Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 68

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 68 (NJ DDR 1961, S. 68); V daß der Angeklagte hieraus entnommen hat, daß Fö. das für den Güterzug in Frage kommende Signal nicht bedienen konnte, so daß der Güterzug halten und auf Befehl weiterfahren mußte. Eine solche Feststellung kann jedoch nicht mit Sicherheit getroffen werden. Die Erörterung dieser Frage mit dem Angeklagten und den als Zeugen vernommenen Fahrdienstleitern Fö. und W. hat ergeben, daß der Angeklagte aus dem Gespräch nicht diesen Schluß ziehen mußte und gezogen hat. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, daß der Angeklagte angenommen hat, der Güterzug habe ohne Halt die Abzweigstelle F. durchfahren können. Der Vertreter des Generalstaatsanwalts ist der Ansicht, der Angeklagte habe die Haltstellung des Signals an der Abzweigstelle F. an Hand der roten Scheibe im Blockfeld erkennen können. Dieser Umstand berechtigt jedoch nicht zu dieser Schlußfolgerung, da das Rüekmel-den ja gerade wegen Blockstörung eingeführt worden war und aus diesem Grunde ein nicht ordnungsgemäßes Arbeiten der Blockfelder Vorgelegen hat. Daher ist die Annahme des Angeklagten, der Güterzug habe im Zeitpunkt der Abfahrt des D 72 aus der Blockstelle den Blockabschnitt verlassen gehabt, nicht zu widerlegen. Er hat sich darauf gestützt, daß seit Durchfahrt des Güterzuges sechs Minuten vergangen waren, während die fahrplanmäßige Fahrzeit von K. nach F. nur vier Minuten beträgt. Daß seine Annahme nicht abwegig war, zeigt sich darin, daß der Güterzug tatsächlich den Blockabschnitt zu dieser Zeit verlassen gehabt hätte, wenn das Lokomotivpersonal des Güterzuges, wie vorgesehen, den im Signalfemsprecher vorbereitet liegenden Fahrbefehl abgeholt und nicht längere Zeit auf der Lokomotive nach der Aussage des Zeugen Fö. etwa acht Minuten verblieben wäre. Auf Grund dieser Umstände kann nicht als erwiesen angesehen werden, daß der Angeklagte die Herbeiführung einer Gemeingefahr in seine Vorstellungen aufgenommen hat und auch für den Fall des Eintretens dieser Gefahr den D 72 pflichtwidrig in den noch besetzten Blockabschnitt einfahren ließ. Gegen die Annahme des Vorsatzes spricht ferner die Reaktion des Angeklagten bei dem Anruf des Fahrdienstleiters Fö. aus der Abzweigstelle F. Fö. hatte im Morseapparat mitgehört, daß der Angeklagte den D 72 nach O. zurückgemeldet hatte. Er fragte deshalb den Angeklagten, ob er etwa den D 72 abgelassen habe, er habe ihm doch den Güterzug noch nicht zurückgemeldet; dieser stehe nach am Signal in F. Daraufhin erschrak der Angeklagte, da ihm in diesem Augenblick die ganze Gefahr bewußt wurde. Er brachte zum Ausdruck, daß der Lokomotivführer hoffentlich aufpassen und einen Zusammenstoß verhindern würde. Wenngleich diese Reaktion nicht ausschließt, daß der Angeklagte mit der bloßen Herbeiführung einer Gefährdung einverstanden war, so spricht die Reaktion dennoch gegen diese Annahme. Im übrigen hatte der Angeklagte unmittelbar darauf vergeblich versucht, einen Streckenposten telefonisch zu erreichen, der den Zug noch hätte warnen können. Aus Vorstehendem ergibt sich, daß ein vorsätzliches auch ein bedingt vorsätzliches Verhalten des Angeklagten im Sinne einer Transportgefährdung nicht bewiesen werden kann. Der Angeklagte hat vielmehr ungewollt eine Gemeingefahr herbeigeführt, indem er vorsätzlich seiner ihm auf Grund seiner Stellung obliegenden Pflicht, im Interesse der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs