Dokumentation Neue Justiz (NJ), 16. Jahrgang 1962 (NJ 16. Jg., Jan.-Dez. 1962, Ausg.-Nr. 1-24, S. 1-784)DDR Deutsche Demokratische -

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift fuer Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Seite 525 (NJ DDR 1962, S. 525); ?\ \ der allgemeinen Missbilligung, indem z. B. festgestellt wird, dass der Beschuldigte ein ?abscheuliches Verbrechen? begangen habe oder dass sein Verhalten ?menschenunwuerdig? sei u. ae., sollten vermieden werden. Ebensowenig sollte der Staatsanwalt negative Werturteile ueber die Person, wie z. B. ?arbeitsscheues Element?, oder sogar Beschimpfungen, wie ?Verbrecher?, ?Subjekt? u. a., gebrauchen. Solche Ausfuehrungen stehen in allen Faellen im Widerspruch zur geforderten Sachlichkeit der Anklageschrift. Manche Staatsanwaelte neigen auch dazu, in der Anklage zuweilen einen sogenannten volkstuemlichen Jargon zu verwenden, und sind der Meinung, dass sie damit die Situation besser kennzeichnen. Der Beschuldigte so heisst es z. B. in einer Anklage wegen schweren Raubes ?war froh, dass man ihn danach nicht erwischte?. Oder es wird in der Anklage wegen einer Straftat, der ein uebermaessiger Alkoholgenuss voranging, davon gesprochen, dass die Beschuldigten beschlossen hatten, eine ?Sause? zu machen. Solche primitive Ausdrucksweise oder sogar Verunstaltungen der deutschen Sprache gehoeren nicht in die Anklageschrift. Umstrittene Probleme Bis auf die Beitraege von Bell, dessen zusammenfassende Darstellung in vielem nach wie vor ihre Gueltigkeit besitzt, und Queisser hat es in der Vergangenheit ueber Fragen der Anklageschrift keine Auseinandersetzungen gegeben. Das mag mit eine Ursache dafuer sein, dass es heute noch eine Reihe umstrittener Probleme gibt, die zu einer uneinheitlichen Praxis bei der Anklageerhebung fuehren. 1. So wird von Bell die Beweiswuerdigung als ein bedeutsames Element der Anklageschrift bezeichnet, auf das aber auch wiederum verzichtet werden koenne, wenn auf Grund der vorliegenden Beweise keine Zweifel am Tatgeschehen zu erwarten seien15. Noch weiter gehen solche Forderungen, dass sich der Staatsanwalt immer dann nicht mit der blossen Feststellung des Sachverhalts begnuegen duerfe, wenn auf Grund der festgestellten Tatsachen auch ein anderer Handlungsablauf moeglich erscheinen wuerde; er muesse ?begruenden, wie er zu dieser Feststellung gekommen ist, auf welchen Gedankengaengen und Erwaegungen seine Schlussfolgerungen beruhen, warum er diesem Zeugen glaubte und einem anderen nicht usw.?18. Diesen Auffassungen, die in sich selbst bereits eine ge- wisse Inkonsequenz aufzeigen, kann nicht zugestimmt werden. Aus ? 169 Abs. 2 StPO ergibt sich, dass in der Anklageschrift das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen darzustellen ist, nicht aber die Methode, wie dieses Ergebnis erreicht wurde. Der Staatsanwalt hat in seiner Anklage eine Zusammenfassung der im Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen zu geben. Diese muss sich wie bereits ausgefuehrt durch Kuerze und Sachlichkeit auszeichnen. Damit wird dem Gericht und dem Beschuldigten klar gesagt, welche Handlungen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfuellen, der Staatsanwalt als erwiesen ansieht. Dazu sind in der vorgeschlagenen systematischen Form die Beweismittel zu bezeichnen und bei komplizierfem Sachverhalt, insbesondere bei Indizienbeweisen, die Blatt-zahlen des Aktenvorganges im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift anzugeben. Eine Wuerdigung der Beweise in der Anklageschrift vorzunehmen, widerspricht der Forderung nach Kuerze und Sachlichkeit der Anklage, verleitet in der Regel zur Oberflaechlichkeit und mindert somit die Ueberzeugungskraft der Ausfuehrungen. Durch die blosse Angabe des vom Staatsanwalt als erwiesen angesehenen Tatgeschehens ohne Auseinandersetzungen mit Gegeneinlassungen des ueberfuehrten, aber nicht gestaendigen Taeters wird auch das Recht auf Verteidigung keineswegs eingeschraenkt. Die Anklageschrift bringt dem Beschuldigten den gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwurf zur Kenntnis. Er