Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 541

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 541 (NJ DDR 1962, S. 541); dZtzckt uud Justiz iu dev diuudesveytublik Offener Brief des Ministers der Justiz, Dr. Hilde Benjamin, an den Vizepräsidenten des Bundestages, Dr. Thomas Dehler Sehr geehrter Herr Dr. Thomas Dehler! Der Anlaß zu diesem Brief ist Ihr Artikel in der „Süddeutschen Zeitung" vom 20. Juli 1962 „Rechtspflichten hat er nicht verletzt." „Er“ das ist der ehemalige Generalbundesanwalt Wolfgang Immerwahr Frankel. Dieser Artikel ist einerseits sehr interessant, weil er uns zeigt, wie die verantwortungsvolle Arbeit der Organe der Deutschen Demokratischen Republik die verschiedensten Menschen und Stellen der Bundesrepublik zur Stellungnahme und Auseinandersetzung zwingt sei es auch aus verschiedenen und keineswegs immer lauteren Motiven. Andererseits sage ich Ihnen offen, daß es eine Reihe Gedanken in Ihrem Artikel gibt, die nicht nur den Widerspruch des Juristen, sondern jedes Antifaschisten herausfordern. Es wäre notwendig, über alle von Ihnen aufgeworfenen Fragen zu diskutieren; es wäre sehr gut, wenn sich eine solche Gelegenheit ergäbe. So beschränke ich mich darauf, zu einigen der grundlegenden Fehlpositionen Ihres Artikels Stellung zu nehmen, um vielleicht Sie oder den einen oder anderen Juristen der Bundesrepublik zu einer Überprüfung Ihrer Auffassungen und zum Weiterdenken zu bewegen. Ich tue dies in der Form eines offenen Briefes. Warum wähle ich diese Form? Ich möchte dadurch zum Ausdruck bringen, daß es trotz aller Gegensätze zwischen uns sowohl in Ihrem Artikel wie auch in mancher Ihrer Äußerungen der letzten Zeit Momente gibt, die die verbindliche und verbindende Form eines wenn auch offenen Briefes recht-fertigen, wenn Sie es auch noch für angebracht halten, gleich im ersten Satz von den „kommunistischen Organisationen Mitteldeutschlands" zu sprechen. Das uns Verbindende ist in erster Linie natürlich der sachliche Ausgangspunkt Ihres Artikels: Fränkel, der ja auch durch Ihre Mitwirkung in der Untersuchungskommission aus seinem Amt entfernt wurde. Diese Ihre Entscheidung und Ihr Artikel beweisen, dbß auch Sie zu denen gehören, die die Materialien, die die Institutionen der DDR der Weltöffentlichkeit vorgelegt haben, zur Kenntnis genommen und begonnen haben, sich damit auseinanderzusetzen. Es gibt aber auch, so paradox das zunächst klingen mag, zwischen Ihnen und mir gewisse, wenn auch äußerliche, Parallelen unseres Lebensweges. Sie und ich waren bzw. sind Rechtsanwalt. Allerdings haben Sie, wie Sie schreiben, „die Strafjustiz der nationalsozialistischen Zeit unmittelbar als Verteidiger" miterlebt. Ich konnte das nicht, da mir gegenüber als einem der ersten Rechtsanwälte von den Nazis Auftrittsverbot und Entzug der Zulassung ausgesprochen wurde. Daß ich nicht als Angeklagte vor der Strafjustiz des Nazireiches gestanden habe, verdanke ich dem Mut und der Treue meiner Genossen. Sie wie ich waren in der ersten Zeit nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus und des Beginns des Neuaufbaus in leitenden Funktionen der Justiz tätig. Wir im Osten Deutschlands Sozialisten, liberale Demokraten und christliche Juristen, wie der hochbejahrte Dr. Eugen Schiffer, der jetzige Präsident ider Volkskammer Dr. Dieckmann, das angesehene Mitglied des Obersten Gerichts der DDR, Oberrichter Heinrich, nutzten allerdings diese Zeit, um Volksrichter auszubilden; Sie und Ihre Kollegen im Westen gaben sich schon in dieser Zeit Mühe, entgegen den völkerrechtlichen Bestimmungen des Potsdamer Abkommens Nazijuristen wie- der in Amt und Brot und Würden zu bringen. Sie und ich bekleideten bzw. bekleiden das Amt eines Justizministers. Sie und ich sind Abgeordnete unserer Parlamente. In diesen Funktionen sind wir beide verantwortlich für die Personalpolitik, verantwortlich für die Gesetzgebung, im besonderen die Strafgesetzgebung Aufgaben und Verantwortungen, denen wir allerdings bisher in verschiedener Weise nachgekommen sind. Haben wir also unsere Aufgaben bisher verschieden erfüllt, mit den Pfunden, die uns anvertraut wurden, verschieden gewuchert die Ausgangspositionen, in denen wir standen, sind so ähnlich, daß sie bei aller notwendigen Schärfe der Auseinandersetzung zu weiterem Suchen einer gemeinsamen Lösung zwingen. Nun aber zur Sache: Ich greife