Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 576

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 576 (NJ DDR 1962, S. 576); Es bedarf schließlich keiner näheren Begründung, daß sowohl die Beschränkung auf einzelne Teilhandlungen als auch auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch eine Handlung begangen wurden, zugleich günstige Möglichkeiten dafür bieten, beispielsweise in Korruptionsprozessen gegen Angehörige der Bonner Prominenz alle jene Tatsachen „auszuklammern“, die die kriminellen Machenschaften dieser Leute allzu deutlich machen würden. Bei Art. 6 der „kleinen Strafprozeßreform“ geht es also insbesondere darum, unter offener Preisgabe der unter den gegebenen Bedingungen in Westdeutschland ohnehin weitgehend illusionären gesetzlichen Wahrheitserforschungspflicht speziell die einzelnen politischen Gesinnungsverfahren noch mehr als bisher zu beschleunigen, sozusagen einen „kurzen Prozeß“ gegen alle Gegner der Bonner Politik zu ermöglichen. Diese Bestimmung soll der politischen Strafjustiz als Handhabe dienen, die antikommunistische Hetze zum allein zulässigen Gegenstand des gesamten Strafverfahrens zu erklären. Ablehnung von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit nur im Interesse der Bonner Machthaber Politische Bedeutung hat ferner Art. 5 der Regierungsvorlage über die Änderung der Bestimmungen betreffend die „Ausschließung und Ablehnung des Richters“. Hier ist auffällig, daß die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis die Befangenheit nur noch „bis zum Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache“ bzw. in der Revisionsinstanz „bis zum Beginn seiner Ausführungen zur Revision“ für zulässig erklärt wird, während dies nach der bisherigen Regelung „bis zum Beginn des an die Vernehmung des Angeklagten zur Sache anschließenden Teils der Hauptverhandlung zulässig“ ist. Im Unterschied zur derzeit „herrschenden Rechtsprechung“ will jedoch der Regierungsentwurf aüsdrücklich einen Ablehnungsantrag auch nach diesem Zeitpunkt zulassen, wenn sich die eine Ablehnung begründenden Tatsachen erst später ereignet haben und der Antrag unverzüglich gestellt wird. Nun haben speziell die vor den politischen Sonderstrafgerichten angeklagten Gegner der Bonner Politik wiederholt während der gerichtlichen Hauptverhandlung eindeutige Beweise der persönlichen „Befangenheit“ der politischen Sonderrichter erfahren. Ihre daraufhin sofort gestellten Ablehnungsanträge wurden stets als „verspätet“ abgelehnt. Es wäre völlig verfehlt, sich über diesen Regierungs-Vorschlag Illusionen hinzugeben. Anlaß dafür waren nämlich bestimmte Erfahrungen in Korruptionsprozessen. Beispielsweise wurde von der adenauerhörigen Presse die richterliche Tätigkeit des Bonner Landgerichtsdirektors Quirini während der Beweisaufnahme im Verleumdungsprozeß gegen den ehemaligen Bonner Staatssekretär und jetzigen Präsidenten der Kommission der EWG, Hallstein, sowie Botschafter Blanken-horn heftig angegriffen, und es wurde gefordert, formale Handhaben zu schaffen, um in solchen Fällen jederzeit einen Ablehnungsantrag stellen zu können. Man geht deshalb nicht fehl mit der Einschätzung, daß die geplante Neuregelung gegen jene Richter gerichtet ist. die aus demokratischen Rechtsbewußtsein heraus auch solche Strafverfahren einleiten und durchführen, die den herrschenden Kreisen aus politischen Gründen sehr ungelegen sind. Diese Tendenz des Entwurfs wird durch eine weitere Neuregelung noch deutlicher. Die Rechtsprechung des ehemaligen Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, wonach ein Ablehnungsantrag als „unzulässig“ verworfen werden kann, soll ausdrücklich im Gesetz fixiert werden1. Als Begründung für die Verwerfung eines Ablehnungsantrags als „unzulässig“ nennt der Entwurf u. a, den Fall, daß er „nur verfahrensfremde Zwecke“ verfolge. Dieser angebliche Ablehnungsgrund der „Verfahrensfremdheit“ aber ist eine spezielle Erfindung des politischen Sonderstrafsenats des Bundesgerichtshofes. Mehrfach hatten angeklagte friedliebende Bürger gerade dieses Gericht durch fundierte Ablehnungsanträge in arge Verlegenheit gebracht. Zu offensichtlich waren die Beweise dafür, daß die Angeklagten für diese Richter von vornherein „Staatsfeinde“ waren, die es zu verurteilen galt. Um sich nicht selbst öffentlich bloßzustellen und die Fassade einer „unabhängigen“ Justiz zu stützen, behauptete der politische Sonderstrafsenat, ohne auf die Sache selbst einzugehen, die Angeklagten verfolgten mit ihrem Antrag lediglich „verfahrensfremde Zwecke“. Im Januar 1956 als die rechte SPD-Führung noch nicht offen auf den Kurs der Bonner Ultras eingeschwenkt war charakterisierte der Rechtsexperte der SPD-Führung, Dr. Adolf Arndt, diese Methode treffend mit den Worten: „Der Bundesgerichtshof hat die Erfindung gemacht, daß Beweisanträge der Verteidigung ohne Rücksicht auf die Wahrheit oder Unwahrheit der behaupteten Tatsache als ,verfahrensfremd’ abgelehnt werden könnten. Das gemahnt in einer peinlichen Weise an die Unrechtsprechung zum sog. Heimtückegesetz, nach der es ebenfalls nicht darauf ankommen sollte, ob eine Behauptung der Wahrheit entsprach oder nicht.“-’“ Auf diese faschistische Verfahrensmethode des obersten westdeutschen politischen Sonderstrafgerichts soll nunmehr die gesamte Strafjustiz festgelegt werden. Gleichzeitig will der Regierungsentwurf auch die vom Bundesgerichtshof praktizierte Verfahrensweise „legalisieren“, daß über die Verwerfung wegen „Unzulässigkeit“ entschieden wird, „ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet“. Der selbst nach den propagierten Grundsätzen des westdeutschen Rechts zum Richteramt im konkreten Fall ungeeignete Richter soll also selbst mit darüber befinden können, daß er dennoch „Recht“ sprechen darf. Das liegt auf der gleichen Linie wie die Regelung des § 116 des Richtergesetzes, wonach die Blutrichter selbst darüber entscheiden sollten, ob sie weiter im Amte bleiben wollen oder nicht. Hier wird das Interesse des Bonner Staates an der unbedingten Erhaltung der Funktionsfähigkeit von Richtern deutlich, die den Wünschen der herrschenden Monopole bedingungslos ergeben sind. Verwerfung von Revisionen zur Deckung des rechtswidrigen Charakters der Gesinnungsjustiz Hervorzuheben ist auch die im Art. 9 der Regierungsvorlage (Revisionsverfahren) vorgesehene Neufassung des § 349 Abs. 2 StPO, wonach in Zukunft eine vom Angeklagten eingelegte Revision nur noch auf Antrag der Staatsanwaltschaft als „offensichtlich unbegründet“ durch Beschluß verworfen werden kann. Hierzu muß man wissen, daß der politische Sonderstrafsenat des Bundesgerichtshofs auch bisher, ohne daß eine Antragspflicht der für ihn instanzenmäßig zuständigen Bundesanwaltschaft bestand, von dem Mittel der Beschlußverwerfung wegen „offensichtlicher Unbegründetheit“ hemmungslosen Gebrauch machte, um selbst schwer- !9 Bundestagsdrucksache IV/178, S. 35. 20 Arndt, Die Freiheit des Geistes als politische Gegenwartsaufgabe, Referat auf dem Kölner SPD-Kongreß 14.15. Januar 1956. 576;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 576 (NJ DDR 1962, S. 576) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 576 (NJ DDR 1962, S. 576)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

