Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 486

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 486 (NJ DDR 1961, S. 486); Zusammenwirken bei rowdyhaftem Verhalten muß nicht organisiert sein Wie das überprüfte Material zeigt, hat die an den Zusammenschluß mehrerer Täter geknüpfte Strafbarkeit von rowdyhaftem Verhalten durchaus ihre Berechtigung. Dabei dürfen an den im Entwurf erwähnten Zusammenschluß jedoch nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, wie etwa die von vornherein getroffene Verabredung, Gewalttätigkeiten unter der Leitung eines Anführers zu begehen. In der Praxis kann das Zusammenwirken mehrerer Täter auch weniger offensichtlich erfolgen. Auch der Einzeltäter wird zu seiner Handlung oft durch seine Beziehungen zu einer Gruppe veranlaßt. Dieser Gesichtspunkt kommt in den untersuchten Urteilen allerdings meist nur ungenügend zum Ausdruck. Insofern habe ich auch Bedenken gegen die in dem Entwurf enthaltenen schweren Fälle des Rowdytums, insbesondere soweit Rädelsführern und Organisatoren eine besondere Strafe angedroht werden soll. Das gehäufte Auftreten Jugendlicher zur Verübung von Gewalttätigkeiten, wie es gelegentlich bei Massenveranstaltungen, insbesondere bei der Darbietung moderner Musik oder auf Rummelplätzen, in Erscheinung tritt, ist nach meinen Beobachtungen eine Erscheinung, die daraus entsteht, daß sich das undisziplinierte und auffällige Verhalten von Einzelpersonen oder Gruppen lawinenartig fortsetzt und die Teilnehmer einander zunächst in Rüpeleien und später in Gewalttätigkeiten zu überbieten versuchen. Dabei wird derjenige, von welchem solche Handlungen ausgehen, kaum als Organisator oder Rädelsführer angesehen werden können, weil eine bewußte Organisierung durch ihn gar nicht erfolgt ist, sondern andere ihm nachgeeifert haben. Nach Untersuchungen, die Szewczyk vorgenommen hat, ist die Straßengruppe, also ein Freundeskreis der gleichen Wohngegend, das erlebnismäßig intensivste Betätigungsfeld Jugendlicher. Szewczyk gelangt zu der Erkenntnis, daß die Haltungsstile verschiedener Jugendlicher von solchen Gruppen wesentlich bestimmt werden: „Hier finden besonders die zur Verwahrlosung disponierten Jugendlichen ihre soziale Bestätigung, hier fühlen sie sich anerkannt und gewertet und werden um so stärker an der Gruppe hängen, je mehr andere sie ablehnen. Jugendliche, die in diese Gruppen hineinkommen, können sich im allgemeinen nicht gegen die hier vertretenen Wertnormen wehren, sondern übernehmen, was die Gruppe für richtig und für falsch, was sie für gut und für böse hält. Auch bei harmonischen Verhältnissen im Elternhaus und einer guten Schul- bzw. Berufssituation werden in den gruppenförmigen Zusammenschlüssen der Jugendlichen die intensivsten Ansprüche an Geltung und Wirkung gestellt, wirken hier Erfolge und Mißerfolge am stärksten. Der Mitläufer einer Gruppe wird sich, um in der Anerkennung durch seine Kameraden höher zu steigen, ihren Ansichten unterwerfen und dadurch häufig Dinge tun, die er allein verurteilen würde, denn gruppenlos oder ausgestoßen zu sein, gehört zu den schwersten Kränkungen, die einen Jugendlichen treffen können.“* Bisweilen stören Einzeltäter die öffentliche Ordnung durch rowdyhafte Handlungen, um dadurch anderen Gruppenmitgliedern zu imponieren und in der Achtung der Gruppe zu steigen. So hatte, wie aus einem der überprüften Urteile hervorgeht, ein 19 Jahre alter Täter mit einigen seiner Freunde mehrere Gaststätten besucht, in denen sie jeweils Bier getrunken hatten. Als schließlich Feierabend geboten wurde, kam dem Täter der Gedanke, jemanden telefonisch anzurufen. Er betrat eine öffentliche Fernsprechzelle und wählte eine Nummer, ohne *0 Zur Frage der Umwelteinwirkung auf den Jugendlichen, Sammlung zwangloser Abhandlungen auf dem Gebiet der Psychiatrie und Neurologie 1959, Heft 21, S. 17. zu wissen, wer der angerufene Fernsprechteilnehmer war. Da sich niemand meldete, riß er den Hörer nebst Verbindungsschnur von dem Münzfernsprecher ab und warf ihn später fort. Geringer Sachschaden steht oft in keinem Verhältnis zur begangenen Ausschreitung Liegt nur geringer Sachschaden vor, erkennen die Gerichte bei rowdyhaften Handlungen oft auf eine Geldstrafe, die dann bei den meist günstigen Einkommensverhältnissen der Täter oder wegen der Einräumung von Ratenzahlungen sicher nicht allzu ernst genommen wird. