Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 286

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 286 (NJ DDR 1962, S. 286); hitlerfaschistischem Vorbild aufgebauten politischen Sonderstrafjustiz in Westdeutschland enthält, zeigen: Die deutschen Militaristen und Imperialisten forcieren im Interesse der Sicherung der Atomkriegspolitik und ihrer überlebten Herrschaft die strafrechtliche Gesinnungsverfolgung, die der Verfasser mit Recht als „Bürgerkriegsjustiz und -reehtsprechung“ bezeichnet. Die Schrift Possers trägt dazu bei, die scheindemokratische Maske der Bonner Justiz zu lüften. In der Einleitung stellt sich Posser das Ziel, „aus der Sicht des Verteidigers praktische Fragen aus Staats-schutzprozessen aufzugreifen“. Er beschäftigt sich im Teil A hauptsächlich mit der Anwendung der sog. Staatsgefährdungsbestimmungen3 4 und behandelt im Teil B Probleme wie die Ablehnung von Beweisanträgen der Verteidiger, die Vernehmung von Belastungszeugen, Zeugen vom Hörensagen usw. Ein Teil der Fragen, mit denen sich Posser auseinandersetzt, war bereits Gegenstand von Abhandlungen in dieser Zeitschrift; vieles aber ist neu. Neu sind insbesondere die vielen empörenden Beispiele imperialistischer Klassenjustiz, wie sie in den strafrechtlichen Gesinnungsprozessen gegen fortschrittliche Menschen Tag für Tag auf-treten und vom Verfasser anschaulich geschildert werden. Auf ihre Wiedergabe soll hier besonderer Wert gelegt werden. Bei der Behandlung der sog. Staatsgefährdungsbestimmungen (§§ 88 bis 98 des westdeutschen StGB) hebt der Autor eingangs hervor, daß es sich wie selbst ein Sprecher der CDU/CSU am 8. Februar 1957 im Bundestag feststellte um Waffen im Kalten Krieg handele. Diese politische Zweckbestimmung habe schwerwiegende juristische Konsequenzen schon hinsichtlich der Abfassung der Tatbestände. Am Beispiel des § 93 StGB'* weist der Verfasser nach, daß es sich um keine klaren, objektiven Tatbestände, sondern um wertausfüllungsbedürftige „schlagwortartig formulierte Tatbestandsmerkmale“ handele bzw. um Normen, „deren objektiver Tatbestand keinerlei Unrechtsgehalt besitzt, sondern (die) ihre strafrechtliche Kennzeichnung erst durch eine bestimmte Absicht des Täters“ erhalten. Aus den von Posser angeführten Beispielen drängt sich die Schlußfolgerung auf, die seit Jahren von demokratischen Juristen gezogen wurde5: Die unbestimmte Abfassung der Tatbestandsmerkmale und die Subjekti-vierung der Tatbestände sollen der imperialistischen Klassenjustiz die Verurteilung der Gegner der Bonner Atomkriegspolitik erleichtern. Es sei in diesem Zusammenhang auch an den Artikel „Kritisches zu unserer politischen Justiz“ des Stuttgarter Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Richard Schmid erinnert, der in der Hamburger Zeitschrift „Die Zeit“ vom 29. Dezember 1961 „eine Reihe von Tatbeständen“ im „Abschnitt Staatsgefährdung“ mit den Worten charakterisierte: „Man hat ein Verhalten, in dem der normale Zeitgenosse nichts Strafbares erblickt, aus Gründen des inneren oder äußeren politischen Machtkampfes oder gar der polizeilichen Zweckmäßigkeit ,pönalisiert'.“ Bei der Anwendung des § 90 a StGB6 weist der Ver- 3 Gemeint sind die §§ 88 bis 98 des 1. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. August 1951. 4 Abs. 1 dieser Bestimmung lautet: „Wer Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen, durch deren Inhalt Bestrebungen herbeigeführt oder gefördert werden sollen, die darauf gerichtet sind, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder zur Unterdrückung der demokratischen Freiheit einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben, 1. herstellt, vervielfältigt oder verbreitet oder 2. zur Verbreitung oder Vervielfältigung vorrätig hält, bezieht oder in den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes einführt, wird mit Gefängnis bestraft.“ r Siehe z. B. Staat ohne Recht, Berlin 1959, S. 87 ff. 6 Vgl. dazu auch Pfannenschwarz, „Zum reaktionären Cha- rakter der sog. Staatsschutzbestimmungen im Bonner Regie- rungsentwurf eines neuen Strafgesetzbuchs“, NJ 1961 S. 203 ft. fasser darauf hin, daß „Bundestags-, Landtags- und Kreistagsabgeordnete, Redakteure an kommunistischen Tageszeitungen, Geschäftsführer und Gesellschafter von Verlagen und Druckereien der KPD“ auf Grund dieser Bestimmung wegen ihrer politischen Tätigkeit vor dem Verbot der KPD verurteilt wurden. Es bleibe bedauerlich, daß im rechtswissenschaftlichen Schrifttum nie die Bedenklichkeit dieses Paragraphen im Verhältnis zu den Grundgesetzartikeln 21 (Parteienprivileg) und 103 Abs. 2 (Rückwirkungsverbot) gerügt worden sei. Erst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 1961 (AZ 2 BvR 27/60)7 seien nicht nur Strafurteile des Bundesgerichtshofes aufgehoben, sondern sei auch erstmalig eine Vorschrift des Strafgesetzbuches für nichtig erklärt worden. Sehr scharf wendet sich Posser dagegen, daß politische Gegner der Regierungspolitik nach § 129 StGB8 verurteilt werden. Bis zur Neufassung des Tatbestandes durch das Strafrechtsänderungsgesetz von 1951 fielen wie der Verfasser darlegt darunter ausschließlich „Gangstervereine, sog. Ringvereine der Berufsverbrecher, die gemeinsam Straftaten planen, durchführen und einen Teil des Beuteerlöses an den Verein abfüh-ren, damit davon hilfsbedürftige ,Vereinskameraden' unterstützt werden können“. Die Auswirkungen dieser faschistischen Spruchpraktiken zeigt der Verfasser an folgendem Beispiel: „Als Rädelsführer der KPD nach § 90 a und § 129 wurde ein Redakteur an einer kommunistischen Tageszeitung verurteilt, der nicht einen einzigen Artikel mit beleidigendem Inhalt geschrieben hatte, nicht vorbestraft war und einen vorzüglichen Leumund besitzt.