Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 824

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 824 (NJ DDR 1961, S. 824); Ist die Anwendung der neuen Strafarten im beschleunigten Verfahren möglich? i Schur lehnt in NJ 1961 S. 638 die Anwendung des öffentlichen Tadels und der bedingten Verurteilung im beschleunigten Verfahren ab. Zur Begründung seiner Auffassung stützt er sich auf die Entscheidung des Obersten Gerichts vom 27. Juni 1958 3 Zst III 25/58 (NJ 1958 S. 538), in der ausgeführt ist, auf bedingte Verurteilung und öffentlichen Tadel könne im Strafbefehl nicht erkannt werden. Einmal sei ihre Anwendung unzulässig, weil keine gesetzliche Regelung vorhanden sei, und zum anderen fehle die Hauptverhandlung und somit die Möglichkeit, zu prüfen, ob diese Strafarten gerechtfertigt und darüber hinaus geeignet seien, erzieherisch auf den Angeklagten einzuwirken. Da der zweite Hinderungsgrund im beschleunigten Verfahren nicht durchgreifen kann, stützt sich Schur auf den ersten Teil dieser Ausführungen. Er meint, daß in § 232 StPO wie in § 254 StPO alle anwendbaren Strafarten erschöpfend aufgeführt seien. Daher sei für die Anwendung der neuen Strafarten im beschleunigten Verfahren'kein Raum. Ich kann dem nicht beipflichten. Um zu klären, ob wirklich alle Strafarten erschöpfend aufgezählt sind, muß man fragen, ob die Anwendung der neuen Strafarten in einzelnen Rechtsnormen vorgesehen ist und ob dies überhaupt erforderlich wäre. Eine derartige gesetzliche Erweiterung auf früher erlassene Strafgesetze kennt nur der öffentliche Tadel in § 6 StEG. Die bedingte Verurteilung kennt eine solche ausdrückliche gesetzliche Erweiterung jedoch nicht. Die Anwendungsmöglichkeit ergibt sich für alle mit Freiheitsstrafe bedrohten Handlungen einzig und allein aus den Anforderungen, die § 1 StEG stellt. Sind die in § 1 StEG geforderten Voraussetzungen erfüllt, dann ist die Anwendung der bedingten Verurteilung möglich und gerechtfertigt. Ohne Bedeutung ist dabei, wann das verletzte Gesetz erlassen wurde. Eine Ausnahme macht dabei der öffentliche Tadel, der in den Rechtsnormen, die nach dem 11. Dezember 1957 erlassen wurden, als Strafart aufgeführt sein muß. Was für das Strafrecht gesagt wurde, gilt auch für das Prozeßrecht, das seiner Durchsetzung dient. Eine gesetzliche Erweiterung auf das Prozeßrecht ist deshalb m. E. nicht notwendig, und es wäre formal, sich auf eine solche zu berufen. Daß auch in einem beschleunigten Verfahren erforderlich werden kann, eine bedingte Verurteilung oder einen öffentlichen Tadel auszusprechen, räumt auch Schur ein. Da er aber die Anwendbarkeit der neuen Strafarten im beschleunigten Verfahren verneint, sieht er in der Ablehnung des beschleunigten Verfahrens gern. § 234 StPO die einzige Möglichkeit, später in einem ordentlichen Verfahren diese neuen Straf arten anwenden zu können. Diese Arbeitsweise müßte aber zu einer Verzögerung des Verfahrens führen und damit einen wichtigen Grundsatz unserer Gesetzlichkeit verletzen, nämlich eine schnelle und gewissenhafte Aufklärung und Strafverfolgung zu sichern (§ 1 Abs. 2 StPO). Wenn Schur die Verbindlichkeit der Normen des Strafprozeßrechts hervorhebt, dann müßte er auch diese Seite in Betracht ziehen. Sein vorgeschlagener Weg würde aber diesem Zweck der StPO widersprechen und dort, wo eine schnelle Anwendung der Strafgesetze möglich wäre, eine Verzögerung herbeiführen und damit im Ergebnis weder der Gesellschaft noch dem Beschuldigten nützen. Darüber hinaus würde es auch den Erfolg des Strafverfahrens abschwächen, denn dort, wo der Staatsanwalt ein beschleunigtes Verfahren beantragt, kommt es doch aus den von Schur richtig angeführten Gründen auf ein