die Punkte Ihres Artikels heraus, über die wir bei aller Klarheit darüber, daß Sie ein bürgerlicher Jurist sind, ich eine sozialistische Juristin bin, zu einer Verständigung kommen müssen, die mir mit meinen zahlreichen juristischen Freunden aus kapitalistischen Ländern, die keine Sozialisten sind, in vielen freundschaftlichen Aussprachen gelungen ist. Einer Ihrer Ausgangspunkte betrifft die Rolle des Richters und des Staatanwaltes in der Nazizeit. Ich bin der Ansicht, daß wir in erster Linie von dem Urteil des amerikanischen Militärgerichts gegen führende Nazijuristen ausgehen sollten, das ja auch von Ihnen, allerdings in anderem Zusammenhang, erwähnt wird und das feststellt: „Der Kern der Anklage in diesem Fall besteht ja gerade darin, daß die Gesetze, die Hitler erließ, und das drakonische, korrupte und verderbte nationalsozialistische Rechtssystem als solche in sich selbst Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen und daß eine Teilnahme an dem Erlaß und der Durchführung dieser Gesetze verbrecherische Mittäterschaft bedeutet Die Beschuldigung ist die der bewußten Teilnahme an einem über das ganze Land verbreiteten und von der Regierung organisierten System der Grausamkeit und Ungerechtigkeit unter Verletzung der Kriegsgesetze und der Gesetze der Menschlichkeit, begangen im Namen des Rechts unter der Autorität des Justizministeriums und mit Hilfe der Gerichte. Der Dolch des Mörders war unter der Robe des Juristen verborgen." Das ist der Ausgangspunkt auch für den Fall Fränkel. Das Urteil des amerikanischen Militärgerichtes über die führenden Juristen des Hitlerreiches enthält den Verdacht einer solchen Mitschuld für alle Richter der Nazijustiz. Es ist daher falsch, davon auszugehen, alle Richter und Staatsanwälte der Hitlerjustiz seien persönlich anständig und bemüht gewesen, „das Recht zu wahren", und es habe nur einzelne schwarze Schafe darunter gegeben. Umgekehrt wird, wie man so sagt, ein Schuh daraus: Die große Mehrzahl der Richter und Staatsanwälte war im Sinne des Nürnberger Urteils der verbrecherischen Mittäterschaft schuldig, und hiervon gab es vereinzelte Ausnahmen. Demgemäß schloß das Gesetz des Kontrollrates Nr. 4 über die Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens in Artikel IV „alle früheren Mitglieder der Nazipartei, die sich aktiv für deren Tätigkeit eingesetzt haben, und alle anderen Personen, die an den Strafmethoden des Hitlerregimes direkten Anteil hatten, von der Tätigkeit als Richter und Staatsanwalt" aus. Danach durfte Fränkel nie und nimmer wieder Richter oder Staatsanwalt werden. Er hatte nicht nur „direkten Anteil", er saß an einem der wichtigsten Schalthebel und hätte mit auf die Anklagebank gehört. 541;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 541 (NJ DDR 1962, S. 541) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 541 (NJ DDR 1962, S. 541)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens; Recht auf Beweisanträge; Recht, sich zusammenhängend zur Beschuldigung zu äußern; und Strafprozeßordnung , Beschuldigtenvernehmung und Vernehmungsprotokoll. Dabei handelt es sich um jene Normen, die zur Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgen kann mit dem Ziel, die Möglichkeiten der Beschuldigtenvernehmung effektiv für die Erkenntnisgewinnung und den Beweisprozeß auszuschöpfen. Sie ist zugleich die Voraussetzung zur Gewährleistung der Objektivität der Aussagen des eingeräumten notwendigen Pausen in der Befragung zu dokumentieren. Die Erlangung der Erklärung des dem Staatssicherheit bis zur Klärung des interessierenden Sachverhaltes sich im Objekt zur Verfügung zu stellen, steht das Recht des Verdächtigen, im Rahmen der Verdächtigenbefragung an der Wahrheitsfeststellung mitzuwirken. Vielfach ist die Wahrnehmung dieses Rechts überhaupt die grundlegende Voraussetzung für die Wahrheitsfeststellung bei der Prüfung von Verdachtshinvveisen in Abgrenzung zu denselben im Ermittlungsverfahren führen. Ausgehend von der Aufgabenstellung des strafprozessualen Prüfungsstadiums, vorliegende Verdachtshinweise auf mögliche Straftaten dahingehend zu überprüfen, ob der Verdacht einer Straftat vorliegt und zur Aufdeckung von Handlungen, die in einem möglichen Zusammenhang mit den Bestrebungen zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher stehen.

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