Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 522

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 522 (NJ DDR 1962, S. 522); Diese strafprozessuale Bedeutung der Anklage, die das Recht auf Verteidigung für den Beschuldigten bzw. Angeklagten sowie die strenge Abgrenzung der Eigenverantwortlichkeit für Staatsanwaltschaft und Gericht zum Ausdruck bringt, findet in der Praxis noch nicht immer genügende Beachtung. So erhob z. B. der Staatsanwalt des Stadtbezirks Berlin-Köpenick gegen einen Bürger Anklage wegen Verletzung der Unterhaltspflicht. Obwohl der Sachverhalt, die Täterpersönlichkeit und die sonstigen Umstände, die zur Straftat führten, umfassend aufgeklärt waren, eröffnete die Strafkammer das Verfahren nicht, sondern gab die Sache gemäß § 174 StPO zur Nachermittlung an die Staatsanwaltschaft zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß im Leumundsbericht des Abschnittsbevollmächtigten eine Formulierung enthalten sei, wonach der Beschuldigte möglicherweise durch Gewaltanwendung eine Frau zur Duldung des außerehelichen Verkehrs genötigt habe. Der zuständige Staatsanwalt übersandte daraufhin die Akte zur Klärung der vermeintlichen Notzucht an das zuständige Volkspolizeikreisamt, wo die Ermittlungen ergebnislos verliefen. Dieses Beispiel zeigt, daß das Gericht fehlerhaft Einfluß auf den Gegenstand der Anklageerhebung nehmen wollte. Das aber ist nicht Aufgabe des Gerichts, sondern fällt allein in den Verantwortungsbereich des Staatsanwalts, wobei dieser selbstverständlich vor Anklageerhebung verpflichtet ist, allen Verdachtsmomenten auch solchen, die auf weitere strafbare Handlungen hindeuten nachzugehen und sie aufzuklären. Die Funktion der Anklage hinsichtlich des Beschuldigten erschöpft sich jedoch nicht nur in der Sicherung seines Rechts auf Verteidigung. Er wird nicht nur mit dem gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwurf vertraut gemacht und kann sich dementsprechend in seiner Verteidigung darauf einrichten, sondern dieser Vorwurf muß ihm gegenüber auch überzeugend begründet sein. Insofern enthält die Anklage auch eine starke erzieherische Einflußnahme auf den straffällig gewordenen Bürger und mitunter auf seine ganze Umgebung. Um diese Erziehungsfunktion voll wirksam werden zu lassen, ist es erforderlich, den Sachverhalt wahrheitsgemäß zu schildern. Es dürfen keine Zweifel an der Objektivität der Ermittlungen auftreten. Die Anklageschrift hat somit die wichtige Aufgabe, zur Entwicklung eines sozialistischen Bewußtseins der Werktätigen beizutragen. Aufbau, Inhalt und Form der Anklage Aus der Bedeutung der Anklage ergeben sich ihr Aufbau, ihr Inhalt und ihre Form. Es soll hier nicht im einzelnen auf die Gliederung der Anklageschrift nach Rubrum, Tenor, Beweismitteln, wesentlichem Ermittlungsergebnis und Anträgen eingegangen werden. Insofern kann auf die Ausführungen von Bell verwiesen werden, der dazu eine systematische Darstellung gibt. Es kommt u. E. jetzt darauf an, die Mängel und Schwächen in der bisherigen Praxis aufzuzeigen und über Inhalt und Form der Anklageschrift entsprechend ihrer Bedeutung im sozialistischen Strafprozeß Klarheit zu schaffen. 1. Bereits beim Anklagetenor wird eine äußerst unterschiedliche Auffassung und Praxis sichtbar. Obwohl vom Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben, hat sich doch in der Praxis herausgebildet, daß der Anklagetenor mit dem Hinweis auf das durch die verletzte Strafrechtsnorm geschützte Objekt beginnt. Mit vollem Recht hat bereits Bell die Forderung gestellt, den Tenor 9 Bell, „Bedeutung, Inhalt und Form der Anklageschrift“, NJ 1956 S. 745. 522 ■ so kurz und klar zu fassen, „daß jedermann, auch der Nichtjurist, sofort verstehen kann, welche Handlung dem Beschuldigten zur Last gelebt wird“9 10. Diese richtige Forderung ist nur ungenügend beachtet worden. Die Praxis weist z. T. eine unverständliche Objektbestimmung und eine Sachverhaltscharakter tragende Tenorierung auf. Wegen Körperverletzung wird z. B. so angeklagt: „ die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Bürger angegriffen zu haben.“ Bei einem Sittlichkeitsdelikt, gleichgültig, ob es sich um eine Notzucht, eine widernatürliche Unzucht oder um Exhibitionismus handelt, lautet die Anklageformel häufig: „ die moralischen Anschauungen der Werktätigen angegriffen zu haben.“ Solche und ähnliche Formulierungen sind unklar, weil sie die konkrete strafbare Handlung nicht erkennen lassen. Bei Angriffen gegen das gesellschaftliche Eigentum wird oft aus dem Anklagetenor nicht ersichtlich, ob es sich um Diebstahl oder Unterschlagung, Betrug oder Untreue handelt. Die weiteren Ausführungen im Tenor sind dann auch noch häufig viel zu lang und unübersichtlich. Teils werden in der Tenorierung wichtige Tatbestandsmerkmale der strafbaren Handlung nicht genannt, teils wird eine weitschweifige, in Einzelheiten gehende Darstellung gebracht. Der Tenor der Anklage muß unter Angabe des Tatortes nnd der Tatzeit eine klare und für jedermann verständliche Tatbezeichnung oder Objektbestimmung enthalten, die auf jeden Fall in kürzester Formulierung die konkrete strafbare Handlung nennt. Es ist sodann eine knappe Darstellung der Handlung des Beschuldigten zu geben, aus der sich die Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale des unmittelbar anschließend an-zui'ührenden Strafgesetzes ergibt. Iri* einer Strafsache hatte ein leitender Wirtschaftsfunktionär in einem VEB Kooperationsaufträge an Betriebsangehörige erteilt. Diese wurden zwar außerhalb der Arbeitszeit ausgeführt, aber nicht entsprechend der Leistung mit dem gesetzlichen Lohnzuschlag von 25 bzw. 50 Prozent, sondern als Kooperationsarbeit mit einem Gemeinkostenzuschlag bis zu 240 Prozent verrechnet. Trotz des schwierigen und umfangreichen Sachverhalts wurde hier der Tenor klar und verständlich formuliert: „ in Berlin in den Jahren 1960 und 1961, fortgesetzt handelnd, Untreue zum Schaden sozialistischen Eigentums begangen zu haben. Er hat als Produktionsleiter des VEB unberechtigt und entgegen betrieblichen Anordnungen Kooperationsaufträge an Betriebsangehörige erteilt, hat diesen bei der Verrechnung einen ihren Leistungen nicht entsprechenden Gemeinkostenzuschlag bis zu 240 % zukommen lassen und dadurch dem Betrieb einen Schaden von 11134 DM zugefügt. Verbrechen nach §§ 29 und 30 Abs. 2 Buchst, a StEG.“ Der Tenor schließt in allen Fällen ab mit der Aufzählung der anzuwendenden Strafvorschriften. Auch hier gibt es jedoch einige Unklarheiten. So werden häufig die Strafgesetze nur unvollständig und ungenau genannt Die Wahrung des Rechts auf Verteidigung verlangt jedoch, daß dem Beschuldigten alle gesetzlichen Bestimmungen, die gegen ihn zur Anwendung kommen sollen, genau mit Absätzen und Ziffern bzw. Buchstaben der einzelnen Paragraphen zu bezeichnen sind. Bei der Bezeichnung der Beweismittel in der Anklageschrift fand der von Bell gemachte Vorschlag, die Beweismittel nach den Beweisthemen zu ordnen11, in der Praxis bisher kaum Beachtung, obwohl die Richtigkeit 1° Bell, a. a. O., S. 746. 11 Bell, a. a. O., S. 746.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 522 (NJ DDR 1962, S. 522) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 522 (NJ DDR 1962, S. 522)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

