Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 613

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 613 (NJ DDR 1961, S. 613); § 35 Abs. 1 ASAO 361 vom 30. Januar 1953 (GBl. S. 529); § 21 Abs. I StVO; § 9 StEG. 1. Fahrlässig handelt derjenige, der ungewollt eine Straftat dadurch begeht, daß er einer ihm auf Grund Gesetzes oder den objektiven Umständen und seiner gesellschaftlichen Stellung nach obliegenden Pflicht, sich im gesellschaftlichen Leben vorsichtig und achtsam zu verhalten, bewußt zuwidcrhandelt oder nicht die erforderlichen Anstrengungen unternimmt, sich dieser Pflicht bewußt zu werden und danach zu handeln. 2. Dagegen handelt nicht fahrlässig, wer durch ein von ihm nicht zu verantwortendes persönliches Versagen oder Unvermögen, die Umstände, Folgen und Gefahren seines Handelns zu erfassen und zu beurteilen, daran gehindert wurde, seinen Pflichten bewußt nachzukommen. 3. Von einer gerichtlichen Bestrafdng kann abgesehen werden, wenn trotz erheblicher Folgen das fahrlässige Verschulden des Täters auf Grund der außergewöhnlichen Umstände des Falles gering ist. BG Leipzig, Urt. vom 14. April 1961 4 BSB 54/61. Der 22jährige Angeklagte ist Kraftfahrer. Am 15. Oktober 1960 brachte er 30 Torfmull-Ballen zu einzelnen Parzellen einer Siedlung. Beim Abladen der Ballen an den Parzellen war dem Angeklagten der 68jährige Rentner Sch. behilflich. Der Rentner Sch. befand steh dabei auf der Ladefläche des Lkw. Auf der Fahrt von der Siedlerstelle Nr. 78 zum Haus Nr. 76 löste sich ein Torfmullballen von der zweiten Ladeschicht und fiel auf den Teil der bereits abgeräumten Ladefläche. Der Rentner Sch. wurde durch diesen Ballen getroffen und stürzte vom fahrenden Lkw. Durch diesen Sturz zog er sich eine Schädelbasisfraktur zu, an" deren Folgen er wenige Stunden später verstarb. , Das Kreisgericht hat den Angeklagten von der Anklage der fahrlässigen Tötung freigesprochen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Eine fahrlässige Handlungsweise habe dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden können. Er habe vielmehr die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Unfalls getroffen, indem er den Verunglückten beim Besteigen des Wagens und auch in der Folgezeit mehrmals darauf hingewiesen habe, sich beim Weiterfahren festzuhalten. Diesen Hinweis habe der Verunglückte mit einer lächelnden Miene negiert und sich nicht an der Seitenwand des Lkws festgehalten. Der Verunglückte habe vielmehr kurz vor dem Unglück am hinteren Rand der Ladefläche gestanden, ohne sich festzuhalten. Zwar wäre der Angeklagte unter Beachtung des § 35 Abs. 1 und 2 der ASAO 361 vom 30. Januar 1953 (GBl. S. 529) verpflichtet gewesen, den Verunglückten darauf hinzuweisen, daß er bei der Weiterfahrt einen Sitzplatz einnehmen müsse bzw. daß das Stehen auf der Ladefläche des fahrenden Lkws verboten sei. Nach der Überzeugung des Gerichts hätte aber die Einhailtung dieser gesetzlichen Bestimmungen im konkreten Fall keine Sicherheit für den Verunglückten gegeben, da er ja auch sitzend von dem herabstürzenden Torfmullballen hätte getroffen werden können. Die einzige Sicherheit im gegebenen Falle hätte darin bestanden, daß der Rentner Sch. sich tatsächlich, den Weisungen des Angeklagten folgend, festgehalten hätte. Der Verunglückte habe äußerst sorglos gehandelt. Er habe insbesondere ir. überheblicher Form die Anweisung des Angeklagten negiert. Der Staatsanwalt hatte im erstinstanzlichen Verfahren die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten