Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 485

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 485 (NJ DDR 1961, S. 485); Die Bestimmung kommt in ihrem dispositiven Teil ständig mit anderen Tatbeständen in Berührung und unterscheidet sich in ihrer Sanktion nicht besonders von anderen Strafbestimmungen. Eine wirksame Bekämpfung rowdyhafter Handlungen ist aber nicht damit zu erreichen, daß eine Doppelspurigkeit eingeführt wird, indem objektiv gleichartige Handlungen wegen der Verschiedenheit des strafrechtlich geschützten Objekts nach verschiedenen Tatbeständen abgeurteilt werden. Vom juristischen Standpunkt ist diese Unterscheidung gerechtfertigt, aber im ganzen gesehen kann das Rowdytum damit nicht wirksamer bekämpft werden, als bei der Anwendung der sonstigen Bestimmungen des Allgemeinen und Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs. Wenn die Aufnahme eines besonderen Tatbestands gegen das Rowdytum sinnvoll sein soll, muß mit ihm ein Verhalten für strafbar erklärt werden, das mit den Bestimmungen des sonstigen Strafrechts nicht oder nicht treffend genug erfaßt wird und eine besondere Handhabung der strafrechtlichen Mittel erfordert. Strafe kein Allheilmittel gegen undisziplinierte Jugendliche Wie aus der Strafandrohung der vorgeschlagenen Bestimmung zur Bekämpfung des Rowdytums hervorgeht, wird hier die Kraft der Strafe offenbar verkannt. Sie ist kein absolutes Allheilmittel gegen Jugendliche, die die öffentliche Ordnung durch undiszipliniertes Verhalten stören. Nach S a w i c k i 2 kommt dem Strafrecht bei der Bekämpfung des Rowdytums zwar eine unermeßlich wichtige, aber im Grunde genommen nur eine Hilfsrolle zu. Es dient im Einzelfall der Ergänzung des von den gesellschaftlichen Kräften ausgehenden Erziehungsprozesses zur Überwindung von Vorstellungen und Begriffen, die in der alten Ordnung entstanden sind. Die Erziehung und Umerziehung der Menschen, die Formung des neuen Bewußtseins und der neuen Moral sind ein komplizierter, vielseitiger und langwieriger Prozeß, in dem sich die Elemente des Spontanen mit der bewußten Tätigkeit der Partei, der Klassen, des Staates und anderer Institutionen verbinden2 3. Die vorgeschlagene Strafandrohung berücksichtigt m. E. nicht genügend die in der Bekämpfung der Jugendkriminalität und speziell des Rowdytums gewonnenen Erkenntnisse. Nach den bisher gemachten Beobachtungen sind kurze, unmittelbar auf die Tat folgende Freiheitsstrafen meistens von erzieherischem Einfluß sowohl auf den Täter als auch auf Personen seiner Umgebung. Aus diesem Grund erwähnen die Diskussionen um das Strafensystem im neuen Strafgesetzbuch bei der Erörterung kurzfristiger Freiheitsstrafen auch stets solche Straftaten, die zwar selbst unmittelbar mit keinem schweren Schaden verbünden sind, jedoch durch Gewalttätigkeit, Roheit oder ähnliche Begehungsformen eine grobe Mißachtung der gesellschaftlichen Ordnung zum Ausdruck bringen4. Ein gleichlautender Standpunkt ist in der Richtlinie Nr. 12 des Obersten Gerichts enthalten.5 6 Zu der mir überhöht erscheinenden Strafandrohung hat möglicherweise der Umstand beigetragen, daß die Auffassungen über den Inhalt rowdyhafter Verhaltensweisen zwar für die Umgangssprache ausreichend klar, als strafrechtlicher Begriff jedoch noch recht un- 2 Zitiert bei Luther, Einige Bemerkungen zum Begriff und über die Bekämpfung des Rowdytums in der DDR, Schriftenreihe der Deutschen Volkspolizei 1958, Heft 13, S. 19. 3 Streit, Zu einigen Fragen der Jugendkriminalität, NJ 1961 S. 321. 4 Bein/Creuzburg, Zum Strafensystem im neuen Strafgesetz- buch, Staat und Recht 1961, Heft 4, S. 733. 