Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 419

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 419 (NJ DDR 1962, S. 419); u.a. aus: „ daß es notwendig ist, die Ursächlichkeit eines bestimmten Verhaltens für den Eintritt eines strafrechtlich bedeutsamen Erfolges einwandfrei festzustellen. Das ist insbesondere bei einem komplizierten Sachverhalt nur möglich, wenn zu diesem Zweck die einzelnen Erscheinungen eines Gesamtzusammenhangs so weit isoliert werden, daß die eine als Ursache und die andere als Wirkung erkennbar wird.“ Ein wesentlicher Mangel der Untersuchungen in dieser Strafsache besteht darin, daß die Ermittlungsorgane und das Kreisgericht sich zu einseitig auf das Verhalten des Angeklagten konzentriert haben, anstatt allseitig im Sinne der Vorschriften der §§ 103, 200 StPO die strafrechtliche Verantwortlichkeit der anderen Beteiligten zu prüfen. Bereits in NJ 1955 S. 632 wird festgestellt, daß bei Strafverfahren wegen fahrlässiger Transportgefährdung Schwierigkeiten und ernste Mängel auf treten. Es heißt dort: „Die Schwierigkeiten bestehen in der Uneinheitlichkeit der Dienstvorschriften Das Bestehen einer großen Zahl der verschiedensten Dienstvorschriften führt dazu, daß diese mitunter im Einverständnis mit den Dienstvorgesetzten nicht gewissenhaft und jedenfalls solange nicht richtig beachtet werden, .solange es gut geht*. Kommt es aber infolge der ständigen Nichtbeachtung zu einem Unfall, dann werden in der Regel nur die unmittelbar am Unfall Beteiligten zur Verantwortung gezogen, meistens die Lokführer, Heizer oder Weichensteller, nicht aber die mitschuldigen Vorgesetzten, die als leitende Verantwortliche von der Nichtbeachtung der Dienstvorschriften Kenntnis hatten und dies duldeten. Das ist höchst unbefriedigend, und es ist Sache der Untersuchungsorgane und der Staatsanwaltschaft, diese Praxis schnell und gründlich zu ändern. Die Kollegen im Betrieb des verurteilten Weichenstellers werden nicht verstehen, daß immer nur die .Kleinen' zur Verantwortung gezogen werden.“ In diesem Zusammenhang ist jedoch überhaupt keine Aufklärung erfolgt. Es ist nicht aufgeklärt worden, ob z. B. der Dienstvorsteher St. oder andere Dienstvorgesetzte des Angeklagten Kenntnis von der Einhaltung oder Nichteinhaltung der einschlägigen Dienstvorschriften durch die ihnen unterstellten Eisenbahner hatten, wie die Einhaltung kontrolliert wurde usw. Betrachtet man das Verhalten der Eisenbahner am Unfalltage, die unmittelbar oder mittelbar mit den Rangiervorgängen zu tun hatten, dann entsteht der Eindruck, daß sie sich ihrer Mitverantwortung für eine ordnungsgemäße Durchführung nur ungenügend bewußt waren. Da das angefochtene Urteil hierzu nur etwas über das Verhalten des Zeugen S. ausführt, ist es erforderlich, auf die vom Kreisgericht bisher unausgewerteten Ergebnisse der eigenen Hauptverhandlung und des Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen zurückzugreifen. Der Zeuge S. gab dem Angeklagten den Auftrag zur Zerlegung und Umbildung der Züge, teilte den ursprünglichen Zug in zwei Teile und sagte dem Angeklagten seine weitere Hilfe zu. Trotzdem entfernte er sich, ohne den Angeklagten davon zu verständigen. Der Angeklagte verließ sich aber nach seinen Angaben darauf, daß der Zeuge S. die einzelnen Rangierabteilungen koppeln würde, weil er dem Angeklagten gesagt haben soll, daß er die Wagen anhalten werde. Der Zeuge H. hat als Stellwerkswärter die Aufgabe, die Weichen und Gleissperrsignale bei Zugfahrten und Rangierbewegungen zu stellen. Er war zunächst nur von der Rangierbewegung auf Gleis 1 unterrichtet und hat in diesem Zusammenhang die entsprechenden Tätigkeiten vorgenommen. Als sich die Rangierabteilung mit der Spitze bereits annähernd auf der Kippe des Ablaufberges befand, kam der Fahrdienstleiter, der Zeuge J., zu ihm an das Fenster und sagte: „Hoffenlich hören die im Gleis 2 bald auf zu drücken, die wollten doch bloß 4 Längen drücken.“ „Zu diesem Zeitpunkt“, so sagte der Zeuge H. aus, „erfuhr ich erst, daß auch im Gleis 2 mit einer Rangierabteilung die dort stehende Wagengruppe einige Längen in Richtung des Ablaufberges gedrückt wurde. Bevor ich weitere Schritte unternehmen konnte, waren beide Rangierabteilungen an der Weiche 36 zu-sammengestroßen. Nach dem Unfall habe ich mich darüber mit dem Fahrdienstleiter J. unterhalten. Aus seinen Worten konnte ich entnehmen, daß er die Zustimmung zur Durchführung von Rangierbewegungen auf Gleis 2 gegeben hat bzw. von der Durchführung solcher Rangierbewegungen wußte.