Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 712

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 712 (NJ DDR 1961, S. 712); Schon seit Jahren geben die Bundesgerichte in ihrer Rechtsprechung das Beispiel für die Trennung vom Gesetz. So entschied das Bundesverfassungsgericht im Oktober 1951: „Das Bundesverfassungsgericht erkennt die Existenz überpositiven, auch den Verfassungsgesetzgeber bindenden Rechts an und ist zuständig, das gesetzte Recht daran zu messen.“37 Eindeutiger Gesetzeswortlaut wird für zweideutig erklärt. um dem Gesetz das Gegenteil seines Inhalts unterlegen zu können. Mit diesem Ziel entschied ein Strafsenat des Bundesgerichtshofes im Jahre 1952 dem klaren Wortlaut des § 252 der westdeutschen StPO zuwider, daß der Vernehmungsrichter über den Inhalt einer vor ihm abgegebenen Zeugenaussage auch dann vor Gericht gehört werden darf, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat38. Der große Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bildete das Recht „im Einklang mit dem Geist der Wertungen und der Interessenabwägungen des Normensystems“ fort, indem er entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 400 BGB in abändernder Rechtsfindung Ausnahmen vom Abtretungsverbot unpfändbarer Rentenforderungen zuließ39. Hat nicht der frühere 6. und heutige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes jahrelang Angehörige der KPD wegen ihrer Tätigkeit für die Partei verfolgt, obwohl diese Tätigkeit vor dem Verbot der Partei lag? Fast fünf Jahre brauchte das Bundesverfassungsgericht, um endlich am 21. März 1961 festzustellen, daß die rückwirkende Anwendung eines Gesetzes grundgesetzwidrig ist40. Im Jahre 1958 hielt es Bonn noch für notwendig, in § 21 des damaligen Entwurfs ausdrücklich die Unzulässigkeit von Empfehlungen und Einwirkungen, die den Richter in seiner Unabhängigkeit zu beeinträchtigen geeignet sind, hervorzuheben. Das Gesetz hat diese Vorschrift nicht übernommen, weil damit so der Bericht des Bundestagsrechtsausschusses für die Gestaltung des Richterverhältnisses nichts gewonnen worden wäre. Bekannte Fälle von Einflußnahmen, die auf westdeutsche Richter wegen ihrer Rechtsprechung und während schwebender Verfahren durch hohe amtliche Stellen ausgeübt wurden, lassen den Schluß zu, daß tatsächlich auch mit einer Bestimmung wie der des ehemals geplanten §21 die westdeutsche Wirklichkeit nicht verändert und die Angriffe auf die richterliche Unabhängigkeit nicht aufgehalten worden wären. An die Öffentlichkeit sind sehr massive Fälle solcher Anschläge auf die richterliche Unabhängigkeit gedrungen An zwei davon sei hier erinnert. Als im Jahre 1959 der Vorsitzende der 1. Strafkammer des Landgerichts Bonn (Landgerichtsdirektor Dr. Qui-r i n i) gegen den Obersten von Loeffelholz aus dem Bundesverteidigungsministerium, der von der Industrie, u. a. auch von Daimler-Benz, bestochen worden war, verhandelte, wurde auch der Generaldirektor Koenecke (später selbst Angeklagter im Korruptionsprozeß gegen Kilb, einige Daimler-Benz-Direktoren und Regierungsräte) als Zeuge gehört. Koenecke mußte dabei eine von ihm selbst herausgeforderte Belehrung durch den Vorsitzenden entgegennehmen. Aber noch ehe es in dieser Sache zur Urteilsverkündung kam, veröffentlichte der nordrhein-westfälische Justizminister Dr. Flehing-h a u s in der „Rheinischen Post“ den Artikel „Richter im Scheinwerferlicht“, in dem Quirini getadelt wurde, um ihm die Tätigkeit in der Strafkammer zu verleiden. Nachdem der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts 4 Jahre und 8 Monate lang (vom 21. September 1951 bis zum 21. Juli 1956) für die Verhandlung und Ent- 37 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 1, S. 18. NJW 1952, S. 356. 39 NJW 1952, S. 337. 18 Vgl. ND (Ausg. A) vom 24. März 1961. Scheidung über den Verbotsantrag gegen die KPD zuständig war, erging das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht. Es begründete ab 1. September 1956 die Zuständigkeit des 2. Senats für die Entscheidung über den Verbotsantrag gegen die KPD. Gleichzeitig wurde die Verringerung der Mitgliederzahl beider Senate so geregelt, daß im 1. Senat je nach dem Ausfall einer in Frage kommenden Stichwahl der Senatspräsident Dr. Wintrich oder ein anderer Richter aus dem 1. Senat zum Ausscheiden kommen konnte. Auf diese zweifache Weise während der Urteilsberatung unter Drude gesetzt, verkündete der 1. Senat am 17. August 1956 das von der Bundesregierung gewünschte Verbot der KPD. Sowohl die von den oberen Bundesgerichten vorexerzierte Loslösung vom Gesetz als auch die direkten Eingriffe in die Unabhängigkeit haben längst zu einer Zersetzung der richterlichen Unabhängigkeit und der Rechtsprechung geführt. Dabei wirkt sich die Willkür im Dienste der Remilitarisierung, Refaschisierung und des Revanchismus am stärksten zwar in der Strafrechtsprechung, aber auch in allen anderen Zweigen der Rechtsprechung aus. Dafür nachstehend ein Beispiel. In einem Entschädigungsrechtsstreit beanspruchte die Klägerin Soforthilfe für Rückwanderer. Sie war aus rassischen Gründen während des Krieges von der Gestapo festgenommen und in das Konzentrationslager Theresienstadt geschafft worden, wo sie durch sowjetische Truppen befreit worden war. Ihre Klage wurde von der Entschädigungskammer des Landgerichts Frankenthal am 11. Dezember 1956 abgewiesen. Die Kammer führte aus, eine Deportation habe darum nicht Vorgelegen, weil Theresienstadt zum Zeitpunkt der Verbringung im unmittelbaren Zugriff der deutschen Staatsgewalt lag: „Auf die Grenzen des Deutschen Reiches vom 31. 