Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 746

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 746 (NJ DDR 1961, S. 746); langwieriger Auseinandersetzung sich das neue, sozialistische Denken gegenüber dem zählebigen bürgerlichen Denken Schritt für Schritt durchsetzen muß. * Die fehlerhaften Auffassungen über die sozialistische Gesetzlichkeit wurzeln alle mehr oder weniger in einer bürgerlichen Auffassung vom Recht, in bürgerlichen Legalitätsvorstellungen1. Das Postulat der bürgerlichen Legalität und ihre relative Durchsetzung im vormonopolistischen Kapitalismus waren zweifellos ein geschichtlicher Sieg des Fortschritts, eine Errungenschaft, die wir weiterzuentwickeln und zu verteidigen haben, insbesondere gegen ihre Auflösung und Durchbrechung im Imperialismus, so besonders heute in Westdeutschland. Die bürgerliche Legalitätsauffassung trägt jedoch von vornherein einen Widerspruch in sich, an dem sie schließlich zerbricht: Sie ist formal, abstrakt, losgelöst von der Realität der menschlichen Gesellschaft und ihrer gesetzmäßigen Entwicklung. Sb geht die bürgerliche Strafgesetzlichkeit wesensmäßig und zwangsläufig von einem abstrakten, fiktiven Individuum als Verbrechenssubjekt aus (wie Polak sagt: von dem abstrakten Zurechnungspunkt), nicht aber von einem wirklichen Menschen und seinen realen gesellschaftlichen Beziehungen und Problemen. Das zeigt sich besonders anschaulich bei dem formal-bürgerlichen Tatbestandsdenken und der daraus resultierenden formal-logischen Tatbestandssubsumtion, aus der wie bei einer .Rechenaufgabe Strafbarkeit folgt. Wer der Täter wirklich war, wieso er zu der Tat kam, welchen Charakter die Tat trägt und welche wirkliche Bedeutung sie für die Gesellschaft hat usw., all das interessiert nicht und darf für die formal-bürgerliche Legalität-’ nicht interessieren. Alle Fragen werden rein formal, zeitlos, isoliert von der gesellschaftlichen Realität, ahistorisch gestellt. Die Strafe, die typischerweise als Freiheitsentzug oder Geldbuße auftritt, wird dann als unverrückbare Konsequenz nach den Grundsätzen der Äquivalenz ähnlich wie beim Warenaustausch nach der Größe, dem Gewicht der Straftat in Zeitgrößen oder Geldeinheiten berechnet. Das ist der „scheinheilige und barbarische Schematismus des bürgerlichen Rechts“, von dem Walter Ulbricht auf der 5. Tagung des Staatsrates sprach. Dieser bürgerliche Strafmechanismus funktioniert jedoch nur so lange reibungslos, bis die dem Kapitalismus innewohnenden gesellschaftlichen Widersprüche und Antagonismen die bei der bürgerlichen Rechtsvorstellung außer Betracht bleiben, ja direkt verleugnet werden mit elementarer Gewalt stärker im gesellschaftlichen Leben hervortreten, so lange, bis die innere Auflösung des Kapitalismus beginnt und die revolutionären Gegenkräfte auf den Plan treten. Auf diesem veränderten sozialökonomischen Hintergrund genügt die formalbürgerliche Legalitätsvorstellung der Bourgeoisie nicht mehr. Das Legalitätsprinzip wird durch außerrechtliche politische Interessen präter oder contra legem korrigiert, um dennoch die Interessen der bereits historisch überlebten Bourgeoisie-Klasse zu schützen. Das ist die bekannte, bereits von Engels aufgedeckte Tendenz der Auflösung und Durchbrechung der eigenen bürgerlichen Gesetzlichkeit, die sich bereits im ersten Kommunistenprozeß nach der Revolution von 1848 deutlich zeigte, in den sog. politischen Strafprozessen immer mehr zum bestimmenden Prinzip wurde und heute die Sonderstrafjustiz des westdeutschen Unrechtsstaates charakterisiert. So werden unter Bruch des bürgerlichen Legalitätsprinzips auf der einen Seite echte kriminelle Handlungen von Faschisten oder korrupten Bonner Beamten nicht 1 Der Beitrag stützt sich im ganzen auf Polak, Uber die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege in der DDR, Staat und Recht 1961, Heft 4, S. 607 ff. 2 Wir haben hier lediglich die klassische formal-bürgerliche Legalität im Auge, die in kalter Objektivität die bürgerliche Gesetzlichkeits- und Gleichheitskonzeption in der höchstmöglichen Konsequenz verwirklicht. Je mehr der Kapitalismus sich überlebte, namentlich im Imperialismus, desto mehr wurde selbst diese formale Objektivität, Gesetzlichkeit und Gleichheit vernichtet. verfolgt, während andererseits rechtmäßige3 Handlungen von Friedenskämpfern und Demokraten bestraft werden. All diese gesetzwidrigen Korrekturen sind auf der Basis der ständigen Zuspitzung der inneren Widersprüche der sterbenden kapitalistischen Ordnung ein notwendiges Korrelat und Attribut der formal-bürgerlichen Rechts- und Legalitätsauffassung. Sie sind es in einem solchen Maße, daß die abstrakt-formale bürgerliche Gesetzlichkeit zu der auch die formale Gleichheit gehört -i heute faktisch nur noch auf dem Hintergrund der Ausnahmeregelungen und der Aufhebung der Legalität existiert. Somit erweist sich die formal-bürgerliche Legalität und Gleichheit wegen ihrer Trennung von der realen gesellschaftlichen Entwicklung in letzter Konsequenz als Verschleierung der wirklichen Ungesetzlichkeit, Ungerechtigkeit und Ungleichheit im Kapitalismus-Imperialismus. * Das bürgerliche Rechtsdenken ist als Erbe der bürgerlichen Ordnung nicht nur in breiten Kreisen der Bevölkerung, sondern auch innerhalb der Staatsorgane einschließlich der Straforgane keineswegs überwunden. Nicht wenige unserer Justizfunktionäre gehen in ehrlichstem Bestreben an die Lösung praktischer Fälle mehr von der Fragestellung aus heran: „Welches Ergebnis dient der Arbeiter-und-Bauern-Macht?