Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 461

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 461 (NJ DDR 1961, S. 461); \ HARRY METTIN, stellvertr. Direktor des Stadtbezirksgerichts Berlin-Mitte Entspricht das Strafbefehlsverfahren der sozialistischen Rechtspflege? Bei der Diskussion über den Beschluß des Staatsrates der DDR über die weitere Entwicklung der Rechtspflege wurde geäußert, daß das Strafbefehlsverfahren mit dem jetzigen Entwicklungsstand des sozialistischen Strafrechts nicht mehr vereinbar sei. Bereits 1958 wies Weber1 2 auf eine ganze Reihe von Nachteilen des Strafbefehlsverfahrens hin, die ihn bestimmten, für eine Einschränkung dieser besonderen Verfahrensart zu plädieren. Geständigkeit oder eindeutige erdrückende Beweisführung zählte er zu den Voraussetzungen für den Erlaß eines Strafbefehls, wobei er auch bei vorbestraften Tätern die Durchführung einer Hauptverhandlung empfahl. Auch sei „eine Verurteilung durch Strafbefehl nicht zu empfehlen, wenn wegen der Art der Tat oder der Persönlichkeit des. Täters nicht auf eine Hauptverhandlung verzichtet werden kann, weil das Kennenlernen des Täters und die unmittelbare Eiriwirkung auf ihn erforderlich sind, damit das Strafverfahren seiner Erziehungsfunktion gerecht werden kann“-1. Audi die Kommission zur Überprüfung der Strafprozeßordnung wandte sich damals den Problemen des Strafbefehlsverfahrens zu und schlug gegen die Stimmen der Vertreter der Obersten Staatsanwaltschaft der DDR die ersatzlose Streichung der §§ 254 bis 259 StPO vor3. Das Strafbefehlsverfahren ist ein vereinfachtes und abgekürztes Verfahren. Im Gegensatz zum beschleunigten Verfahren, das trotz der durchzuführenden Beweisaufnahme die Geständigkeit des Beschuldigten voraussetzt, wird diese Forderung für den Erlaß eines Strafbefehls durch das Gesetz nicht erhoben; es dürfen lediglich keine erheblichen Zweifel an der Tat und an der Schuld des Täters bestehen (§ 254 Abs. 2 StPO). Geringere Zweifel sind demnach kein gesetzliches Hindernis für den Erlaß eines Strafbefehls. Schon daraus ergibt sich ein widersprüchliches Verhältnis des Strafbefehlsverfahrens zu der Forderung an das Gericht, die Umstände und Folgen der Tat, die Persönlichkeit des Täters und seine Beweggründe allseitig zu erforschen (§ 200 Abs. 1 StPO). Große Anforderungen werden damit an die Qualität der Hauptverhandlung gestellt, und sie beziehen sich undifferenziert auf die Untersuchung aller Delikte. ■ ' ' Im Strafbefehlsverfahren kann sich das Gericht hingegen kein eigenes Bild über die Üerson des Täters, die Motive seiner Tat und die Wurzeln des sich in der strafbaren Handlung manifestierenden Widerspruchs zwischen dem Verhalten des Täters und den Interessen’der Gesellschaft machen. Hinzu kommt, daß der Richter allein, ohne Schöffen, den Strafbefehl erläßt. Die Erziehung des Rechtsverletzers ist in unserem StaaPnicht allein die Aufgabe der Justizorgane, sondern der ganzen Gesellschaft, insbesondere des Kollektivs, in welchem der Rechtsverletzer lebt und arbeitet. Mit der Entscheidung im Strafbefehlsverfahren wird aber zu dieser gewaltigen gesellschaftlichen Aufgabe nur ein ungenügender Beitrag geleistet. Osmenda führte hierzu aus: 1 vgl. Weber, Einige Fragen des Strafbefehlsverfahrens, NJ 1958 S. 156 ff. 2 a. a. O-, S. 157. ' 3 vgl. Schulze, Bemerkungen zum beschleunigten Verfahren* NJ 1957 S. 543 ff. „So war z. B. im Kreis Burg ein Fall, in welchem durch Strafbefehl eine Gefängnisstrafe von zwei Monaten ausgesprochen wurde, besonders dazu geeignet, ff! breitem Maße die Werktätigen in die Bekämpfung von Verkehrsstraftaten einzubeziehen. Der Beschuldigte hatte gemeinsam mit mehreren Arbeitskollegen auf der Baustelle von Mittag an Alkohol getrunken (2,4 °/00 Blutalkoholgehalt). Seine Kollegen wußten, daß der Beschuldigte nach Feierabend mit seinem Motorrad nach Hause fahren wollte. Hier wäre es erforderlich gewesen, die Arbeitskollegen unmittelbar in das Verfahren miteinzubeziehen, um damit gleichzeitg auf eine Verbesserung der Arbeitsmoral hinzuwirken, die zumindest an diesem Tag mangelhaft gewesen war.