Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 477

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 477 (NJ DDR 1961, S. 477); als Totschlag darstellen, wäre die entsprechende Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen.-' Grundsätzlich gehen wir davon aus, daß gemäß Art. 5 der Verfassung der DDR die allgemein anerkannte völkerrechtliche Pflicht zur Verfolgung und Bestrafung von Kriegsverbrechern nicht durch überkommene innerstaatliche Normen eingeengt werden darf. Im Urteil im Oberländer-Prozeß verwies das Oberste Gericht der DDR mit Recht zusätzlich auf Artikel 144 Abs. 2 der Verfassung der DDR, nach dem die verfassungsmäßigen Rechte nicht den Bestimmungen entgegengehalten werden können, die ergangen sind, um den Nationalsozialismus und Militarismus zu überwinden und das von ihnen verschuldete Unrecht wiedergutzumachen. Zusammenfassend stellte das OG fest: „Diesen gemäß Artikel 144 Abs. 2 der Verfassung vorrangig geltenden völkerrechtlichen Normen können die im nationalen Strafrecht enthaltenen Bestimmungen über Verjährung nicht entgegengehalten werden.“28 Eine Befristung der Strafverfolgung von Kriegsverbrechen könnte nur durch eine alle interessierten Parteien beteiligende völkerrechtliche Vereinbarung erfolgen. Eine derartige Vereinbarung wäre in einem Friedensvertrag mit beiden deutschen Staaten denkbar, aber auch hier nur als Bestandteil eines wirksamen Systems antimilitaristischer, friedenssichernder Klauseln. Der Einwand des höheren Befehls Das Völkerrecht lehnt die Bezugnahme auf einen höheren Befehl als Strafausschließungsgrund eindeutig ab. Das ist in Theorie und Praxis so allgemein anerkannt, daß es keiner breiten Beweisführung bedarf. Im übrigen liegt hierzu eine ausgezeichnete Arbeit von I. M. Iwanowa vor: „Die Bezugnahme auf einen .höheren Befehl“ im Völkerrecht“.28 Iwanowa behandelt im einzelnen die weit zurückgreifende Vorgeschichte des Artikels 8 des Nürnberger Statuts (vergleichbar mit Art. 6 des Tokioter Statuts), in dem es heißt: „Die Tatsache, daß ein Angeklagter auf Befehl seiner Regierung oder eines Vorgesetzten gehandelt hat, gilt nicht als Strafausschließungsgrund, kann aber als Strafmilderungsgrund berücksichtigt werden, wenn dies nach Ansicht des Gerichtshofes gerechtfertigt erscheint.“ Dieser Grundsatz wurde im Urteil des Nürnberger und des Tokioter Internationalen Militärtribunals bestätigt und in Ost und West in zahlreiche nationale Gesetze über die Verfolgung und Bestrafung von Kriegsverbrechern übernommen. Der Einwand des höheren Befehls ist Teil eines ganzen Verteidigungssystems imperialistischer Autoren, dessen Ergebnis es wäre, daß letztlich überhaupt niemand für Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Denn nach dieser Theorie wäre der unmittelbare Täter nicht strafbar, weil er „nur“ Befehlsempfänger war. Sein Vorgesetzter wäre nicht strafbar, weil er „nur“ den Befehl übermittelte. Und der Befehlsgeber selbst als den Jahreiss in Nürnberg letztlich nur Hitler sehen wollte könnte sich seinerseits unter Berufung auf die berüchtigte Doktrin des Staatsaktes der Verantwortung entziehen. Selbst nach dem faschistischen „Reehts“system wäre im übrigen ein höherer Befehl keineswegs grundsätzlich strafausschließend gewesen. Als Angehöriger einer mili- ~~ vgl. Foth, Die Verbrechen der Blutrichter verjähren nicht, NJ 1960, S. 400 ft. 5 NJ 1960, Beilage zu Heft 10, S. 19. 28 Fragen der Theorie und Praxis des modernen Völkerrechts* Moskau 1960, S. 131 145 (russ.). tärischen SS-Einheit unterlag Schäfer einer Sondergerichtsbarkeit. Für seine Untaten wäre nach faschistischem „Recht“ § 47 des Militärstrafgesetzbuches maßgebend gewesen. Hier hieß es im Absatz 2, daß „den gehorchenden Untergebenen die Strafe des Teilnehmers trifft, wenn ihm bekannt gewesen ist, daß der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche ein bürgerliches oder militärisches Vergehen bezweckte“. Zu diesem § 47 schrieb ein Kommentator des Militärstrafgesetzbuches namens Dietz im Jahre 1944 einen vom ehemaligen Chefankläger der USA im Wilhelmstraßenprozeß, Kempner, treffend als „geradezu erleuchtend“ bezeichneten Kommentar. Es heißt hier: „Der noch heute immer wieder vertretene Satz, der Untergebene habe kein