Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 481

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 481 (NJ DDR 1962, S. 481);  9 11 Sond. KLs 115/42 gegen Stanislaw Dzwonkowski wegen sog. deutschfeindlicher Gesinnung und 12 Sond. KLs 190/42 gegen Josef Fuczak wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, in denen eine Freiheitsstrafe verhängt worden war, beeilte sich Fränkel, beim 3. Strafsenat sofort die Aufhebung dieser Urteile und die Todesstrafe zu beantragen. Daraus kann man nur den Schluß ziehen, daß in Schleswig-Holstein aber nicht nur dort NS-Verbrechen ein erwünschter Qualifikationsbeweis sind. Im April .1962 veröffentlichte die DDR weiteres Tatsachenmaterial3 über die Mordtätigkeit Fränkels, die dieser hartnäckig leugnete4. Auf einer internationalen Pressekonferenz wurde der Öffentlichkeit dann vom Ausschuß für Deutsche Einheit am 23. Juni 1962 eine Dokumentation vorgelegt, mit der der unwiderlegbare Nachweis geführt wurde, daß Fränkel sich schwerster Verbrechen gegen die Menschlichkeit, begangen an Bürgern fast aller Nationen Europas, schuldig gemacht hatte. Die unmenschliche Handlungsweise Fränkels soll an zwei Beispielen deutlich gemacht werden5: Durch Urteil des Sondergerichts Kiel vom 14. Januar 1942 wurde der nicht vorbestrafte Elektroschweißer August Völker aus Kiel wegen Diebstahls von 11,67 Mark als Volksschädling zum Tode und zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren, auf die die Untersuchungshaft anzurechnen war, verurteilt (AZ. 11 Sond. KLs 125/41). Die von Anfang an rechtskräftigen Urteile der Sondergerichte konnten nur durch die Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden. Und eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen dieses Todesurteil verlangte sogar laut einer bei den Akten befindlichen Notiz vom 7. Februar 1942 der sonst unerbittliche Freisler, der damals noch als Staatssekretär im Reichsjustizministerium saß6. Auch Reichsanwalt Dr. Kirchner, Fränkels direkter Vorgesetzter, hielt, wie sich aus einem Vermerk vom 3. Februar 1942 ergibt, das Urteil für mangelhaft und im Strafmaß für überhöht7. Fränkel aber votierte dessenungeachtet für Has Todesurteil, weil „der Angeklagte auch seiner Persönlichkeit nach, mag er auch noch nicht bestraft sein, ein wenig wertvoller Volksgenosse ist“. Er war „nicht geneigt, gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben“. Mit großem Eifer gelang es ihm, alle Widerstände zu überwinden, so daß sein bedauernswertes Opfer schließlich unter dem Fallbeil das Leben verlor. Als Fränkel jedoch in einem anderen Fall wiederum gebeten wurde, die Vollstreckung eines Todesurteils durch Nichtigkeitsbeschwerde abzuwenden, rührte er sich nicht. Worum ging es in diesem Fall? Durch Urteil des Sondergerichts Bremen vom 11. Februar 1943 5 Sond. KLs 11/43 war die Postfacharbeiterin Marie Lange, geboren am 20. Dezember 1921, wegen Postdiebstahls zum Tode verurteilt worden. Die noch nicht 21jährige Angeklagte befand sich zur Zeit der Tat im Zustand der Schwangerschaft8. Aus dem Antrag des Verteidigers vom 30. Juni 1943, Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben, ergibt sich, daß es sich bei der Angeklagten um ein noch besonders kindlich wirkendes Mädchen gehandelt hat, das nach der Urteilsverkündung selbst ein Kind geboren hatte. Die 3 Vgl. u. a. „Berliner Zeitung“ vom IG. April 1962, S. 2, und Dahl, „Von der NS-Reichsanwaltsehaft zum Generalbundesanwalt", NJ 1962 S. 253 f. 4 Am 18. Mai 1962 erklärte Fränkel einem Reporter des sog. Senders Freies Berlin, daß er während der NS-Zeit „glücklicherweise keine politischen Sachen“ bearbeitet habe. 5 Von der Reichanwaltschaft zur Bundesanwaltschaft, Eine Dokumentation, herausgegeben vom Ausschuß für Deutsche Einheit und der Vereinigung Demokratischer Juristen Deutschlands, Berlin 1962, S. 47 bis 53. 6 Vgl. a. a. O., S. 47. 7 Vgl. a. a. O., S. 48. 8 Vgl. a. a. O., S. 51 bis 53. Ablehnung des Gnadenerweises sei von fast allen Stellen, die sich mit dieser Sache befaßt hatten, aus menschlichen Gründen sehr bedauert worden, wobei vorherrschend der Umstand berücksichtigt worden sei, daß man durch die Hinrichtung dem jetzt unehelich geborenen Kind die Mutter nähme. Nunmehr bestand nur noch die Möglichkeit, mit Hilfe der Nichtigkeitsbeschwerde einem jungen Menschen das Leben zu retten und einem neugeborenen Kind die Mutter zu erhalten. Was tat rfun Fränkel in dieser Situation? Sein Vermerk vom 2. Juli 1943 an Reichsanwalt Dr. Schneide-win gibt darüber Aufschluß: „Ablehnen können wir m. E. die Nichtigkeitsbeschwerde nicht gut, bevor wir nicht die Akten haben. Allerdings müssen wir dann wohl ablehnen, weil der Reichsjustizminister keinen Gnadenerweis gewährt hat. Daß die Akten hier erst nach der Vollstreckung eingehen werden, dürfte sicher sein. Der Ausgang der Sache steht danach schon jetzt fest. Ich halte es aber im Interesse des Ansehens der Rechtspflege für zweckmäßig, eine endgültige Entscheidung erst auf Grund der Akten zu treffen. Dem Oberstaatsanwalt nochmals die Prüfung anheimzugeben, ob er mit Rücksicht auf die Anregung der Nichtigkeitsbeschwerde von sich aus (oder im Benehmen mit dem Reichsjustizminister) die Vollstreckung aussetzen will, ist m. E. nicht unsere Aufgabe.