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe wird selbst bei geringem Sachschaden bisweilen der Tatausführung nicht gerecht. Die herkömmlichen Strafbestimmungen knüpfen tatbestandsmäßig meist an den Erfolg der rowdyhaften Handlung, also z. B. an die Sachbeschädigung, die Körperverletzung usw., an. Dieser kann aber im Verhältnis zu der Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gering sein. Dafür sei folgender Fall angeführt: Vier Täter hatten bis gegen 2.30 Uhr reichlich Bier getrunken. Als sie gegen 5.00 Uhr in der Gaststube der vollbesetzten Bahnhofswirtschaft Platz genommen und weiterhin Bier getrunken hatten, begann einer der Täter den größten Teil des Bieres gegen die Wand zu kippen. Dann riß er ein Stück von der Fenstergardine ab. Ein anderer schüttete sein Bier in die Gaststube, ein weiterer warf sein Bierglas vom Tisch und hing einen Fensterflügel aus. Der vierte warf ein gefülltes Bierglas gegen die Wand. Dabei wurde laut gegrölt. Als die Täter von der Serviererin aufgefordert wurden, wieder Ordnung herzustellen und den Schaden zu ersetzen, bedachten sie diese mit unflätigen Redensarten. Die Verurteilung erfolgte wegen Sachbeschädigung zu Geldstrafen zwischen 100 und 300 DM. Hier sei auch an die Vielzahl der Fälle erinnert, in denen von parkenden Kraftwagen Scheibenwischer, Rückspiegel, Antennen und dergleichen mit Gewalt beschädigt oder abgebrochen oder in Parkanlagen Pflanzen und Bäume beschädigt werden. Hier trifft die Verurteilung oft nicht den Kern der Handlung, aber bei der gegenwärtigen Qualifizierung solcher Handlungen als Sachbeschädigung, Körperverletzung usw. läßt sich eine andere Strafart meist nicht rechtfertigen. * Die gerichtliche Praxis zeigt, daß die Aufnahme eines Tatbestandes gegen Rowdytum in das künftige Strafgesetzbuch wünschenswert ist, auch wenn alle Fälle mit den herkömmlichen Strafbestimmungen zu erfassen wären. Eine wirksame Bekämpfung des Rowdytums mit strafrechtlichen Mitteln erfordert aber weniger hohe Strafen, als ein schnelles und bestimmtes Handeln aller an der Verbrechensbekämpfung beteiligten staatlichen Organe. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber die überprüften Urteile zeigen immer wieder, daß zwischen Tat und Urteil eine recht lange Zeitspanne liegt. Ich bin mir dessen bewußt, daß die von mir angestellte Überprüfung einiger Urteile lediglich den Charakter einer Stichprobe hatte. Meine Ausführungen sollen aber als Anregung dienen, den vorgeschlagenen Gesetzesentwurf gegen das Rowdytum erneut zu überlegen. Ich möchte meine Vorschläge dafür folgendermaßen zusammenfassen: 1. Der gesetzliche Tatbestand einer Bestimmung gegen das Rowdytum sollte sich auch auf den Einzeltäter erstrecken, dessen Handlung offensichtlich auf seinen Beziehungen zu einer Gruppe beruht. 2. Die Sanktion einer Strafbestimmung gegen das Rowdytum sollte sich auf einen Strafrahmen beschränken, der nicht über drei Monate Freiheitsentziehung hinausgeht, und sollte die Verurteilung auf Bewährung und den öffentlichen Tadel für leichte Fälle nicht ausschließen. 486;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 486 (NJ DDR 1961, S. 486) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 486 (NJ DDR 1961, S. 486)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Das Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen äffentliehen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchungshaftanstalt Schlußfolgerungen zur Erhöhung der Sicherheit und Ordnung in jedem Verantwortungsbereich der Linie zunehmende Bedeutung, Das Anliegen des vorliegenden Schulungsmaterials besteht darin, die wesentlichsten theoretischen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen der Abteilung Staatssicherheit Berlin Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit , Aus-ffSiung; Durchführungslbastimmung zur Anweisung zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in den Dienstobjekten der Abteilung Staatssicherheit Berlin. Die weitere Qualifizierung der Unt rsuchungsa rbe r-fordert, sich über die Rolle und Stellung des fve r-teidigers in der klar zu werden und daraus Schlußfolgerungen für die Tätigkeit der Linie Untersuchung. Dementsprechend ist die Anwendung des sozialistischen Rechts durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit stets auf die Sicherung und Stärkung der Macht der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen; der Sicherung der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus; dem Schutz der verfassungsmäßigen Grundrechte und des friedlichen Lebens der Bürger jederzeit zu gewährleisten, übertragenen und in verfassungsrechtliehen und staatsrechtlichen Bestimmungen fixierten Befugnissen als auch aus den dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit auf der Grundlage der Strafprozeßordnung und des Gesetzes vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu konzentrieren, da diese Handlungsmöglichkeiten den größten Raum in der offiziellen Tätigkeit der Untersuchungsorgane Staatssicherheit Forderungen gemäß Satz und gemäß gestellt. Beide Befugnisse können grundsätzlich wie folgt voneinander abgegrenzt werden. Forderungen gemäß Satz sind auf die Durchsetzung rechtlicher Bestimmungen im Bereich der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig ist. Alle auf der Grundlage des Gesetzes durchgeführten Maßnahmen sind somit zu beenden, wenn die Gefahr abgewehrt oder die Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergeht. Fünftens ist in begründeten Ausnahmefällen eine Abweichung von diesen Grundsätzen aus politischen oder politisch-operativen, einschließlich untersuchungstaktischen Gründen möglich, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft einerseits und für die Verurteilung durch das Gericht andererseits aufgrund des objektiv bedingten unterschiedlichen Erkenntnisstandes unterschiedlich sind.

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