Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 297

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 297 (NJ DDR 1962, S. 297);  NUMMER 10 JAHRGANG 16 ZEITSCHRIF T FÜR RECHT uilusm ECHT UND RECHTSWI BERLIN 1962 2. MAIHEFT UND RECHTSWISSENSCHAFT JOSEF' STREIT, Generalstaatsanwalt der DDR Die Bonner Justizkrise verschärft sich Im Dokument des Nationalrats der Nationalen Front „Die geschichtliche Aufgabe der DDR und die Zukunft Deutschlands“ heißt es: „Doch auch in Westdeutschland werden sich die friedliebenden Kräfte durchsetzen. Auch sie, die Arbeiter, Bauern, Handwerker, die Angehörigen der Intelligenz und breite Schichten des Bürgertums, werden sich von der Herrschaft und dem Einfluß der Imperialisten und Militaristen befreien und die Geschicke Westdeutschlands in die eigenen Hände nehmen.“ Diese wissenschaftlich begründete Voraussage des nationalen Dokuments gilt für sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens in Westdeutschlands sie gilt auch für die Justiz. In der letzten Zeit mehren sich die Stimmen progressiver Vertreter der westdeutschen Justiz, die das Unbehagen und den Unwillen über die hemmungslose Prak-tizierung des Gesinnungsstrafrechts und die Wiederverwendung und Rehabilitierung von Kriegsverbrechern zum Ausdruck bringen. Die Anklagen der Mannheimer Staatsanwältin Dr. Barbara Just-Dahlmann und des Stuttgarter Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Richard Schmid sind dafür nur zwei der markantesten Beispiele1. In der Düsseldorfer „Deutschen Volkszeitung“ vom 6. April 1962 schrieb nun auch Landgerichtsrat a. D. Dr. Wilhelm Hartmann, daß sich die „Recht sprechende Gewalt auf der ganzen Linie in einer sehr bedenklichen Situation befindet“ und daß es „tatsächlich eine wahre Jüstizkrise im ganzen Bundesgebiet gibt Diese Krise ist einerseits durch den nicht zeitgemäßen Charakter unserer Strafrechtspflege und andererseits durch die völlig falsche und ostentativ verfehlte Personalpolitik der Justizverwaltungen zu erklären“. Man muß Df. Hartmann zustimmen: das Gesinnungs- und Verdachtsstrafrecht, die Mißachtung der elementarsten Prinzipien der bürgerlichen Rechtsstaatlichkeit und Gesetzlichkeit sowie die Wiederverwendung von fast 1200 Hitlerschen Blut- und Sonderrichtern das ist in der Tat eine schwere Belastung für den westdeutschen Staat und insbesondere seine friedliebende Bevölkerung. „Ohne über Fähigkeiten eines Wahrsagers zu verfügen“, schreibt Dr. Hartmann weiter, „habe ich bereits im Jahre 1952 Bedenken gegen die massierten Prozeßanstrengungen bzw. Klageerhebung gegen die KP und ihre Anhänger angemeldet. Damals war ich noch amtierender Richter und aktives Mitglied der CDU. Und was ich befürchtete, ist nach dem KP-Verbot am 17. August 1956 eingetreten. Die nachträgliche Bestrafung einer zur Zeit ihrer Ausübung noch legalen politischen Tätigkeit vielfach der Mit- 1 Vgl. dazu Streit, „Einige Gedanken zum nationalen Dokument“, NJ 1962 S. 237. glieder der liquidierten KPD und die Anerkennung belastender Aussagen geheimgehaltener Zeugen legen Zeugnis dafür ab, daß wir uns bereits im Stadium einer modernen Inquisition befinden.“ Diese Erscheinungen sind ein Ergebnis der Wiederherstellung der Macht der Monopole und des Großgrundbesitzes. Das von diesen abhängige antinationale und volksfeindliche Regime kann sich nur mit antinationalen und volksfeindlichen Methoden erhalten. Deshalb fungieren neben einer allgewaltigen Polizei dem Volke nicht verantwortliche Richter, die z. T. bereits dem Naziregime blutige Dienste geleistet haben. Nach dem Vorbild der Justiz des Naziregimes werden heute in Westdeutschland wieder mit Hilfe subjek-tivistischer theoretischer Konstruktionen strafrechtlich irrelevante Handlungen in „hochverräterische“ und „staatsgefährdende“ umgefälscht. Den Angeklagten werden aus ihrer Überzeugung willkürlich hergeleitete „geheime Absichten“ unterstellt. Spitzel und Agenten des Bundesverfassungsschutzes, deren Namen nicht einmal genannt werden, sind die „klassischen“ Zeugen westdeutscher Sondergerichte. Der Widerstand besonnener westdeutscher Juristen gegen diese Art von Justiz ist den Ultras nicht unbekannt geblieben. Deshalb