Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 90

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 90 (NJ DDR 1961, S. 90); rische meines Verhaltens und verurteilte es, sondern all meine Sinne richteten sich nur auf das eine ein würdiger Sohn meiner Heimat zu werden.“16 17 18 Leonid Kossych hatte aber im Gefängnis nicht nur Bücher erhalten und studiert; ihm war auch die Möglichkeit gegeben worden, sich für das Leben vorzubereiten. Er hatte zwei Berufe erlernt und in seinem Schreiben an die Regierung mitgeteilt, daß er bereit sei, noch mehr zu lernen. „Die Regierung glaubte Kossych. Sie verzieh ihm. Und gerade dieses Vertrauen erwies sich vielleicht als die sicherste Bürgschaft, als ein moralisches Gesetz, das nicht verletzt werden kann.“17 Nach seiner Entlassung schrieb Leonid: „Ich danke der Partei und der Regierung für alles. Ich schreibe Ihnen, wie immer, offen und ehrlich. Ich weiß, daß Sie im Innern etwas skeptisch waren, obwohl Sie nicht eine Spur von Mißtrauen meiner Aufrichtigkeit gegenüber erkennen ließen. Jetzt aber, da meine Worte mehr Gewicht haben, sage ich Ihnen offen: Sie haben keinen Fehler begangen ,“1S Der Fall Leonid Kossych ist kein Einzelfall. Er beweist stellvertretend für viele andere, daß die sozialistische Gesellschaft dem verzeiht, der ehrlich gewillt ist, ein neues Leben zu beginnen. Der Fall Kossych beweist auch, daß die sozialistische Gesellschaft keinem Menschen seine Vergangenheit zum Vorwurf macht, wenn er sich des Vertrauens, das ihm geschenkt wurde, würdig erweist. Wie schwer auch seine Verfehlungen gewesen sein mögen: Wieder in die Gesellschaft aufgenommen, ist auch der ehemalige Straffällige ein gleichberechtigter Bürger wie jeder andere, und die Gesellschaft kämpft um die Entfaltung seiner Fähigkeiten und schützt ihn, wenn er des Schutzes bedarf. * Von J. Lukjanow stammt die Erzählung „Wenn ein Mensch strauchelt .“19 Sie führt uns nach Leningrad und schildert die Arbeit der Miliz und die Tätigkeit der Angehörigen der freiwilligen Miliz beim Schutz der öffentlichen Ordnung. Auch in dieser kleinen Erzählung aus der oft mühevollen Kleinarbeit zeigen sich der Optimismus und der Glauben an die Menschen. Lukjanow schreibt: „Die Erfahrungen, über die wir verfügen, stimmen uns optimistisch. Ist ein Mensch gestrauchelt, so liegt es in unserer Macht, ihm aus dem Unglück herauszuhelfen.“20 * In der Reportage „Erziehung durch Arbeit“21 schildert A. Kanajew eine weitere Form der breiten Mitwirkung der sowjetischen Öffentlichkeit an der Erziehung ehemaliger Rechtsverletzer. Es handelt sich um die sog. Beobachtungskommissionen bei den Exekutivkomitees. Diese Kommissionen helfen den Arbeitskolonien bei der Erziehung der Bestraften, bei der Ausgestaltung des Unterrichts in den Kolonien und in vielen die Erziehung betreffenden Einzelfragen. Durch ihre Arbeit mit den Leitungen der Kolonien und unmittelbar mit den Bestraften sind die Kommissionen auch in der Lage, ein gewichtiges Wort bei der Entscheidung über die vorfristige Entlassung eines Bestraften mitzureden. Damit hat sich aber ihre Tätigkeit nicht erschöpft. Sie fühlen sich auch nach der Freilassung für ihre Schützlinge verantwortlich; so im besonderen für ihre Eingliederung in den Arbeitsprozeß. „Der Staatsanwalt, die Leitung der Kolonie und wir“* erzählt ein Mitglied einer Kommission, „arbeiten an einer gemeinsamen Aufgabe. Wir erziehen und umerzie- 16 S. 40. 17 S. 40. 18 S. 41. 19 S. 47-50. 20 S. 50. 21 S. 51-53. 90 hen Menschen, die strafbare Handlungen begangen haben. Wir wenden die verschiedenartigsten Mittel an. Das wichtigste und wirksamste von ihnen ist das Heranführen an die produktive Arbeit. Wir sind überzeugt, daß jeder der Verurteilten den Weg des ehrlichen Lebens einschlagen und seiner großen Heimat nützlich sein kann.“22 Die Arbeit der Beobachtungskommissionen scheint mir deshalb besonders bedeutsam, weil sie mit den bestraften Rechtsverletzern bereits in der Kolonie arbeiten und mit ihnen auch nach der Entlassung in Verbindung bleiben. Ohne Zweifel hat der Entlassene gerade in der ersten Zeit nach der Entlassung eine Reihe Schwierigkeiten zu überwinden. Darauf hat auch Schejnin hingewiesen: „Leider kommt es noch vor, daß sich einige, Betriebsleiter scheuen, ehemalige Häftlinge einzustellen, auch dann, wenn diese willigen Herzens und mit besten Zeugnissen der Strafanstalten zu ihnen kommen. Sie begreifen nicht, daß die Frage der Eingliederung dieser Menschen in den Arbeitsprozeß von erstrangiger Bedeutung für die Beseitigung der Kriminalität ist.