Recht, einen Befehl (seine Rechtmäßigkeit und seine Verbindlichkeit) zu prüfen , kann nicht richtig sein. Er könnte es nur sein, wenn jeder Befehl blindlings befolgt werden müßte; es gibt aber nach deutschem Militärstrafrecht unbestritten keinen blinden Gehorsam; der rassische Hoch- und der Bildungsstand deutschen Soldatentums verlangt sehenden Gehorsam ,“* 30 Ein höherer Befehl kann bestenfalls eine Strafmilderung zur Folge haben, falls die Gerichte dies in Würdigung des Einzelfalles für geboten halten. Schäfer hat im übrigen nicht nur als Befehlsempfänger gehandelt. Er trat in vielen von ihm selbst bestätigten Fällen (Verschärfung der Qualen des Baumhängens, Schläge in die Nierengegend, Auspeitschen auf dem Bock, schwere Mißhandlung der Essenholer) aus eigener Initiative brutaler auf, als er es selbst nach den ihm erteilten Instruktionen der Lagerleitung des KZ Buchenwald hätte sein sollen. * Dem Wesen nach sitzt in jedem Kriegsverbrecherprozeß der Militarismus auf der Anklagebank. Ohne die faschistische und militaristische Entwicklung in Deutschland gäbe es heute keinen Fall Schäfer. Schäfer ist alles andere als ein Opfer, wohl aber ein Produkt des deutschen Militarismus. Der Militarismus war es, der Schäfer zu seinen Untaten erzog und durch Sonderrationen und sonstige Vergünstigungen für seine Verbrechen im Kommando 99 „honorierte“. Auch das Verfahren gegen Schäfer bewies, daß ein Kriegsverbrecherprozeß seine gesellschaftliche Aufgabe nicht erfüllen würde, wenn er sich nur die selbstverständliche Aufgabe stellt, die individuelle Schuld des Angeklagten zu klären. Kriegsverbrecherprozesse müssen auch und nicht zuletzt die wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Wurzeln des Militarismus bloßlegen und so ihre notwendige Beseitigung erleichtern.31 Der Prozeß vor dem 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR war von dieser Erkenntnis getragen. Er sah die Taten Schäfers nicht isoliert, sondern als Auswirkungen eines verbrecherischen Systems, dessen Beseitigung nicht nur historisch, sondern auch völkerrechtlich geboten ist. Der Prozeß gegen Schäfer war von der schlüssigen Überlegung getragen, daß über das Wirken eines noch so gefährlichen Handlangers des faschistischen Systems nicht jene vergessen werden dürfen, die durch ihre Tätigkeit die scheinlegale Grundlage für das Vernichtungswerk schufen, an dem sich Schäfer beteiligte. So war der Schuldspruch des Obersten Gerichts im Verfahren 1 Zst (I) 1/61 nicht nur ein Urteil über Schäfer, sondern zugleich auch über Globke und andere intellektuelle Urheber von Kriegsund Menschlichkeitsverbrechen, die das Bluthandwerk vom Schreibtisch aus im großen Stil betrieben. so Kempner, Eichmann und Komplizen, Zürich-Stutigart-Wien, 1961, S. 55. 31 vgl. hierzu Kohl, 15 Jahre nach Nürnberg, NJ 1960 S. 738. 477;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 477 (NJ DDR 1961, S. 477) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 477 (NJ DDR 1961, S. 477)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl rsonen rsonen Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesve rräterische. Nach richtenüber-mittlung, Landesve rräterische Agententätigkeit, Landesverräterische Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Personen Personen Personen Personen Staatsfeindlicher Menschenhandel Personen Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-verletzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, öugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß der Sachverständige zu optimalen, für die Untersuchungsarbeit brauchbaren Aussagen gelangt, die insofern den Sicherheitserfordernissen und -bedürfnissen der sowie der Realisierung der davon abgeleiteten Aufgabe zur Vorbeugung, Aufdeckung und Bekämpfung durch Staatssicherheit ist;. Entscheidende Kriterien für die Charakterisierung einer Straftat der allgemeinen Kriminalität als politisch-operativ bedeutsam sind insbesondere - Anzeichen für im Zusammenhang mit der Beendigung der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit bei der Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit außerhalb des die erforderliche Hilfe und Unterstützung zu geben.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X