vertreten und beantragt, unter Anwendung des § 9 StEG von Bestrafung abzusehen, weil der Angeklagte sich vor und nach Begehung der Tat gut geführt hatte. Mit dieser Zielsetzung und aus dieser Überzeugung heraus hat der Staatsanwalt gegen das angei'ochtene Urteil Protest eingelegt. Der Protest rügt, daß das Kreisgericht es im angefochtenen Urteil unterlassen habe, sich mit dem Inhalt der Schuld und dem Begriff der Fahrlässigkeit auseinanderzusetzen. Aus den tatsächlichen Feststellungen ergebe sich: 1. Der Angeklagte habe die Ladung des Fahrzeugs nicht so verstaut, daß eine gefährdende Verlagerung derselben ausgeschlossen war (§ 21 Abs. 1 StVO). 2. Der Angeklagte habe den unfallbetroffenen Rentner * Sch. nicht aufgefordert, sich während der Fahrt des Lkw auf die Ladefläche zu setzen (ASAO 361, § 35 Abs: 1 Satz 2). 3. Der Angeklagte sei mit dem Lkw gefahren, obwohl er wußte, daß der Rentner Sch. auf der Ladefläche stand (ASAO 361, § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 b und c). Das Kreisgericht hätte sidi mit dem sich aus den gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Rechtspflichten des Angeklagten auseinandersetzen müssen. Dem Angeklagten sei ein Schuldvorwurf wegen Fahrlässigkeit deshalb zu machen, weil er seine Pflichten zwar gekannt, sich aber zur Tatzeit nicht genügend angestrengt habe, ihnen im konkreten Fall auch tatsächlich nachzukommen. Unter Berücksichtigung der positiven Entwicklung des Angeklagten vor und nach der Tat sowie der besonderen Tatumstände erachte der Staatsanwalt die Anwendung des § 9 StEG, wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren beantragt, für möglich. Der Protest ist begründet. Aus den Gründen: Das angefochtene Urteil vermag in seiner Begründung nicht zu überzeugen. Die summarische Feststellung, eine fahrlässige Handlungsweise sei dem Angeklagten nicht nachgewiesen worden und der Angeklagte habe nach Auffassung des Gerichts die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Unfalls getroffen, kann im konkreten Fall nicht genügen. (Das Bezirksgericht stellt anschließend fest, daß für den Unfall die ungenügende Sicherung der Ladung und das vorschriftswidrige Verhalten des Verunglückten ursächlich waren. Es kritisiert in diesem Zusammenhang die mangelnde Sachaufklärung durch das Kreisgericht.) Der Angeklagte hat dann pflichtwidrig gehandelt, wenn die Ladung sich zu dem Zeitpunkt, als die Fahrt von der Siedlerstelle Nr. 78 fortgesetzt wurde, bereits in dem akut gefährdenden Zustand befunden hat und der Angeklagte dies erkannte bzw. auf Grund seiner Kenntnisse hätte erkennen müssen. Sollte sich aber in der erneuten Beweisaufnahme heraussteilen, daß der Rentner Sch., nachdem der Angeklagte sich in das Fahrerhäuschen begeben hatte, bzw. möglicherweise bereits nach Anfahren des Lkws selbst Veränderungen am Zustand des Ladegutes vorgenommen hat, dann könnte dem Angeklagten insoweit kein pflichtwidriges und insbesondere kein schuldhaftes Verhalten zur Last gelegt werden. Das Kreisgericht hat im angefochtenen Urteil durchaus zutreffend ausgeführt, daß der Angeklagte nach § 35 Abs. 1 der ASAO 361 verpflichtet gewesen wäre, den Rentner Sch. darauf hinzuweisen, daß er beim Weiterfahren des Lkws nicht auf der Ladefläche stehen darf, sondern einen Sitzplatz einnehmen muß. Ohne sich zu vergewissern, daß der Geschädigte tatsächlich einen Sitzplatz eingenommen hat, hätte der Angeklagte nicht weiterfahren dürfen. Nach den Angaben des Angeklagten waren ihm diese Bestimmungen bekannt, und er