“ Der Verfasser weist mit Recht darauf hin, daß einerseits Kommunisten, die jahrelang gegen das hitlerfaschistische Gewaltregime kämpften, mittels einer derart diskriminierenden Strafbestimmung wie der des § 129 StGB verfolgt werden, während andererseits Führer der SS, einer Organisation also, die in Nürnberg für verbrecherisch erklärt wurde, heute wieder gefördert werden und z. B. in maßgeblichen Stellen der Polizei und Kriminalpolizei sitzen. Wörtlich schreibt der Verfasser: „Die Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr Polizeifachabteilung hat in verschiedenen Veröffentlichungen in den Jahren 1959/60 unter Vorlage exakten 'Materials nachgewiesen, daß von den 33 leitenden Stellen in der Kriminalpolizei des Landes Nordrhein-Westfalen zwanzig von ehemaligen SS-Sturmbannführern und SS-Hauptsturmführern besetzt sind, darunter die Chefpositionen der Kriminalpolizei in Aachen, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Krefeld, M.-Gladbach, Mülheim (Ruhr). Dabei handelt es sich nur um solche Kriminalbeamte, die freiwillig der SS beigetreten und SS-Führerlehrgänge durchlaufen hatten; nicht um sog. SS-Angleichungsdienstgrade für Kriminalbeamte, die nicht der SS angehörten. In der größten Stadt Nordrhein-Westfalens ist die Kriminalpolizei in den leitenden Funktionen wie folgt besetzt: Leiter und Stellvertreter ehern. SS-Sturmbannführer 4 Gruppenleiter ehern. SS-Sturmbannführer 1 Kriminalkommissar mit dem Gehalt eines Kriminaldirektors war Leiter der Gestapo in Berlin.“ Leider beläßt es Posser bei dieser formalen Gegenüberstellung, ohne daraus praktische Konsequenzen wie die nach der Entfernung der faschistischen Verbrecher aus dem westdeutschen Staatsapparat zu ziehen. Die Kommunisten und über diesen Kreis hinaus immer 7 Das Bundesverfassungsgericht entschied: § 90a Abs. 1 verstößt insoweit gegen Art. 21 GG und ist nichtig, als er das Gründen und Fördern politischer Parteien mit Strafe bedroht. § 90a Abs. 3 ist wegen Verstoßes gegen Art. 21 GG nichtig. 8 § 129 Abs. 1 lautet: „Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, strafbare Handlungen zu begehen. oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, sie sonst unterhält oder zu ihrer Gründung auffordert, wird mit Gefängnis bestraft.“ 286;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 286 (NJ DDR 1962, S. 286) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 286 (NJ DDR 1962, S. 286)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Die mittleren leitenden Kader sind noch mehr zu fordern und zu einer selbständigen Ar- beitsweise zu erziehen Positive Erfahrungen haben in diesem Zusammenhang die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen haben unter den Strafgefangenen, die sich zum Vollzug der Freiheitsstrafe in den Abteilungen befinden, die poitisch-operative Arbeit - vor allem auf der Grundlage der dazu von mir erlassenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen; Gewährleistung der erforderlichen medizinischen Betreuung sowie der notwendigen materiell-technischen Sicherstellung für den ordnungsgemäßen Vollzug der Untersuchungshaft an einzelnen Verhafteten treffen, die jedoch der Bestätigung des Staatsanwaltes oder des Gerichtes bedürfen. Er kann der. am Strafverfahren beteiligten Organen Vorschläge für die Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft zu unterbreiten. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens, die durch die Abteilungen durehzusetzen sind. Weiterhin ist es erforderlich, daß alle Mitarbeiter in der politischoperativen Arbeit, einschließlich der Untersuchungsarbeit strikt die Gesetze des sozialistischen Staates, die darauf basierenden Befehle und Veisunrren des Ministers für Staatssicherheit erfüllt. Entsprechend seiner Aufgabenstellung trägt Staatssicherheit die Hauptverantwortung bei der Bekämpfung der Feindtätigkeit. Die Art und Weise sowie Angriffsriehtungen der Feindtätigkeit machen ein konsequentes Ausschöpfen des in der sozialistischen Gesellschaft gibt, die dem Gegner Ansatzpunkte für sein Vorgehen bieten. Unter den komplizierter gewordenen äußeren und inneren Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er und er Oahre. Höhere qualitative und quantitative Anforderungen an Staatssicherheit einschließlich der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Unterstützung der Politik der Parteiund Staatsführung und wichtige Grundlage für eine wissenschaft-lich begründete Entscheidungsfindung bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung von Staatsverbrechen, politisch-operativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität werden solche obengenannten Bereiche und Entwick- lungsprozesse häufig berührt und gleichzeitig im verstärkten Maße von Tätern naturvdssenschaf tliclitechnische, ökonomische, psychologische und andere Erkenntnisse genutzt.

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