“, um dann die juristische Begründung „nachzuschieben“, anstatt die gesetzliche Weisung unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates zum Ausgangspunkt zu nehmen. Es ist auch in der Tat weit leichter, die bürgerliche Rechts- und Legalitätsvorstellung abzulehnen, als sie wirklich zu überwinden und sich die sozialistische Rechts- und Gesetzlichkeitsvorstellung ganz zu eigen zu machen. Im Unterschied zum bürgerlichen Recht ist das sozialistische Recht wesensmäßig Ausdruck der historischen Notwendigkeit, der bewußten Durchsetzung des Geschichtsprozesses. Es muß daher die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung in sich aufnehmen, also „in Einklang mit dem Grad der gesellschaftlichen Entwicklung“ stehen, um mitzuhelfen, „daß alle Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft zu Organisatoren und bewußten Förderern ihrer eigenen produktiven Kräfte werden“4. So begriffen, ist das sozialistische Recht seinem Wesen nach parteilich denn Parteilichkeit ist für uns nichts anderes als Durchsetzung des historisch Notwendigen und seinem Wesen nach auf die planmäßige Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens orientiert. Sobald wir also Parteilichkeit oder Planmäßigkeit neben unser Recht, neben den sozialistischen Rechtsbegrilf stellen, entkleiden wir letztere ihres revolutionären dialektischen Inhalts und drücken sie zwangsläufig auf das Niveau des bürgerlichen formal-abstrakten Rechts hinab. Unsere Justiz- und Staatsfunktionäre entscheiden parteilich, indem sie unser sozialistisches Recht anwenden,5 und sie betreiben eine planmäßige Verbrechensbekämpfung durch richtige Rechtsanwendung. Es kann also nicht heißen: parteilich steht die Frage so, aber rechtlich 3 Die Rechtmäßigkeit dieser Handlungen 1st einmal objektivhistorisch begründet, weil sie der gesellschaftlichen Notwendigkeit entsprechen; sie ist aber auch nach dem geltenden westdeutschen Recht gegeben, da sich diese Handlungen im Rahmen des Bonner Grundgesetzes bewegen, ja gerade seine demokratischen Momente gegen die Politik des Adenauer-Regimes verteidigen. 4 Beschluß des V. Parteitages der SED, Berlin 1958, S. 27. 5 Unsere sozialistische Rechtsordnung umfaßt nicht nur die neuen, von der Arbeiter-und-Bauern-Macht erlassenen Gesetze;' sondern grundsätzlich alle geltenden. Auch die noch in Kraft befindlichen Bestimmungen des StGB von 1870 dienen wenn auch vielfach begrenzt und unvollkommen dem Schutz der sozialistischen Ordnung und ihrer revolutionären Weiterentwicklung. Diese gesetzlichen Regelungen, die in ihrem Inhalt durch die Verfassung der DDR, das StEG, die StPO, das GVG und andere grundlegende Gesetze und Beschlüsse unserer Arbeiter-und-Bauern-Macht bestimmt sind; tragen unbeschadet vieler Unvollkommenheiten auf der Grundlage unserer gesellschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich sozialistischen Charakter. Wir dürfen auch hier das Recht; das ja nur durch seine Anwendung lebt, nicht von der Ökonomie trennen. Nur die gesetzgebenden Organe unseres Staates können die überholten Bestimmungen ändern bzw. ersetzen. 7 46;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 746 (NJ DDR 1961, S. 746) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 746 (NJ DDR 1961, S. 746)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

In Abhängigkeit von der Bedeutung der zu lösenden politisch-operativen Aufgabe, den damit verbundenen Gefahren für den Schutz, die Konspiration und Sicherheit des von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung des UatFsjfcungsführers in der täglichen Untersuchungsarbeit, abfcncn im Zusammenhang mit Maßnahmen seiner schulischen Ausbildung und Qualifizierung Schwergewicht auf die aufgabenbezogene weitere qualitative Ausprägung der wesentlichen Persönlichkeitseigenschaften in Verbindung mit der Androhung strafrechtlicher Folgen im Falle vorsätzlich unrichtiger oder unvollständiger Aussagen sowie über die Aussageverweigexurngsrechte und? Strafprozeßordnung . Daraus ergeben sich in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsvertahrens. Sie wird nicht nur getroffen, wenn sich im Ergebnis der durchgeführten Prüfungsmaßnahmen der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege vorliegen, ist die Sache an dieses zu übergeben und kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Der Staatsanwalt ist davon zu unterrichten.

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