Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 401

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 401 (NJ DDR 1962, S. 401); diesen im Einzelfall konkret herauszuarbeiten, ohne genau alle objektiven und subjektiven Umstände des Verkehrsunfalls usw. zu untersuchen. Durch diese Voreingenommenheit verschließen sich die Richter und Staatsanwälte oft selbst den Weg zu den Strafen ohne Freiheitsentzug. Die Gesellschaftsgefährlichkeit ist keine feststehende Größe, auch nicht bei gleichartigen Handlungen. Das ganze Problem ist doch viel differenzierter. Aus der Tatsache z. B. des Alkoholgenusses schlechthin können doch der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit und die erforderliche Strafe nicht abgeleitet werden. Bereits im Beschluß vom 30. Januar 1961 über die weitere Entwicklung der Rechtspflege wies der Staatsrat darauf hin, daß die „sozialistische Gesetzlichkeit die allseitige, genaue Beachtung des gesetzlichen Tatbestandes (verlangt). Nur so kann der Grad der Gesellschaftsgefährlichkeit der Rechtsverletzung erkannt werden.“14 Im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen für die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung weist uns der Beschluß vom 24. Mai 1962 erneut darauf hin. Auch bei der Anwendung der neuen Straf arten müssen diese Hinweise beachtet werden. Denn unsere Untersuchungen haben ergeben, daß die gesetzlichen Bestimmungen im StEG über die Voraussetzungen der Anwendung der neuen Strafarten teilweise nicht exakt beachtet werden und entweder die objektiven Tatumstände oder aber die Täterpersönlichkeit einseitig zur Grundlage der Entscheidungen gemacht werden. So heißt es z. B. in einem Urteil: „Wenn das Gericht trotz des Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit in Anwendung des § 1 StEG zu einer bedingten Verurteilung kam, so liegt das ausschließlich (von uns hervorgehoben d. Verf.) an dem bisherigen Verhalten des Angeklagten.“ Eine solche Auffassung widerspricht sowohl dem Inhalt des § 1 StEG als auch dem Rechtspflegebeschluß. Der Entscheidung ist im Ergebnis durchaus zuzustimmen; aber nicht auf Grund der isolierten, positiven Einschätzung des Angeklagten, sondern weil die gesamten Tatumstände, die Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, der Grad des Verschuldens und die in der Person des Täters liegenden guten Eigenschaften dies rechtfertigten. Ein weiteres Beispiel soll zeigen, wie, ausgehend von der „allgemeinen Gesellschaftsgefährlichkeit“, die konkrete Handlung nicht auf der Grundlage des Einzelfalls eingeschätzt wurde, wodurch die subjektive Seite und die Person des Täters ungenügend beachtet wurden. In einer Strafsache hatte sich der Kraftfahrer K. wegen Verstoßes gegen § 49 StVO zu verantworten. Er hatte während einer Fahrt Alkohol getrunken, war von der Verkehrspolizei angehalten und der Trunkenheit am Steuer überführt worden. In seiner Vernehmung gab er zu, daß er auch in der Vergangenheit während seines Dienstes ab und zu getrunken habe. Seitens des Betriebes wird er als fleißiger, hilfsbereiter und zuverlässiger Kollege eingeschätzt. Er wurde zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Zur Begründung der Gesellschaftsgefährlichkeit heißt es im Urteil: „Der Angeklagte stellte also in unserer Gesellschaft eine Gefahr dar, wodurch in jeder Weise die gesamte Gesellschaft geschädigt wurde.“ Weiter wird ausgeführt: „ auf Grund der Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat und unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit (die durch das Geständnis, schon des öfteren im angetrunkenen Zustand mit seinem Lkw gefahren zu sein, im Urteil sehr negativ eingeschätzt wurde d. Verf.) ist klar zu erkennen, daß er nur im Strafvollzug umerzogen werden kann.“ Eine konkrete Einschätzung der Tat erfolgte nicht, sondern es wurde die allgemeine Gefährlichkeit solcher Handlungen dargelegt. Das führte dazu, daß der allseitigen tatbezogenen Beurteilung des Täters sowie der Erziehungskraft seiner Brigade nicht mehr die notwendige Beachtung geschenkt wurde. Die Ursache für solche Auffassungen und wenig überzeugenden Entscheidungen muß neben der bereits genannten schematischen Einschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit darin gesehen werden, daß das Verhältnis zwischen der objektiven Tat einschließlich der Folgen und den subjektiven Momenten, dem Ausmaß des Verschuldens, und der Täterpersönlichkeit nicht gesehen wird. Besonders bei den fahrlässigen Verkehrsdelikten müssen grundsätzlich mit dem Umfang des Verschuldens die Beziehungen der objektiven Tat zur Täterpersönlichkeit herausgearbeitet werden, woraus sich wichtige Schlußfolgerungen für die Bewertung des Subjekts ergeben. In der Regel finden gerade im Umfang der Schuld die Einstellung des Täters zum verletzten Objekt sowie sein gesellschaftliches Gesamtverhalten ihren konkreten Niederschlag. Oft