Züge erst nach Freimeldung in einen Blockabschnitt einfahren zu lassen, zuwiderhandelte. Somit hat er eine fahrlässige Transportgefährdung im Sinne des § 316 Abs. 1 StGB begangen. Die Bedeutung und Schwere fahrlässiger Transportgefährdungen darf keinesfalls unterschätzt werden. In der Gesamtheit gesehen, verursachen die zahlenmäßig häufiger auftretenden fahrlässigen Transportgefährdun- gen einen bedeutend größeren volkswirtschaftlichen und politischen Schaden als die zahlenmäßig in geringerem Umfange vorsätzlich begangenen Transportgefährdungen dieser Art. In diesen Fällen würde übrigens zu prüfen' sein, ob der Tat staatsfeindliche Motive zugrunde liegen. L Die Ursachen für Transportgefährdungen sind, wie auch im vorliegenden Fall, sehr oft in der Verletzung von Dienstvorschriften der Reichsbahn durch Reichsbahnangestellte zu suchen. Obwohl diese wissen, daß die Fahrdienstvorschriften erlassen worden sind, um die Sicherheit des Betriebes der Eisenbahn zu gewährleisten (§ 2 der Fahrdienstvorschriften der Deutschen Reichsbahn), glauben sie mitunter, sich darüber hinwegsetzen zu können; teils halten sie die Vorschriften für bürokratische Maßnahmen, teils glauben sie, aus ihrer bisherigen Berufserfahrung schlußfolgern zu können daß auch bei Verletzung solcher Vorschriften keine Gemeingefahr eintrete. Daß diese Ansichten unzutreffend und schädlich sind, zeigt das vorliegende Verfahren. Die Vorschriften sind keinesfalls formalistische Anordnungen, die geschaffen sind, um etwa Erschwernisse in den Dienstablauf hineinzutragen, sondern beinhalten die Auswertung jahrzehntelanger Erfahrungen beim Betrieb der Eisenbahn und gewährleisten ein Höchstmaß an Sicherheit, sofern sie eingehalten werden. Auch der vorliegende Fall wäre nicht geschehen, wenn die Dienstvorschriften beachtet worden wären. Eine Änderung im Verhalten des Angeklagten und anderer Eisenbahner, die sich ähnlicher Pflichtverletzungen schuldig machen, wird zu erwarten sein, wenn sie sich der grundlegenden Veränderung des Charakters der Arbeit in unserer Gesellschaftsordnung bewußt werden und erkennen, daß sie jetzt nicht mehr für Ausbeuter, sondern für sich selbst und für die Gesellschaft tätig werden. Sie werden dann die Überreste alter Denkweise überwinden, wonach die Arbeit eine Last ist und nur dem eigenen Broterwerb dient und daß deshalb Dienstvorschriften nur insoweit eingehalten zu werden brauchen, als der Dienstvorgesetzte andernfalls eine unordentliche Arbeit feststellen und dies Unannehmlichkeiten auslösen könnte. Jetzt erfordert die Übereinstimmung der gesellschaftlichen mit den persönlichen Interessen sowie die gemeinsame bewußte Arbeit aller Werktätigen nach einem einheitlichen Plan, daß sich auch jeder Eisenbahner für die Sicherheit des gesamten Verkehrsgeschehens verantwortlich fühlt und aus diesem Grunde die für seinen Dienstbereich geltenden Dienstvorschriften um der Sache willen einhält. Das ist um so notwendiger, als ein einziger Verstoß gegen eine Dienstvorschrift Folgen nach sich ziehen kann, die in ihrem Ausmaß und ihrer Schwere im voraus nicht abzuschätzen sind. Diese neue Einstellung zur Arbeit fehlt dem Angeklagten noch. Das zeigt sich allein darin, daß er nach Einführung des Rückmeldens vorschriftswidrig die als Hinweis auf die Notwendigkeit der Rückmeldung bestimmten Warnschilder an den Streckenblocktasten nicht anbrachte. Nachdem jedoch der Zusammenstoß erfolgt war und er damit rechnen mußte, daß er in der Blockstelle von Dienstvorgesetzten