“23 Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite ist die Einstellung zu dem ehemaligen Häftling auf dem neuen Arbeitsplatz. Auch hierfür gibt Lew Schejnin wichtige und überzeugende Hinweise. Er ist der Meinung, der freigelassene Häftling „ sollte auf seinem neuen Arbeitsplatz nicht an seine Vergangenheit erinnert, sondern dabei unterstützt werden, sie endgültig und für immer zu vergessen. Deshalb sollte auch der Arbeitseinsatz eines Rechtsverletzers nach Verbüßung seiner Strafe für ebenso notwendig gehalten werden wie die Strafe selbst Dabei ist es gar nicht erforderlich, daß man den eingestellten ehemaligen Rechtsverletzer mit Glacehandschuhen anfaßt und ihn gleichsam in die Watte aller möglichen Patenschaften und des dummen Entzückens darüber, daß er endlich zu Verstand gekommen sei, einpackt ,‘l24 * Der letzte Beitrag der Broschüre befaßt sich mit der Bürgschaft von Kollektiven für einen Rechtsverletzer. J. Kusnezow schildert hier die Beratung des Kameradschaftsgerichts einer Kollektivwirtschaft im Dorfclub, in der darüber beraten wird, ob ein Bauer dem Gericht zu übergeben ist oder nicht: Fjodorow hatte stark getrunken und eine Schlägerei angezettelt. Ein Teil der Kollektivbauern war dafür, daß er durch das Gericht bestraft wird. Viele Bauern wurden gehört, und auch Fjodorow kam zu Wort. Dabei stellte sich heraus, daß er nicht nur als Trunkenbold, sondern auch als fleißiger Mensch bekannt ist, „der sich die Sache der Allgemeinheit sehr zu Herzen nimmt“25. Als ihn ein Redner fragte, ob man ihm vertrauen könne, erklärte der vor seinem Kollektiv stehende Fjodorow: „Vertraut mir, ich werde durch meine Arbeit beweisen, daß ich kein verkommener Mensch bin. Ich bin bereit, jede Strafe zu ertragen, aber verurteilt mich nicht zum Alleinsein. Nicht das Gefängnis fürchte ich. Ich habe Angst, einsam zu bleiben, ohne meine Familie, ohne euch, mit denen ich mein Leben verbracht habe.“26 Die Versammlung erteilte ihm einen öffentlichen Tadel und richtete an den Staatsanwalt die Bitte, die Sache niederzuschlagen. Die Kollektivbauern übernahmen für Fjodorow die Bürgschaft. * Das waren einige der Hauptgedanken, die in den einzelnen Erzählungen dargelegt sind. Dem VEB Deutscher Zentral verlag muß man bescheinigen, daß er bei der Herausgabe der kleinen Broschüre zum Ende des Jahres 1960 eine glückliche Hand gehabt hat. 22 s. 53. 23 S. 18. 24 S. 18. 25 S. 54. 36 S. 54.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 90 (NJ DDR 1961, S. 90) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 90 (NJ DDR 1961, S. 90)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die diesbezügliche Meldepflicht der Leiter der Diensteinheiten und die Verantwortlichkeit des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung zur Einleitung aller erforderlichen Maßnahmen in Abstimmung mit dem Untersuchungsorgan aufgabenbezogen anzuwenden. Komplizierter ist jedoch die Identitätsfeststellung bei Ausländern, über die kein Vergleichsmaterial vorliegt. Hier sind vor allem durch exakte erkennungsdienstliche Maßnahmen seitens der Linie Voraussetzungen zu schaffen, um die sich entwickelnden Sicherheitserfordernisse des Untersuchungshaftvollzuges und ihren Einfluß auf die Veränderung der politisch-operativen Lage in den kommenden Jahren rechtzeitig zu erkennen und ihnen in der Arbeit der Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit die Bedeutung der Fest-nahmesituationen und die daraus res ultierenden Verdachtshinweise noch nicht genügend gewürdigt werden. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die Tätigkeit des Untersuchungsführers in der Vernehmung, insbesondere bei der Protokollierung. Es ist Anliegen der Ausführungen, die ErfOrdermisse der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit ergeben sich zugleich auch aus der Notwendigkeit, die Autorität der Schutz-, Sicherheits- und Justizorgane als spezifische Machtinstrumente des sozialistischen Staates bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, im folgenden auch als Mißstände bezeichnet, ist mannigfach verw oben mit dem sozialen Erbe der Vergangenheit und dem erreichten Entwicklungsstand der sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er Bahre, insbesondere zu den sich aus den Lagebedingungen ergebenden höheren qualitativen Anforderungen an den Schutz der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen.

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