In jedem Fall ist jedoch der Sicherheit des größtes Augenmerk zu schenken, um ihn vor jeglicher Dekonspiration zu bewahren. Der Geheime Mitarbeiter Geheime Mitarbeiter sind geworbene Personen, die auf Grund ihres Alters oder gesetzlicher Bestimmungen die Möglichkeit haben, Reisen in das zu unternehmen. Personen, die aus anderen operativen Gründen für einen Einsatz in einer Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit Dienst verrichtenden Mitarbeiter zu entsprechen. Die Zielstellungen der sicheren Verwahrung Verhafteter in allen Etappen des Strafverfahrens zu sichern, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie zu lösenden Aufgabenstellungen und die sich daraus ergebenden Anforderungen, verlangen folgerichtig ein Schwerpunktorientiertes Herangehen, Ein gewichtigen Anteil an der schwerpunkt-mäßigen Um- und Durchsetzung der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane und der Befehle und Weisungen nicht konsequent genug erfolgte. Eine konkretere Überprüfung der Umsetzung der dienstlichen Bestimmungen an der Basis und bei jedem Angehörigen muß erreicht werden Generell muß beachtet werden, daß der eingesetzte sich an die objektiv vorhandenen Normen-halten muß und daß er unter ständiger Kontrolle dieser Gruppe steht. Dieser Aspekt muß bei der Durchsetzung operativer Zersetzungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Dienst Objekten der Abteilung Staatssicherheit Berlin Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit , Aus-ffSiung; Durchführungslbastimmung zur Anweisung zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Untersuchungshaftanstalt und bei allen Vollzugsmaßnahmen außerhalb derselben notwendig. Sie ist andererseits zugleich eine Hilfe gegenüber dem Verhafteten, um die mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen känp, -sk?;i. Aus dieser und zli . Auf gabenstellung ergibt sich zugleich auch die Verpflichtung, die Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, verbunden mit der doppelten Pflicht - Feinde wie Feinde zu behandeln und dabei selbst das sozialistische Recht vorbildlich einzuhalten.

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