steht bei diesen Delikten das Geschehen mit seinen Folgen im krassen Widerspruch zum sonstigen Verhalten des Angeklagten. Bürger, die in der Vergangenheit gegenüber ihren Mitmenschen eine hohe moralische Einstellung gezeigt haben, werden häufig durch eine nur auf Sekunden beschränkte Unachtsamkeit zu Gesetzesverletzern. Bei diesen Tätern ist auch der Umfang der Schuld meistens sehr gering. In einer Strafsache hatte sich der Angeklagte wegen Verstoßes gegen die StVO in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung zu verantworten. Der Angeklagte befuhr eine Hauptstraße in P. mit einer Geschwindigkeit von 35 km/h. Eine ältere Frau überquerte zu dieser Zeit die Straße. Auf der Straßenmitte blieb sie kurz stehen. Der Angeklagte hatte Hupzeichen gegeben und war der Ansicht, daß die Frau diese wahrgenommen habe und deshalb stehengeblieben sei. Deshalb verringerte der Angeklagte auch seine Geschwindigkeit nicht. Da aber die Frau im gleichen Augenblick weiterging, kam es zu einem Zusammenstoß. An den Folgen des Unfalls verstarb die Frau kurz darauf. Für den Angeklagten hätte die Pflicht bestanden, seine Fahrgeschwindigkeit zu verringern. Man mußte von ihm erwarten, daß er die Gefährlichkeit der Situation erkannte und sein Verhalten entsprechend einrichtete. Dennoch ergibt sich, daß sich der Angeklagte nur in geringem Maße fahrlässig verhalten hat, wobei das Vergehen insgesamt in völligem Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten steht. Der Umfang der Schuld zeigt sich hier in engster Verbindung zum bisherigen gesellschaftlichen Verhalten. Der Angeklagte war jahrelang Angehöriger der Verkehrspolizei, und als solcher hat er mit dazu beigetragen, Menschenleben zu schützen und die allgemeine Sicherheit zu gewährleisten. Es geht darum, die Qualität dieses Widerspruchs allseitig herauszuarbeiten. Das aber ist nur über die genaue Beachtung des Umfangs der Schuld möglich. In der Qualität und Quantität der Schuld zeigen sich wichtige Momente der Täterpersönlichkeit, die für die Bewertung und Einschätzung des Subjekts Berücksichtigung finden müssen. Eine solche Verbindung zu ziehen, wird zur Beseitigung einer Reihe von Mängeln führen. Dadurch wird erreicht, daß die konkrete Qualität des Widerspruchs herausgearbeitet wird, was die richtige Bestimmung der Strafart erleichtert. Weiterhin wird durch die Herausarbeitung dieses Verhältnisses zwischen Schuld und sonstigem Verhalten das Nebeneinander von Tat und Persönlichkeit des Täters in den Urteilen überwunden, weil ganz konkret die negativen Momente, die zur strafbaren Handlung führten, abgegrenzt und tatbezogen dargelegt werden müssen. Jeglicher gefühlsmäßigen Entscheidung, die mit der dog- 401 14 Vgl. NJ 1961 S. 74.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 401 (NJ DDR 1962, S. 401) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 401 (NJ DDR 1962, S. 401)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Die Organisierung und Durchführung von Besuchen verhafteter Ausländer mit Diplomaten obliegt dem Leiter der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen abzustimmen. Die weiteren Termine für Besuche von Familienangehörigen, nahestehenden Personen und gesellschaftlichen Kräften werden in der Regel vom Untersuchungsführer nach vorheriger Abstimmung mit den Leitern der Abteilungen der Abteilung Staatssicherheit Berlin und den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen am, zum Thema: Die politisch-operativen Aufgaben der Abteilungen zur Verwirklichung der Aufgabenstellungen des Genossen Minister auf der Dienstkonferenz am Genossen! Gegenstand der heutigen Dienstkonferenz sind - wesentliche Probleme der internationalen Klassenauseinandersetzung und die sich daraus für Staatssicherheit ergebenden politisch-operativen Schlußfolgerungen, die sich aus dem Transitabkommen mit der den Vereinbarungen mit dem Westberliner Senat ergebenden neuen Bedingungen und die daraus abzuleitenden politisch-operativen Aufgaben und Maßnahmen und - andere, aus der Entwicklung der politisch-operativen Lage an der Staatsgrenze der und den daraus resultierenden politisch-operativen Konsequenzen und Aufgaben. Es handelt sich dabei vor allem um neue Aspekte der politischoperativen Lage an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Bearbeitung; den Einsatz qualifizierter erfahrener operativer Mitarbeiter und IM; den Einsatz spezieller Kräfte und Mittel. Die Leiter der Diensteinheiten, die Zentrale Operative Vorgänge bearbeiten, haben in Zusammenarbeit mit den Leitern der Diensteinheiten, die Teilvorgänge bearbeiten, zu sichern, daß alle erforderlichen politisch-operativen Maßnahmen koordiniert und exakt durchgeführt und die dazu notwendigen Informationsbeziehungen realisiert werden. Organisation des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

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