Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1962, Seite 225

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 225 (NJ DDR 1962, S. 225); Mußten schon diese verfahrensrechtlichen Mängel zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, so unterliegt die Entscheidung des Kreisgerichts auch in sachlich-rechtlicher Beziehung manchen Bedenken. Die rechtlichen Ausführungen des Kreisgerichts sind mindestens insofern lückenhaft, als festgestellt worden ist, der Angeklagte habe durch den Schlag mit dem Bierglas einen „vermeintlichen Angriff“ des Geschädigten H. von sich „abwehren“ wollen. Wenn das Gericht also auf dem Standpunkt stand, es habe insoweit vermeintliche Notwehr sog. Putativnotwehr Vorgelegen, die unter Umständen dazu führen kann, daß der Täter straffrei bleibt, so hätte es näher darlegen müssen, weshalb es trotzdem zu dem an sich nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt ist, der Angeklagte habe sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Hierbei hätte es gebenenfall's auch darüber Ausführungen machen müssen, daß es bei der sog. Putativnotwehr keinen straflosen „Notwehrexzeß“ (Überschreitung der sachlich gebotenen Verteidigung) i. S. des § 53 Abs. 3 StGB gibt, weil die Anwendbarkeit dieser Vorschrift das Vorliegen einer echten, nicht nur einer vermeintlichen Notwehrlage voraussetzt. Berechtigt ist auch die Rüge des Staatsanwalts, der Sachverhalt sei nicht lückenlos aufgeklärt. Es mangelt an ausreichenden Anhaltspunkten für die Feststellung, der Angeklagte habe an den Geschädigten H. ein Schmerzensgeld von 200 DM gezahlt. Das Kreisgericht hat diese Feststellung offensichtlich nur auf Grund der Angabe des Angeklagten getroffen. Eine nähere Nachprüfung dieser Angabe wäre aber um so notwendiger gewesen, als der Geschädigte in der Hauptverhandlung nicht zugegen war und das Kreisgericht gerade dieser Angabe bei der Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten und damit bei der Strafzumessung entscheidende Bedeutung beigelegt hat. Diese Nachprüfung an Hand einer Quittung, besser noch durch Vernehmung des Zeugen H. wird in der neuen Verhandlung nachzuholen sein. Schon hiernach ist die Anwendung des § 9 Ziff. 2 StEG nicht bedenkenfrei. Unanwendbar erscheint diese Bestimmung vor allem aber auch deshalb, weil der Sachverhalt die Feststellung einer „grundlegenden Wandlung im gesamten Verhalten des Angeklagten“ nicht zuläßt. Richtig ist zwar, daß selbst die an sich hier gegebene erhebliche Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat des Angeklagten nicht grundsätzlich der Anwendbarkeit des § 9 Ziff. 2 StEG entgegensteht. Richtig ist ferner, daß das Persönlichkeitsbild des Angeklagten recht günstig ist. Es wird weiter auch nicht verkannt, daß u. U. die Wandlung eines Täters, dessen früheres Verhalten zu erheblicher gesellschaftlicher Mißbilligung Anlaß geben mußte, dann, wenn sie tatsächlich eintritt, leichter festgestellt werden kann, als die Wandlung eines Täters, der sich schon immer im wesentlichen ordentlich oder sogar vorbildlich aufgeführt hat. Diese Schwierigkeit befreit das Gericht aber nicht von der Notwendigkeit, auch in Fällen der letzterwähnten Art neben dem allgemeinen einwandfreien Verhalten des Täters konkrete Anhaltspunkte gerade auch dafür festzustellen, daß der Angeklagte auf die gleiche Situation in Zukunft anders und richtiger reagieren würde, als er es diesmal getan hat. Mit anderen Worten: Die Anhaltspunkte für die Feststellung einer Wandlung des Täters i. S. des § 9 Ziff. 2 StEG müssen tatbezogen sein. Äußerungen und Handlungen des Angeklagten allgemeiner Art, wie etwa Reue, Wiedergutmachung, Einhaltung der Gebote der Höflichkeit (Krankenbesuche o. ä.) oder erfreuliche Leistungen in der beruflichen oder gesellschaftlichen Arbeit, genügen allein nicht. Alles dies gäbe für sich allein noch keine Gewähr dafür, daß der Täter gerade in bezug auf sein spezielles gesellschaftliches Versagen zu anderen Anschauungen gelangt ist und darüber hinaus gegebenenfalls auch zu anderen Reaktionen gelangen wird, wenn nicht weitere besondere tatbezogene Beweisanzeichen hinzutreten, im vorliegenden Fall etwa ein vorbildlicher Einsatz für die Einhaltung der Ordnung im Zusammenleben der Bürger oder auch im Kampf gegen den übermäßigen Genuß alkoholischer Getränke oder dgl. Für die hier vertretene Auffassung sei auch auf die Entscheidung des Obersten Gerichts vom 8. August 1958 (NJ 1958 S. 648) verwiesen, wo es heißt: „Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 9 Ziff. 2 StEG gegeben sind, kommt es entscheidend auf solche Umstände an, die in Beziehung zu der begangenen Tat stehen und überzeugend erkennen lassen, daß sich bei dem Täter ein grundlegender Wandlungsprozeß in seinem Bewußtsein und seinem Verhalten vollzogen und er aus seiner Straftat schon selbst die Lehren gezogen hat.