wußte zur Unfallzeit auch, daß der Rentner Sch. keinen Sitzplatz auf der Ladefläche eingenommen hatte. Insoweit ist zweifellos festzustellen, daß der Angeklagte die bezeichnete Arbeitsschutzbestimmung verletzt und damit, auch pflichtwidrig gehandelt hat. Hier wird das Kreisgericht sich in der erneuten Verhandlung sorgfältig mit den Beweggründen des Angeklagten befassen müssen, die ihn veranlaßten, pflichtwidrig davon Abstand zu nehmen, dem Rentner Sch. einen sicheren Sitzplatz anzuweisen, und sich lediglich mit der Aufforderung zu begnügen, er solle sich festhalten. Der Begründung des Kreisgerichts, daß die Einhaltung dieser gesetzlichen Bestimmung im konkreten Fall keine Sicherheit für den Verunglückten gegeben hätte, kann seitens des Senats nicht beigepflichtet werden. Erstens ist nicht abzusehen, wie der Geschehensverlauf 613;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 613 (NJ DDR 1961, S. 613) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 613 (NJ DDR 1961, S. 613)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Bei der Durchführung der ist zu sichern, daß die bei der Entwicklung der zum Operativen Vorgang zur wirksamen Bearbeitung eingesetzt werden können. Die Leiter und mittleren leitenden Kader haben die für sie verbindlichen Vorgaben und die gegebenen Orientierungen schöpferisch entsprechend der konkreten Lage in ihren Verantwortungsbereichen um- und durchzusetzen. Die ständige Einschätzung der Wirksamkeit der Arbeit mit den hat vorrangig nach qualitativen Gesichtspunkten, auf der Grundlage der unter Ziffer dieser Richtlinie vorgegebenen Qualitätskriterien, unter besonderer Beachtung der von den im Kampf gegen den Feind und bei der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft. Die höheren Sicherheits-erfordernisse sowie die veränderten politischen und politisch-operativen Lagebedingungen stellen höhere Anforderungen an die Qualität der politisch-operativen Arbeit. Ein Grunderfordernis bei allen politisöK-ioperativen Prozessen und Maßnahmen besteht darin, daß das Grundprinzip der tschekistischen Tätigkeit, die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissen- schaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Arbeit Staatssicherheit ; die grundlegende Verantwortung der Linie Untersuchung für die Gewährleistung dieser Einheit im Zusammenhang mit der politisch-operativen Sicherung operativ-bedeutsamer gerichtlicher Hauptverhandlungen Regelung des Regimes bei Festnahmen und Einlieferung in die Untersuchungshaftanstalt. НА der. Die Zusammenarbeit dient der Realisierung spezifischer politischoperativer Aufgaben im Zusammenhang mit - Übersiedlungen von Bürgern der nach nicht sozialistischen Staaten und Westberlin, Familienzusammenführungen und Eheschließungen mit Bürgern nichtsozialistischer Staaten und Westber- lins, Entlassungen aus der Staatsbürgerschaft der Die politisch-operativen Aufgaben im Zusammenhang mit - Übersiedlungen von Bürgern der nach nicht sozialistischen Staaten und Westberlin, Familienzusammenführungen und Eheschließungen mit Bürgern nichtsozialistischer Staaten und Westber- lins, Entlassungen aus der Staatsbürgerschaft der sind in den Gesamtkomplex der Maßnahmen zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens sowie Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels und zur Zerschlagung der kriminellen Menschenhändlerbanden ist die volle Erschließung der operativen Basis des in der und im Operationsgebiet unerläßlich.

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