12. 1937 kann es dabei nicht ankommen, sondern nur auf die tatsächlichen Machtverhältnisse im Zeitpunkt der Deportation (dynamisch gesehen).“41 42 In einem Schreiben der Gestapo Halle vom 16. September 1942 an den Regierungspräsidenten in Merseburg, das Vermögen nach Theresienstadt verschleppter jüdischer Bürger betreffend, heißt es: „Da das Protektorat Böhmen und Mähren nicht als Ausland im Sinne der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. 11. 41 (RGBl. I. S. 722) zu betrachten ist, kann durch die Wohnsitzverlegung nach Theresienstadt ein Vermögensverfall nach dieser gesetzlichen Bestimmung nicht Platz greifen, so daß in jedem einzelnen Fall, soweit Vermögen vorhanden ist, eine Einziehung zu Gunsten des Deutschen Reiches auf Grund der einschlägigen Vorschriften über die Einziehung Volks- und staatsfeindlichen Vermögens durchgeführt werden muß.“J Unverkennbar ergibt sich: Über elf Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft argumentiert ein deutsches Gericht in gleicher Weise wie früher die Gestapo und wie heute wieder die revanchistischen Soldatenverbände und Landsmannschaften, als sei Theresienstadt keine tschechoslowakische Stadt. Die Verfasser des Richtergesetzes geben vor, den Schutz der Unabhängigkeit durch Dienstgerichte zu gewährleisten, zu deren Kompetenz u. a. auch die Entscheidung über Maßnahmen der Dienstaufsicht gehören, wenn ein Richter behauptet, daß die Maßnahmen seine Unabhängigkeit beeinträchtigen43. Jedoch hat das Gesetz das dabei entscheidende Problem nicht gelöst. Es sagt nichts über die Grenze zwischen der Unabhängigkeit der Rechtsprechung und der Dienstaufsicht. Allerdings würde auch das die zunehmende Auflösung der richterlichen Unabhängigkeit nicht aufhalten kon- 41 Die Deportation im Urteil eines deutschen Gerichts, Die Gegenwart, Frankfurt Main, vom 23. Februar 1937, S. 111 ff. 42 Landeshauptarchiv Magdeburg, Rep. C. 40 I e 1173, Blatt 601. 43 vgl. §§ 23, 61 68, 77 84 des Richtergesetzes. Ferner den Bericht des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache Nr. 2785, Seite 5. 712;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 712 (NJ DDR 1961, S. 712) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 712 (NJ DDR 1961, S. 712)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt muß vor der Entlassung, wenn der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt wird, prüfen, daß - die Entlassungsverfügung des Staatsanwaltes mit dem entsprechenden Dienstsiegel und eine Bestätigung der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit erlassenen und für alle Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit verbindlichen Ordnungs- und Verhaltensregeln in der Untersuchungshaf tans alt sowie - die auf den genannten rechtlichen Grundlagen, dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zur Kaderarbeit und vorhandenen Erfordernissen in den aktiven Dienst Staatssicherheit übernommen werden. Sie sind langfristig als Perspektivkader in der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit für Staatssicherheit hinsichtlich ihrer Eignung zu prüfen und zu entwickeln. Bei der Übernahme von in den aktiven Dienst Staatssicherheit ist zu gewährleisten daß keine Gefährdung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben als auch im persönlichen Leben. die Entwicklung eines engen Vertrauensverhältnisses der zu den ährenden Mitarbeitern und zum Staatssicherheit insgesamt. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zur Verwirklichung dieser Zielstellungen die sich für ihren Verantwortungsbereich ergebenden Aufgaben und Maßnahmen ausgehend von der generellen Aufgabenstellung der operativen Diensteinheiten und den unter Ziffer dieser Richtlinie genannten Grundsätzen festzulegen. Die allseitige und umfassende Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet in langfristigen Konzeptionen nach Abstimmung und Koordinierung mit den anderen für die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet sind grundsätzlich in Abstimmung und Koordinierung mit den anderen operativen Diensteinheiten durchzuführen, die entsprechend den Festlegungen in dienstlichen Bestimmungen und Weisungen für die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Derartige Aufgabenstellungen können entsprechend der Spezifik des Ziels der sowohl einzeln als auch im Komplex von Bedeutung sein.

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