“ Die vom Kreisgericht festgestellten positiven Momente im Verhalten des Angeklagten reichen nicht dafür aus, § 9 Ziff. 2 StEG anzuwenden, d. h. gegenüber dem Angeklagten von Strafe abzusehen, zumal strafbare Handlungen der hier in Rede stehenden Art im Bezirk noch recht häufig sind. Die bisherige Führung und die erfreulichen Leistungen des Angeklagten ebenso wie sein nach der Tat bewiesenes einsichtiges und gutwilliges Verhalten fallen aber um so mehr bei der Entscheidung der Frage ins Gewicht, ob es zur Erreichung des Strafzweckes genügt, gegenüber dem Angeklagten von einer Freiheitsentziehung abzusehen und statt dessen auf eine der neuen Strafarten unseres sozialistischen Strafrechts, nämlich einen öffentlichen Tadel oder eine bedingte Verurteilung, zu erkennen. Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des Kreisgerichts ist das Bezirksgericht der Meinung, daß diese Frage bejaht werden kann. Es darf zwar nicht verkannt werden, daß die Tat des Angeklagten schon nach ihrem tatsächlichen Ablauf zu den Auffassungen unserer Werktätigen von der notwendigen Achtung der Persönlichkeit und der Unverletzlichkeit unserer Bürger in krassem Widerspruch steht und vor allem, daß sie leicht auch sehr schwere Folgen hätte haben können, daß ihr also eine recht erhebliche Gesellschaftsgefährlichkeit innewohnt. Trotzdem ist der Angeklagte keinesfalls ein Mensch, der dem erzieherischen Einfluß des gegen ihn durchgeführten Strafverfahrens nur dann zugänglich wäre, wenn ihm in dessen Ergebnis auf eine gewisse Zeit die Freiheit entzogen würde. Es kann vielmehr mit Sicherheit erwartet werden, daß er aus dem Verfahren und dem sich daran anknüpfenden Ausspruch der gesellschaftlichen Mißbilligung durch öffentlichen Tadel oder bedingte Verurteilung endgültig seine Lehren ziehen und die in seiner Tat erkennbar gewordenen rückständigen Auffassungen von der Notwendigkeit seiner Einfügung in das sozialistische Leben unserer Gesellschaft nunmehr überwinden wird. Diese Einschätzung wird auch das Kreisgericht bei der erneuten Verhandlung der Sache seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben. Aus den dargelegten Gründen war das angefochtene Urteil auf den Protest gemäß § 290 Abs. 2 Buchst, c StPO aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Gericht der Vorinstanz zurückzuverweisen. Zivil- und Familienrecht §§ 823, 1626 ff., 249 BGB; § 235 StGB. (Entführung der Sylvia Heintz) § 235 StGB (Kindesraub), der das Recht der Eltern an ihren minderjährigen Kindern schützt, ist ein Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB. Der schadensersatz- 225;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt muß vor der Entlassung, wenn der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt wird, prüfen, daß - die Entlassungsverfügung des Staatsanwaltes mit dem entsprechenden Dienstsiegel und eine Bestätigung der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit erlassenen und für alle Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit verbindlichen Ordnungs- und Verhaltensregeln in der Untersuchungshaf tans alt sowie - die auf den genannten rechtlichen Grundlagen, dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zur Kaderarbeit und vorhandenen Erfordernissen in den aktiven Dienst Staatssicherheit übernommen werden. Sie sind langfristig als Perspektivkader in der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit hinsichtlich ihrer Eignung zu prüfen und zu entwickeln. Bei der Übernahme von in den aktiven Dienst Staatssicherheit ist zu gewährleisten daß keine Gefährdung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben als auch im persönlichen Leben. die Entwicklung eines engen Vertrauensverhältnisses der zu den ährenden Mitarbeitern und zum Staatssicherheit insgesamt. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zur Verwirklichung dieser Zielstellungen die sich für ihren Verantwortungsbereich ergebenden Aufgaben und Maßnahmen ausgehend von der generellen Aufgabenstellung der operativen Diensteinheiten und den unter Ziffer dieser Richtlinie genannten Grundsätzen festzulegen. Die allseitige und umfassende Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet in langfristigen Konzeptionen nach Abstimmung und Koordinierung mit den anderen für die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet sind grundsätzlich in Abstimmung und Koordinierung mit den anderen operativen Diensteinheiten durchzuführen, die entsprechend den Festlegungen in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen für die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Derartige Aufgabenstellungen können entsprechend der Spezifik des Ziels der sowohl einzeln als auch im Komplex von Bedeutung sein.

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