Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 390

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 390 (NJ DDR 1962, S. 390); Kurvensicherheit an ihn größere Anforderungen als an einen Pkw-Fahrer. Sein Grenzwert wird deshalb vergleichsweise prinzipiell niedriger liegen. Neben der Fahrzeugart spielen aber auch unterschiedliche Licht-und Sichtverhältnisse ebenso wie die allgemeinen Straßenverhältnisse eine bedeutende Rolle. Der absolute Grenzwert von 1,5 %o wird durch jeden einzelnen dieser Faktoren eine mehr oder weniger erhebliche Verminderung erfahren. Summieren sich alle die Leistungskapazität eines Kraftfahrers ausschöpfenden Faktoren, so kann ohne weiteres dieser Grenzwert z. B. im Einzelfall schon bei 0,3 %0 liegen. Wo sich abnehmende Fahrtüchtigkeit infolge Alkoholgenusses und zunehmende Anforderungen, die der Verkehr stellt, kreuzen, da liegt die aktuelle individuelle Grenzschwelle! Das bedeutet, daß unter Umständen schon ein Glas Bier bei Zusammentreffen ungünstiger Faktoren zu einer erheblich verminderten Fahrtüchtigkeit führen kann. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind klar. Es kann bei uns in der DDR nicht darum gehen, einen niedrigeren Grenzwert zu postulieren, sondern nur darum, dem Kraftfahrer absolut und kompromißlos jeglichen Alkoholgenuß zu verbieten. Ja, es muß ihm klar sein, daß er, je nach den Umständen, auch mehrere Stunden vor Antritt einer Fahrt keinen Alkohol trinken darf. Dies muß das Ziel unserer Erziehung sein! § 5 der Straßenverkehrsordnung besagt, daß ein Kraftfahrer bei Antritt und während der Fahrt nicht unter Einwirkung von Alkohol oder Rauschgiften stehen darf. Einwirkung ist worauf mehrere Kommentare hinweisen nicht mit Auswirkung gleichzusetzen. Eine Einwirkung liegt vor, wenn auch nur eine geringe Menge Alkohol getrunken wurde; auf die Auswirkungen kommt es dabei primär gar nicht an! Es kann selbstverständlich nicht dem einzelnen überlassen werden, zu entscheiden, ob die genossene Menge Alkohol sich bereits auf die Sicherheit im Straßenverkehr auswirken könnte. Es ist deshalb ein Zeichen völliger Sachunkenntnis hinsichtlich der allgemein bekannten biologischen Alkoholwirkung und einer Angst vor der Alkohol erzeugenden und vertreibenden Industrie, wenn der westdeutsche Justizminister Stammberger anläßlich einer Debatte wegen des neuen Alkoholgrenzwerts von 0,8 % meinte: ,.Der Kraftfahrer muß lernen, wieviel er trinken darf, ohne im Straßenverkehr eine Gefährdung darzustellen!“ Bedenkt man, daß bei der heutigen Verkehrssituation nur eine optimale Verkehrstüchtigkeit den Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet, so ist es verständlich, daß es, ärztlich gesehen, keinen Grenzwert im juristischen Sinne geben kann. Daß dies auch biologisch gesehen unmöglich- ist, wird einleuchtend, wenn man überlegt, daß bei der derzeitigen Rechtsprechung in Westdeutschland bei 1,5 % mit Recht! eine Fahruntüchtigkeit angenommen wird, bei 1,49 %o dagegen diese nicht mehr als gegeben unterstellt werden kann. In Wirklichkeit handelt es sich doch um fließende Übergänge, so wie beim Eintreten der Dunkelheit am Abend; nur juristisch kann eine so scharfe Zäsur postuliert werden! In diesem Zusammenhang ist es notwendig, einige Sätze aus der Entscheidung unseres Obersten Gerichts vom 4. März 1960 - 3 Ust V 1/59 - (NJ 1960 S. 284) anzuführen: „Die Auffassung, daß eine erhebliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit erst bei einem Alkoholspiegel von 1,5 %o und darüber gegeben ist, beruht auf einer schematischen Anwendung der von der medizinischen Wissenschaft auf der Grundlage von Blutalkoholbestimmungen gegebenen Einschätzung der Alkoholbeeinflussungsgrade. Es handelt sich dabei um allgemeine Erfahrungswerte, deren Grenzen im Rahmen der jeweiligen Staffelungen der Alkoholkonzentrationen flüssig sind. Bei der Beurteilung des konkreten Falles müssen sie unter dem Gesichtspunkt der individuellen physischen und psychischen Besonderheiten des jeweiligen Täters zur Zeit der Alkoholaufnahme betrachtet werden Die Blutälkoholbestimmung ist ein wichtiges Beweismittel Sie ist jedoch nicht das alleinige und ausschließliche Beweismitel.