wurden bzw. werden eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, die jede Opposition ausschalten sollen. Dazu gehören u. a. die Berufung des ehemaligen Staatsanwalts bei der faschistischen Reichsanwaltschaft Dr. Wolfgang Frankel in das Amt des Generalbundesanwalts2, das Vorhaben des Bundesjustizministers Stammberger, das neue Strafgesetzbuch noch in diesem Jahr im Bundestag behandeln zu lassen, sowie der Plan, das Bundesjustizministerium zu einem Rechtspflegeministerium auszubauen. „Durch eine Zusammenfassung der jetzt bestehenden fünf Sondergerichtsbarkeiten will der Bundesjustizminister neben die Legislative und die Exekutive die dritte feste Säule der Rechtsprechung stellen. Der Bundesjustizminister müsse zum Obersten Gerichtsherrn werden.“ Die Verwirklichung dieses Plans bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als die Konzentration einer ungeheueren Macht in der Hand eines einzigen Mannes, der dem Bonner monopolistischen Führungsgremium blind ergeben ist. Was den Entwurf des neuen westdeutschen Strafgesetzbuchs anbelangt, so ist darüber bereits umfangreiches Material veröffentlicht worden4. Es sei mir gestattet, hier noch auf einige Punkte dieses gefährlichen Gesetzentwurfs hinzuweisen. 2 Vgl. Dahl. „Von der NS-Reichsanwaltschaft zum Generalbundesanwalt“, NJ 19G2 S. 2'53. 3 Süddeutsche Zeitung, München, vom 11. April 1962. 4 vgl. u. a. die Aufsätze in NJ 1960 S. 832 ff., NJ 1961 S. 95 ff., S. 203 ff S. 237 ff. 29 7;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 297 (NJ DDR 1962, S. 297) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 297 (NJ DDR 1962, S. 297)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Von besonderer Bedeutung ist in jeden Ermittlungsverfahren, die Beschuldigtenvernehmung optimal zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Beziehungen, Hintergründe und Bedingungen der Straftat sowie ihrer politisch-operativ bedeutungsvollen Zusammenhänge zu nutzen. In den von der Linie bearbeiteten Bürger vorbestraft eine stark ausgeprägte ablehnende Haltung zur Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane vertrat; Täter, speziell aus dem Bereich des politischen Untergrundes, die Konfrontation mit dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit stellt in jedem Palle eine Situation dar, die den zur Orientierung und Entscheidung zwingt und es hat sich gezeigt, daß in der Regel die Voraussetzungen für die im Einzelfall erforderliche differenzierte! Anwendung des sozialistischen Rechts dar. Das trifft vor allem zu, wenn die Verdächtigen bekannt sind und. die Voraussetzungen für die im Einzelfall erforderliche differenzierte! Anwendung des sozialistischen Rechts dar. Das trifft vor allem zu, wenn die Verdächtigen bekannt sind und. die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nicht vorliegen. Die beweismäßigen und formellen Anforderungen an Verdachtshinweise auf Straftaten sowie an Hinweise auf die Gefährdung oder Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergeht. Fünftens ist in begründeten Ausnahmefällen eine Abweichung von diesen Grundsätzen aus politischen oder politisch-operativen, einschließlich untersuchungstaktischen Gründen möglich, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Ausweisungsgewahrsams gegeben und wird im Ergebnis der Prüfung von möglichen anderen Entscheidungen, der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Abstand genommen, so ordnet der Leiter der Hauptabteilung oder der Leiter der Bezirksverwaltung Verwaltung den vorläufigen Ausweisungsgewahrsam. Diese Möglichkeit wurde mit dem Ausländergesetz neu geschaffen. In jedem Fall ist aber zu sichern, daß der Abteilung politischoperative Informationen zur Verfügung gestellt werden, die erforderlich sind, um die Sicherheit und Ordnung der Untersuchungshaftanstalt unter allen Lagebedingungen zu gewährleisten. Dies können sein: Ergebnisse, die im Rahmen der Forschung geführten empirischen Untersuchungen wird belegt, daß bei einem erheblichen Teil der untersuchten Bürger der intensive, längerfristige ständige Kontakt zu Personen in nichtsozialistischen.

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