhaltung erläutert worden; inwieweit wurde von den Wirtschaftsfunktionären und den gesellschaftlichen Organisationen für die strikte Einhaltung der betreffenden Bestimmungen gekämpft; inwieweit waren auch die sachlichen Voraussetzungen (Vorrichtungen, Räume usw.) geschaffen worden usw.? Diese knappe Aufzählung einiger möglicher Ursachen verdeutlicht, daß uns die bloße Feststellung: „Der Täter hat sich über die Pflichten bewußt hinweggesetzt“, nichts über den eigentlichen Inhalt und damit auch den Grad seiner Schuld sagt. Das können wir erst durch die Aufdeckung der Ursachen der Pflichtverletzung erfahren. Sie zeigt zugleich auch, was generell im Betrieb usw. verändert werden muß, um künftigen Verstößen und volkswirtschaftlichen Schädigungen vorzubeugen. 3. ob der Täter die schädlichen ökonomischen Auswirkungen verschuldet, in der Regel also fahrlässig herbeigeführt hat. Ist festgestellt, daß der Täter sein (pflichtwidriges) Verhalten extra so eingerichtet hat, um den ökonomischen Schaden hervorzurufen, dann wird die nähere Prüfung der Motive und der Zielsetzung ergeben, ob es sich um ein Staatsverbrechen auf wirtschaftlichem Gebiet (also Diversion oder Sabotage) handelt oder ob im Einzelfall persönliche Motive für das schwere Wirtschaftsverbrechen ursächlich waren. Vorsatz und Fahrlässigkeit und ihre Grenzen Vorsätzliche Wirtschaftsverbrechen sind aber auch dann gegeben, wenn der Täter den Schaden zwar nicht direkt beabsichtigt hat, ihn aber bei der Lage der Dinge und seinem pflichtwidrigen Verhalten für möglich gehalten und ihn auch in diesem Falle gewollt hat (bedingter Vorsatz). Das sind die Fälle, in denen der Individualismus oder Egoismus zu solcher Verantwortungslosigkeit und Gleichgültigkeit führt, daß der Täter seine Belange auch um den Preis eines von ihm als möglich erkannten ökonomischen Nachteils gegen die gesellschaftlichen Interessen durchsetzen will. Hier ist der Widerspruch zwischen Täter und Tat einerseits und der sozialistischen Gesellschaft andererseits so zugespitzt, daß die Anwendung einer Freiheitsstrafe geprüft werden muß, um den Täter künftig zur Respektierung der sozialistischen Gesellschaft, ihres Staates und ihrer Gesetze zu bringen. Vielfach sind solche Handlungen besonders in den Fällen der Untreue mit einem erheblichen Bereicherungsstreben auf Kosten der Gesellschaft verbunden. Die überwiegende Mehrzahl der Wirtschaftsverbrechen wird jedoch heute von Werktätigen begangen, die durch ihre gesamte Arbeit mit dem sozialistischen Aufbau mehr oder weniger verwachsen sind und deshalb, selbst bei zeitweiliger Hervorkehrung persönlicher Interessen, auf keinen Fall unserer Wirtschaft einen Schaden zufügen wollen. Sobald dies auf Grund der ganzen Grundhaltung des Täters, seines bisherigen Verhaltens und der Tatmotive und Tatziele ermittelt ist, geht es um die Prüfung der Frage, ob der Täter für den von ihm herbeigeführten, wenn auch nicht gewollten ökonomischen Schaden wegen Fahrlässigkeit strafrechtlich verantwortlich ist oder ob mangels (strafrechtlicher) Schuld bzw. wegen geringer Schuld eine gerichtliche Bestrafung nicht in Betracht kommt.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 664 (NJ DDR 1962, S. 664) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 664 (NJ DDR 1962, S. 664)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Die mittleren leitenden Kader sind noch mehr zu fordern und zu einer selbständigen Ar- beitsweise zu erziehen Positive Erfahrungen haben in diesem Zusammenhang die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen haben unter den Strafgefangenen, die sich zum Vollzug der Freiheitsstrafe in den Abteilungen befinden, die poitisch-operative Arbeit - vor allem auf der Grundlage der dazu von mir erlassenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen; Gewährleistung der erforderlichen medizinischen Betreuung sowie der notwendigen materiell-technischen Sicherstellung für den ordnungsgemäßen Vollzug der Untersuchungshaft an einzelnen Verhafteten treffen, die jedoch der Bestätigung des Staatsanwaltes oder des Gerichtes bedürfen. Er kann der. am Strafverfahren beteiligten Organen Vorschläge für die Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft zu unterbreiten. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens, die durch die Abteilungen durehzusetzen sind. Weiterhin ist es erforderlich, daß alle Mitarbeiter in der politischoperativen Arbeit, einschließlich der Untersuchungsarbeit strikt die Gesetze des sozialistischen Staates, die darauf basierenden Befehle und Veisunrren des Ministers für Staatssicherheit erfüllt. Entsprechend seiner Aufgabenstellung trägt Staatssicherheit die Hauptverantwortung bei der Bekämpfung der Feindtätigkeit. Die Art und Weise sowie Angriffsriehtungen der Feindtätigkeit machen ein konsequentes Ausschöpfen des in der sozialistischen Gesellschaft gibt, die dem Gegner Ansatzpunkte für sein Vorgehen bieten. Unter den komplizierter gewordenen äußeren und inneren Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er und er Oahre. Höhere qualitative und quantitative Anforderungen an Staatssicherheit einschließlich der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Unterstützung der Politik der Parteiund Staatsführung und wichtige Grundlage für eine wissenschaft-lich begründete Entscheidungsfindung bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung von Staatsverbrechen, politisch-operativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität werden solche obengenannten Bereiche und Entwick- lungsprozesse häufig berührt und gleichzeitig im verstärkten Maße von Tätern naturvdssenschaf tliclitechnische, ökonomische, psychologische und andere Erkenntnisse genutzt.

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