muss ohnehin selbst am besten wissen, ob die Angaben den Tatsachen entsprechen. Ist das der Fall, so genuegt fuer den Taeter vollauf die Kenntnisnahme von der Feststellung des von ihm begangenen Verbrechens, um ihm die Vorbereitung seiner Verteidigung auf der Grundlage der Tatsachen zu ermoeglichen. Ist dies nicht der Fall, so wird eine Wuerdigung der Beweise in einer zu Unrecht erhobenen Anklage weder dem Beschuldigten noch dem Gericht etwas nuetzen. Die Ablehnung einer Beweiswuerdigung in der Anklageschrift darf selbstverstaendlich nicht dazu fuehren, dass der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung Ueberraschungsmomente durch voellig unvermutete Vorlage von Beweisen zuungunsten des Angeklagten ausnutzt. Auf der gesetzlichen Grundlage der ?? 108 und 109 StPO muss der Beschuldigte bereits im Ermittlungsverfahren mit allen Beweismitteln vertraut gemacht werden. Er kann also bei der Anklageerhebung keineswegs unwissend darueber sein, wie der Staatsanwalt zur Feststellung des strafrechtlichen Vorwurfs kommen konnte. Das gilt fuer den nicht gestaendigen, ueberfuehrten Taeter ebenso wie fuer den u. U. insgesamt oder in einzelnen Punkten zu Unrecht angeklagten Buerger. Das Gericht und der Verteidiger, der in komplizierten Verfahren gemaess ? 76 Abs. 2 StPO grundsaetzlich immer zu bestellen sein wird, brauchen ebenfalls nur die kurze und klare Angabe des vom Staatsanwalt als erwiesen angesehenen Verbrechens. Sie werden diese Angabe auf ihre Richtigkeit mit oder ohne Beweiswuerdigung in der Anklageschrift erst an Hand des Akteninhalts ueberpruefen muessen, wobei sie durch die vom Staatsanwalt bezeichneten Beweismittel und die in der Sachverhaltsschilderung angegebenen Blattzahlen wesentlich unterstuetzt werden koennen. Die Vornahme einer Beweiswuerdigung wuerde der Anklageschrift einen Urteilscharakter verleihen. Gerade in komplizierten und umfangreichen Strafverfahren, in denen es ganz besonders auf einen klaren und logischen Aufbau der vom Staatsanwalt im Ergebnis des Ermittlungsverfahrens getroffenen Feststellungen ankommt, kann dies nur zu einer nicht vertretbaren Breite und Unuebersichtlichkeit der Darlegungen fuehren. Das widerspricht aber der strafprozessualen Bedeutung der Anklageschrift und den sich daraus ergebenden Forderungen fuer ihren Inhalt und ihre Form. 2. Eine weitere, in der Praxis noch nicht geloeste Frage ist die, ob in der Anklageschrift eine juristische Beurteilung der strafbaren Handlung zu erfolgen hat. Im allgemeinen wird dies abgelehnt. Zur Begruendung wird darauf verwiesen, dass im Tenor die verletzten Strafgesetze aufgefuehrt sind und in der Regel auch die Schuldform genannt wird. Ausserdem lasse sich die gesetzliche Tatbestandsmaessigkeit aus der konkreten Tatschilderung ablesen, so dass eine besondere rechtliche Wuerdigung ueberfluessig sei. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. In jedem Fall hat der Staatsanwalt in der Anklageschrift zu sagen, welche Teile des Sachverhalts, d. h. welche Tatsachen, dieses oder jenes Tatbestandsmerkmal verwirklichen. Von der Sache wird es abhaengen, in welchem Umfang die einzelnen Merkmale begruendet werden muessen1,1. Bei einer Untreuehandlung nach ? 266 StGB kann beispielsweise nicht darauf verzichtet 17 Vgl. auch Leitfaden des Strafprozessrechts, a. a. O., S. 165. % 16 Bell, a. a. O., S. 747. 16 Leitfaden des Strafprozessrechts, a. a. O., S. 164. 525;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 16. Jahrgang 1962, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1962. Die Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1962 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1962 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 16. Jahrgang 1962 (NJ DDR 1962, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1962, S. 1-784).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel unzweckmäßig, Aufzeichnungen von schriftungewandten Beschuldigten und solchen mit mangelndem Intelligenzgrad anfertigen zu lassen; hier genügt die abschließende Stellunonahme zur Straftat.

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