schnelles Reagieren der Straforgane an1. Außerdem können m. E. positive Momente, die für eine Anwendung der neuen Strafarten sprechen, keine Hinderungsgründe dafür sein, die Sache so schnell wie möglich abzuschließen. Würde man Schur folgen, dann würde sich die Anwendung der neuen Strafarten in gewissem Sinne gegen den Angeklagten wenden und damit den Erziehungszweck wesentlich mindern. Daran ändert auch der von Ende2 vorgeschlagene und von Schur unterstützte Weg nichts, vorher zu beraten und zu prüfen, ob ein beschleunigtes Verfahren möglich ist, um eventuell rechtzeitig in ein ordentliches Hauptverfahren überzuleiten. Diese Methode würde keine wesentliche Beschleunigung bringen. In der Regel wird doch ein beschleunigtes Verfahren ohne besondere Ladungsfrist sofort nach der Tat durchgeführt, da der Beschuldigte auf frischer Tat festgenommen und dem Gericht vorgeführt wird. Bei vorheriger Beratung und Ablehnung des beschleunigten Verfahrens würde dem Beschuldigten lediglich eine zweimalige Hauptverhandlung erspart. Ich bin der Ansicht, daß Ende die richtigen Schlußfolgerungen aus der Entscheidung des Obersten Gerichts gezogen hat. Er hat m. E. erkannt, daß nur die Frage der Hauptverhandlung mit ihrer erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten das Kriterium für die Anwendung der neuen Strafarten in den verschiedenen Verfahrensarten sein kann. Die in dem zweiten Teil der Entscheidung des Obersten Gerichts gegebene Begründung geht dialektisch vom Inhalt des Strafrechts und den Einwirkungsmöglichkeiten aller gesellschaftlichen Faktoren auf den Angeklagten aus und führt deshalb zum richtigen Ergebnis, das dem Leben und der gesellschaftlichen Notwendigkeit Rechnung trägt. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß es bei der Anwendung der neuen Strafarten darauf ankommt, besonders sorgfältig alle objektiven Tatumstände, die Persönlichkeit des Täters und seinen Bewußtseinsstand zu prüfen. Das kann nur in einer Hauptverhandlung geschehen, und deshalb ist m. E. die Durchführung der Hauptverhandlung das Kriterium dafür, in welchen Verfahrensarten die neuen Straf arten angewandt werden können in solchen Verfahren nämlich, die eine Hauptverhandlung kennen. Das ist auch im beschleunigten Verfahren der Fall, und hier sollten ebenfalls alle Anforderungen erfüllt werden, die der Beschluß des Staatsrates an die Durchführung einer Hauptverhandlung stellt. Auch im beschleunigten Verfahren besteht die Möglichkeit, alle objektiven Umstände und die Persönlichkeit des Angeklagten gründlich zu erforschen, um zu prüfen, ob die Anwendung der neuen Strafarten gerechtfertigt ist. Stellt das Gericht fest, daß die Voraussetzungen für die Anwendung der neuen Strafarten gegeben sind, so steht einer bedingten Verurteilung oder einem öffentlichen Tadel im beschleunigten Verfahren im Gegensatz zum Strafbefehlsverfahren nichts im Wege. Das ist auch die Praxis, die an unseren Gerichten geübt wird. Diese Praxis stimmt mit der im Leitfaden des Strafprozeßrechts vertretenen Auffassung überein, der die Anwendung der neuen Strafarten im beschleunigten Verfahren für möglich hält3. HARRY MÜRBE, Richter am Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte 1 vgl. Richtlinie des Obersten Gerichts Nr. 12 vom 23. April 1961 in NJ 1961 S. 289. 2 Ende, Einige Bemerkungen zum beschleunigten Verfahren, NJ 1961 S. 418. 3 Leitfaden des Strafprozeßrechts, Berlin 1959, S. 208. 824;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 824 (NJ DDR 1961, S. 824) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 824 (NJ DDR 1961, S. 824)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

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