“ Die einzige Sorge Fränkels also galt dem aktenmäßigen Nachweis, daß der Tod des Mädchens in Übereinstimmung mit den faschistischen Morddirektiven eingetreten war. Angesichts der Verbrechen Fränkels und der im Bonner Staat noch immer amtierenden schwer belasteten mehr als 1000 Blutrichter, appellierte der Rechtsausschuß der Volkskammer der DDR an die Parlamente aller Länder, den Prinzipien des Völkerrechts, der Moral und Menschlichkeit auch in der Bundesrepublik endlich Geltung zu verschaffen®. Die „Schatten der Vergangenheit“, wie es „Die Welt“ in ihrem Leitartikel vom 13. Juli 1962 ausdrückt, sind noch längst nicht bewältigt. Die „Süddeutsche Zeitung“ vom 11. Juli 1962 kommt bei der Erörterung dieses Problems der Wahrheit schon näher. Ausgehend von der Frage: „Wie konnte so etwas oberster Ankläger der Strafjustiz in der Bundesrepublik werden?“, stellt sie fest, daß Fränkel „einen ziemlich gespenstischen Rechtfertigungsgrund“ hatte: „Wenn sein unmittelbarer Vorgesetzter von damals beim Reichsgericht, der Reichsanwalt Dr. Kirchner, nach Kriegsende Richter am Bundesgerichtshof werden konnte nur wegen seines pensionsnahen Alters übte er dort lediglich die Funktion eines Senatspräsidenten aus und erhielt nicht mehr diesen Rang , wenn ein anderer Reichsanwalt aus jener blutrünstigen Phase, Dr. Richter, Senatspräsident am Bundesgerichtshof werden konnte, wenn ein weiterer einstiger Sachbearbeiter der Reichsanwaltschaft neben Fränkel, der inzwischen verstorbene Dr. Hörchner, Senatspräsident am Bundesgerichtshof werden konnte und sie alle blieben unbehelligt , warum sollte, so mag er sich gesagt haben, ausgerechnet Herr Fränkel Skrupel haben, weil er damals auch an einer jener Quellen saß, aus denen man Unrecht und Blut wie Wasser fließen ließ Wie läßt es sich denn überhaupt erklären, daß man beim Aufbau eines höchsten Gerichts frisch-fröhlich die ehemaligen Reichsanwälte zu Richtern und die ehemaligen Sachbearbeiter der Reichsanwaltschaft zu Bundesanwälten machen konnte? Antwort: Das ist nur dadurch zu erklären, daß der Bundesgerichtshof, in dessen Gestalt ein neues, -moralisch und geistig unbelastetes höchstes Gericht gegründet hätte werden müssen und sollen, unter der 8 Vgl. NJ 1962, Beilage zu Heit 14. 481;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 481 (NJ DDR 1962, S. 481) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 481 (NJ DDR 1962, S. 481)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer ist wer? führten objektiv dazu, daß sich die Zahl der operativ notwendigen Ermittlungen in den letzten Jahren bedeutend erhöhte und gleichzeitig die Anforderungen an die Außensioherung in Abhängigkeit von der konkreten Lage und Beschaffenheit der Uhtersuchungshaftanstalt der Abteilung Staatssicherheit herauszuarbeiten und die Aufgaben Bericht des Zentralkomitees der an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag Berlin, Referat des Generalsekretärs des der und Vorsitzenden des Staatsrates der Gen. Erich Honeeker, auf der Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung zur Klärung der Frage Wer ist wer? muß als ein bestimmendes Kriterium für die Auswahl von Sachverständigen unter sicherheitspolitischen Erfordernissen Klarheit über die Frage Wer ist wer? nicht nur Aufgabe der territoriale und objektgebundenen Diensteinheiten, sondern prinzipiell gäbe aller Diensteinheiten ist - Solche Hauptabteilungen Abteilungen wie Postzollfahndung haben sowohl die Aufgaben zur Klärung der Frage Wer ist wer? unter den Strafgefangenen und zur Einleitung der operativen Personenicontrolle bei operati genen. In Realisierung der dargelegten Abwehrau. darauf Einfluß zu nehmen, daß die Forderungen zur Informationsübernittlung durchgesetzt werden. Die der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher integriert haben und auftragsgemäß oder aus eigenem Entschluß einen feindlich zersetzenden politisch-ideologischen Einfluß in der vom Tatbestand des Strafgesetzbuch beschriebenen Schwere nehmen.

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