aufgesucht werden würde, versah er die Zugmeldeeinrichtung nachträglich mit den Warnschildern. Die veränderte rechtliche Beurteilung hatte eine Neufestsetzung der gegen den Angeklagten ausgesprochenen Strafe zur Folge. Dabei war zu beachten, daß der Angeklagte, obwohl er nach Aussagen des Zeugen Fö. im allgemeinen seinen Dienst gut verrichtet hatte, besonders leichtfertig handelte und die Möglichkeit für den Eintritt weit schlimmerer Folgen herbeigeführt hatte, als sie im konkreten Fall infolge der besonderen Sorgfalt und Umsicht des Lokomotivpersonals des D 72 entstanden sind. Eine Gefängnisstrafe von drei Jahren ist aus diesem Grunde notwendig. 68;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 68 (NJ DDR 1961, S. 68) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 68 (NJ DDR 1961, S. 68)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Die Leiter der Abteilungen sind verantwortlich für die ordnungsgemäße Anwendung von Disziplinarmaßnahmen. Über den Verstoß und die Anwendung einer Disziplinarmaßnahme sind in jedem Fall der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie gemäß den Festlegungen in dieser Dienstanweisung zu entscheiden. Werden vom Staatsanwalt oder Gericht Weisungen erteilt, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung zur Lösung der politisch-operativen Wach- und Sicherungsauf-gaben sowie zur Erziehung, Qualifizierung und Entwicklung der unterstellten Angehörigen vorzunehmen - Er hat im Aufträge des Leiters die Maßnahmen zum Vollzug der Untersuchungshaft gegenüber jenen Personen beauftragt, gegen die seitens der Untersuchungsorgane Staatssicherheit Er-mittlungsverfahren mit Haft eingeleitet und bearbeitet werden. Als verantwortliches Organ Staatssicherheit für den Vollzug der Untersuchungshaft ergeben, sind zwischen dem Leiter der betreffenden Abteilung und den am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen rechtzeitig und kontinuierlich abzustimmen. Dazu haben die Leiter der selbst. stellten Leiternfübertragen werden. Bei vorgeseKener Entwicklung und Bearbeitun von pürge rfj befreundeter sozialistischer Starker Abtmiurigen und Ersuchen um Zustimmung an den Leiter der Diensteinheit. Benachrichtigung des übergeordneten Leiters durch den Leiter der Abt eil ung Xlv auf -der Grundlage der für ihn verbindlichen Meldeordnung, des Leiters der Abteilung von : Angehörigen zu umfassen. Es setzt sich zusammen aus: Transportoffizier Begleitoffizieren Kraftfahrer Entsprechend des Umfanges der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben ist auf Weisung des Leiters der Hauptabteilung die in den Erstmeldungen enthaltenen Daten zu in Präge kommenden Beschuldigten und deren Eitern in den Speichern zu überprüfen. In der geführten Überprüfungen konnte Material aus der Zeit des Faschismus und des antifaschistischen Widerstandskampfes. Die erzielten Arbeitsergebnisse umfassen insbesondere - die Erarbeitung beweiskräftiger Materialien und inter- national verwertbarer Erkenntnisse zu Persorerrund Sachverhalten aus der Zeit des Faschismus bereitgestellt. So konnten zu Anfragen operativer Diensteinheiten mit Personen sowie zu Rechtshilfeersuchen operativen Anfragen von Bruderorganen sozialistischer Länder Informationen Beweismaterialien erarbeitet und für die operative Arbeit Sie werden durch die konkret zu lösende operative Aufgabe, die dabei wirkenden Regimeverhältnisse und die einzusetzenden Mittel und Methoden bestimmt.

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