“ Obwohl der Zeuge H. zur Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht geladen und auch ausweislich des Protokolls erschienen war, hat das Kreisgericht unerklärlicherweise auf seine Vernehmung verzichtet. Auf Vorhalt des Sachverständigen hat der Zeuge J. in der Hauptverhandlung ausgesagt: „Ich stellte die Verständigung her, auf Gleis 2 zu drücken. Da nur 4 Längen gedrückt werden sollten und ungefähr 8 frei waren, sagte ich dem Weichenwärter nichts davon. Der Unfall hätte dadurch evtl, vermieden werden können, obwohl die Sicherung für mich gegeben war, da ja nur 4 Längen gedrückt werden sollten.“ Das letztere steht im Widerspruch zur Aussage des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen G. Aus diesen Aussagen ergibt sich, daß möglicherweise der Zusammenstoß vermieden worden wäre, wenn der Zeuge J. den Zeugen H. rechtzeitig verständigt hätte. Auch das weitere Vorbringen des Verteidigers in der Berufungshauptverhandlung ist beachtlich. Wenn es zutreffen sollte, daß der Zeuge H. als Rangiermeister für den gesamten Rangierbetrieb im einheitlichen Rangierbetrieb des Bahnhofs H. und insbesondere für die Koordinierung auf Gleis 1 und 2 verantwortlich war, muß geprüft werden, ob er dann nicht das gleichzeitige Rangieren auf Gleis 1 und 2 hätte unterbinden müssen. Die Tatsache, daß der Angeklagte am Unfalltage im entscheidenden Zeitpunkt auf sich allein angewiesen war, ist auch vom Zeugen St. in der Hauptverhandlung bestätigt worden. Das Kreisgericht wird in der erneuten Hauptverhandlung auf Grund der obigen Hinweise sehr sorgfältig die Ursachen und begünstigenden Umstände aufzuklären haben, die zur konkreten Gemeingefahr und zum Schadensfall führten. Dazu sind alle erwähnten Zeugen eingehend zu vernehmen. Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung ist ein Sachverständigengutachten von einem von der Reichsbahndirektion C. zu benennenden Sachverständigen beizuziehen und der Sachverständige zur Hauptverhandlung zu laden. Erst wenn die Verursachung einwandfrei festgestellt ist, wird das Kreisgericht sich mit der Frage der Schuld auseinandersetzen müssen. Für den Fall, daß sich im Ergebnis der jetzigen Untersuchungen ergibt, daß der Angeklagte durch pflichtwidriges Unterlassen seiner Dienstobliegenheiten, wie sie in den Fahrdienstvorschriften geregelt sind, die Ursachen für die konkrete Gemeingefahr und den Schadensfall gesetzt hat, ist auch zu prüfen, ob er dann nicht bewußt fahrlässig gehandelt hat. Aber auch, wenn das Kreisgericht in diesem Fall eine unbewußte Fahrlässigkeit erkennt, wird es sich sehr sorgfältig mit dem Vorbringen des Angeklagten zu befassen haben, daß er die konkrete Gemeingefahr nicht habe voraussehen können. Die Luftbremsung halte normalerweise zwei Stunden lang an, und bei einer Zugbehandlung innerhalb einer halben Stunde sei es völlig ausgeschlossen gewesen, daß sich, die Luftbremsung habe lösen können. Es sei für ihn folglich nicht vorhersehbar gewesen, daß die 27 Wagen auf;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 419 (NJ DDR 1962, S. 419) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 419 (NJ DDR 1962, S. 419)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit und die dazu erlassenen Bestimmungen für den Verteidigungszustand unter besonderer Berücksichtigung der Kennziffer. Das Ziel der spezifisch-operativen Informations- und Auswertungstätigkeit unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes. Im Einsatzplan sind auszuweisen: die Maßnahmen der Alarmierung und Benachrichtigung die Termine und Maßnahmen zur Herstellung der Arbeits- und Einsatzbereitschaft die Maßnahmen zur Sicherung der gerichtlichen Hauptverhandlung sind vor allem folgende Informationen zu analysieren: Charakter desjeweiligen Strafverfahrens, Täter-TatBeziehungen und politisch-operative Informationen über geplante vorbereitete feindlich-negative Aktivitäten, wie geplante oder angedrohte Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte, demonst rat Handlungen von Sympathiesanten und anderen negativen Kräften vor dem oder im rieht sgebä ude im Verhandlungssaal, unzulässige Verbindungsaufnahmen zu Angeklagten, Zeugen, insbesondere unmittelbar vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufgeklärt und daß jeder Schuldige - und kein Unschuldiger - unter genauer Beachtung der Gesetze zur Verantwortung gezogen wird. sstu. Die Rechte und Pflichten inhaftierter Beschuldigter ergeben; sich aus verschiedenen Rechtsnormen: Verfassung der - Strafprozeßordnung Gemeinsame Anweisung des GeneralStaatsanwalts der des Ministers für Staatssicherheit, des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der Befehle und Weisungen des Genossen Minister gerichtete, wissenschaftlich begründete Orientierung für eine den hohen Anforderungen der er Oahre gerecht werdende Untersuchungsarbeit gegeben.

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