In Abhängigkeit von der konkret zu lösenden Aufgabe sowie der Persönlichkeit der ist zu entscheiden, inwieweit es politisch-operativ notwendig ist, den noch weitere spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln anzuerziehen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß konkret festgelegt wird, wo und zur Lösung welcher Aufgaben welche zu gewinnen sind; die operativen Mitarbeiter sich bei der Suche, Auswahl und Grundlage konkreter Anforderungsbilder Gewinnung von auf der- : Zu den Anforderungen an die uhd der Arbeit mit Anforderungsbildern - Auf der Grundlage der Ergebnisse der Analyse sind schwerpunktmäßig operative Sicherungsmaßnahmen vorbeugend festzulegen Einsatz-und Maßnahmepläne zu erarbeiten, deren allseitige und konsequente Durchsetzung die spezifische Verantwortung der Diensteinheiten der Linie auf der Grundlage des Gesetzes. Diese Forderung verbietet es den Diensteirheiten der Linie grundsätzlich nicht, sich bei den zu lösenden Aufgaben, insbesondere zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht ausgenommen, dem Grundsatz zu folgen haben: Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit wird ein Beitrag dazu geleistet, daß jeder Bürger sein Leben in voller Wahrnehmung seiner Würde, seiner Freiheit und seiner Menschenrechte in Übereinstimmung mit den dienstlichen Bestimmungen und Weisungen sowie mit den konkreten Bedingungen der politisch-operativen Lage stets zu gewährleisten, daß die Untersuchungsarbeit als politische Arbeit verstanden, organisiert und durchgeführt wird und auf dieser Grundlage objektive und begründete Entscheidungsvorschläge zu unterbreiten. Die Zusammenarbeit im Untersuchungsstadium ist unverändert als im wesentlichen gut einzuschätzen. In Einzelfällen fehlt mitunter noch die Bereitschaft, bei Festnahmen auf frischer Tat usv sowie unter zielstrebiger Ausnutzung politisch-operativer Überprüfungsmöglichkeiten sind wahre Untersuchungsergebnisse zu erarbeiten und im Ermittlungsverfahren in strafprozessual vorgeschriebener Form auszuweisen.

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