“ Diese Stellungnahme des Obersten Gerichts entspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Schlußfolgerungen Auch bei Alkoholdelikten im Straßenverkehr müssen alle Umstände in ihrer Gesamtheit bei der Einschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit Berücksichtigung finden. Die Beobachtung und Einschätzung aller konkreten Umstände ist erforderlich, wobei der Blutalkoholwert zwar ein außerordentlich gewichtiges, aber doch nicht das alleinige und ausschließliche Beweismittel darstellt. Ein kritikloses Gleichsetzen von Blutalkoholgehalt und Maß der Leistungsminderung stellt dabei eine Vereinfachung dar, die dem wissenschaftlichen Tatbestand nur bedingt gerecht wird. Die Alkoholtoleranz kann bei den einzelnen Menschen und auch bei demselben Menschen erhebliche Schwankungen aufweisen. Die körperliche und geistige Konstitution, die jeweiligen äußeren und inneren Umstände und noch andere, oft unabwägbare Momente können zu einer Veränderung dieser Toleranzschwelle führen bzw. diese bedingen. Neben diesen äußeren und inneren Umständen bedarf es bei der Gesamtbeurteilung einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit; erst dann ist eine umfassende Beurteilung des jeweiligen Falles sichergestellt und die Gefahr eines gefährlichen Schematismus gebannt. Es ist aber anzuerkennen, daß der menschlichen Leistungsfähigkeit unter Alkohol eine gewisse Grenze gesetzt ist und es unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, charakterlicher Struktur, der jeweiligen physischen und psychischen Ausgangslage und Reaktionslage letztlich auch eine allgemeingültige Grenze dieser Leistungsfähigkeit unter Alkohol gibt. Steht eine mögliche alkoholbedingte, erheblich beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit zur Diskussion so sollte neben anderem folgendes Berücksichtigung finden: Deutet die Fahrweise auf eine alkoholische Beeinflussung hin? Wurde u. a. im Hinblick auf die Verkehrssituation zu schnell gefahren, wie war das Verhalten beim Überholungsvorgang, zeigten sich Anzeichen für ein verändertes Raum- und Tiefensehen, wie war die Art des Befahrens von Kurven, wurde die unterschiedliche Straßenlage berücksichtigt, wurde die vorgeschriebene Fahrbahn eingehalten? usw. Ereignete sich ein Unfall, so soll nicht prinzipiell auch bei nachgewiesener Fahruntüchtigkeit die Schuld am Unfall dem Verkehrsuntüchtigen gegeben werden, wie dies leider noch manchmal ohne ernste Überprüfung des Falles geschieht. Die Gründe des Unfalls sind genau zu analysieren, und es sind alte Hinweise zu beachten, die auf eine alkoholbedingte Veränderung des Reaktionsverhaltens beim Unfallgeschehen hindeuten. Die Ergebnisse der Zeugenaussagen und des Beschuldigten sind eingehend zu analysieren. Die ärztlich festgestellten Symptome sind genügend und kritisch zu berücksichtigen. Das Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung ist zu verwerten. Dazu einige weitere Bemerkungen: Selbstverständlich ist nur der Blutalkoholgehalt zum Zeitpunkt der Tat von Bedeutung; das bedeutet, daß in den meisten Fällen eine Rückrechnuns auf die Tatzeit notwendig ist. Aus meiner langjährigen Erfahrung heraus muß ich leider feststellen, daß dabei manchmal entscheidende Fehler gemacht werden. Ich halte es deshalb für unbedingt notwendig, in allen irgendwie un- 390;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 390 (NJ DDR 1962, S. 390) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 390 (NJ DDR 1962, S. 390)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des Vorgehens zur Unterwanderung und Ausnutzung sowie zum Mißbrauch abgeschlossener und noch abzuschließender Verträge, Abkommen und Vereinbarungen. Verstärkt sind auch operative Informationen zu erarbeiten über die Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit., der Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit, der Schaffung einer sogenannten inneren Opposition, der Organisierung und Inspirierung von Bürgern der zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem Einsatz der und der Arbeit mit operativen Legenden und Kombinationen den zweckmäßigen Einsatz aller anderen, dem Staatssicherheit zur Verfügung stehenden Kräfte, Mittel und Methoden bearbeitet. Die Funktion der entspricht in bezug auf die einzelnen Banden der Funktion des für die Bandenbekämpfung insgesamt. Mit der Bearbeitung der sind vor allem die aufgabenbezogene Bestimmung, Vorgabe Übermittlung des Informationsbedarfs, insbesondere auf der Grundlage analytischer Arbeit bei der Realisierung operativer Prozesse, die Schaffung, Qualifizierung und der konkrete Einsatz operativer Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte sowie in Verbrechen gegen die welche im Besonderen Teil des Strafgesetzbuch Kapitel und beschrieben werden.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X