6 NJ 1961 S. 290. bestimmt sind. Auch die Kriminalstatistik gibt vermutlich aus den gleichen Gründen über rowdyhafte Straftaten nur unzulänglich Aufschluß. Luther hat das Rowdytum begrifflich folgendermaßen bestimmt: „Als Rowdytum bezeichnet man in der DDR solche gesellschaftsgefährlichen, strafbaren Handlungen, die andere Menschen oder fremdes Eigentum gefährden oder verletzen, oder die die Tätigkeit der für den Schutz der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung verantwortlichen Organe gefährden oder hindern und die vorsätzlich mit der Absicht begangen werden, die Nichtachtung der Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zum Ausdruck zu bringen.“8 Wie bei vielen in der Umgangssprache häufig verwendeten Begriffen ist es interessant, auch einmal auf die sprachliche Bedeutung des Wortes einzugehen. Der Stamm des der englischen Sprache entlehnten Wortes „row“ heißt soviel wie „Lärm“ oder „Spektakel“. Bei wörtlicher Übersetzung ins Deutsche müßte der Rowdy also „Lärm- oder Spektakelmacher“ genannt werden. In alten Wörterbüchern findet man unter dem Stichwort „Rowdy“ Erläuterungen wie folgende: „Besonders junge, auf Abenteuer und Unfug ausgehende Müßiggänger in den großen Städten der Vereinigten Staaten Nordamerikas“?. Später wird der „Rowdy“ als „Tagedieb, Herumtreiber, in größeren Städten namentlich gewalttätiger Strolch und Dirnenzuhälter“ beschrieben. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes gibt trotz des veränderten Inhalts, der ihm insbesondere innerhalb des Strafrechts zukommt, Aufschluß darüber, daß die zum Rowdytum zählenden Handlungen durch lärmendes und undiszipliniertes, die öffentliche Ordnung störendes Verhalten von Personen gekennzeichnet sind. Die Begehung vorher überlegter, konzentrierter, schwerer Angriffe auf Personen oder Sachen, die zwar gleichfalls die öffentliche Ordnung stören, fällt demnach nicht hierunter. Sie ist nach anderen Bestimmungen des Strafrechts zu beurteilen; denn bei einer bestimmten Zielsetzung des Täters gegenüber dem Angegriffenen ist Rowdytum begrifflich ausgeschlossen. Nach Sawicki besteht das Wesen des Rowdytums darin, daß der Täter ausschließlich mit der Absicht handelt, „die Mißachtung der Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ zum Ausdruck zu bringen. „Die Straftat gegen das Leben, die Gesundheit, das Eigentum, die öffentliche Ordnung usw. wird dann für den Täter einzig und allein zu einem Mittel, mit dessen Hilfe er die eben bezeichnete Absicht verwirklicht.“8 Ich halte es im Gegensatz zu Luther8 daher für richtig, einer Strafbestimmung gegen das Rowdytum grundsätzlich den Charakter der Subsidiarität beizulegen und sie nur dann zur Anwendung zu bringen, wenn nicht wegen des Vorliegens schwerer Verbrechen eine Verurteilung nach anderen Gesetzen in Frage kommt. In einigen Fällen wäre es jedoch zur richtigen Charakterisierung der Handlung zweckmäßig, wenn neben der Verurteilung nach anderen Strafgesetzen auch eine Verurteilung wegen rowdyhaften Verhaltens erfolgte. Hierfür ein Beispiel: Ein 20 Jahre alter Bauhilfsarbeiter wurde wegen Notzucht und versuchter Notzucht in mehreren Fällen zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. In einem der Fälle hat er sich durch Gewaltanwendung eines Stückes der Unterbekleidung eines Mädchens bemächtigt. Er gab das Kleidungsstück einem seiner Freunde, der es beim Tanz fallen ließ. Andere Jugendliche gaben es dann bei der Musikkapelle mit der lauten Aufforderung ab, die Verliererin möge sich melden. 6 Luther, Schriftenreihe, a. a. O., S. 9. 7 Dr. Heyses Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, Hannover 1859. 8 Zitiert bei Luther, a. a. O. 9 NJ 1961 S. 378. 485;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 485 (NJ DDR 1961, S. 485) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 485 (NJ DDR 1961, S. 485)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

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