“4 * Ein weiterer Nachteil besteht darin, daß eine bedingte Verurteilung oder ein öffentlicher Tadel durch Strafbefehl nicht ausgesprochen werden können. Dagegen spricht der klare Wortlaut des § 254 StPO, der die im Strafbefehlsverfahren möglichen gerichtlichen Maßnahmen erschöpfend beschreibt3. Ein Strafbefehl kann somit nur dann erlassen werden, wenn nach dem Stand der Ermittlungen zu erwarten ' ist, daß nur eine unbedingte Freiheitsstrafe den erforderlichen erzieherischen Einfluß und die notwendige disziplinierende Wirkung beim Täter hervorzurufen geeignet ist. Eine solche Wirkung kann aber nur dann erzielt werden, wenn die unmittelbar nach der Tat ausgesprochene kurzfristige Freiheitsstrafe im Strafbefehlsverfahren beträgt die Höchststrafe sechs Monate Freiheitsentziehung sofort vollstreckt werden kann. Bis zur Rechtskraft des Strafbefehls und damit zur Vollstreckung kann aber erhebliche Zeit vergehen, wenn der Täter gegen den Strafbefehl Einspruch und danach Berufung einlegt. Es ist gewiß kein Zufall, wenn das Plenum des Obersten Gerichts empfiehlt, die Möglichkeiten des beschleunigten Verfahrens und der Abkürzung der Ladungsfrist zur Ahndung solcher Straftaten zu nutzen, für die eine unbedingte kurzfristige Freiheitsstrafe notwendig erscheint, dabei den Strafbefehl aber nicht erwähnt.6 Es gibt m. E. keine ernsthaften Hinderungsgründe, auch in solchen Fällen, in denen heute noch vielfach Strafbefehle erlassen werden, beschleunigte Verfahren durchzuführen oder mit abgekürzter Ladungsfrist zu arbeiten, um die Erziehungsaufgaben des sozialistischen Gerichts noch besser zu erfüllen. Erst in der Hauptverhandlung kann sich das Gericht durch Einbeziehung der Arbeitskollektive, Brigaden, Hausgemeinschaften usw. ein richtiges Bild von der Tat und. der Person des Täters verschaffen, erhält es die Grundlage für die erforderliche Differenzierung und vermag den erzieherischen Einfluß zu sichern, der über die Möglichkeiten der Hauptverhandlung hinausgeht. So hat das Gericht die Möglichkeit, entsprechend der gesellschaftsfördem-den und bewußtseinsbildenden Rolle' des sozialistischen Rechts auch die Wurzeln des Verbrechens zu untersuchen und deren Beseitigung zu erreichen. Nicht der Erlaß eines Strafbefehls, sondern die Hauptverhandlung muß der Höhepunkt der umfassenden und 4 NJ 1961 S. 296. 6 vgl. OG, Urt. vom 27. Juni 1958, NJ 1958 S. 538 f. vgl. Richtlinie Nr. 12 vom 22. April 1961 ln NJ 1961 S. 289 ff. / 461;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 461 (NJ DDR 1961, S. 461) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 461 (NJ DDR 1961, S. 461)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl rsonen rsonen Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesve rräterische. Nach richtenüber-mittlung, Landesve rräterische Agententätigkeit, Landesverräterische Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Landesverräterische Agententätigkeit er Staatsfeindlicher Menschenhandel Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die staatl und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-ve rle tzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, Jugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und den eingesetzten Sicherungskräften ergebenden grundsätzlichen Aufgaben zur Gewährleistung eines umsichtigen, zügigen und optimalen Ablaufes von der Zuführung verdächtiger Personen bis zur Entscheidung unter strikter Beachtung der dem Bürger zustehenden Rechte, wie der Beschwerde, die in den Belehrungen enthalten sein müssen, zu garantieren. Diese Forderungen erwachsen aus der sozialistischen Gesetzlichkeit und ist für die Zusammenarbeit das Zusammenwirken mit den. am Vollzug der Untersuchungshaft beteiigten Organen verantwortlich. Der Leiter der Abteilung der ist in Durchsetzung der Führungs- und Leitungstätigkeit weitgehend auszuschließen. ,. Das Auftreten von sozial negativen Erscheinungen in den aren naund Entvv icklungsbed inqi in qsn. Der hohe Stellenwert von in den unmittelbaren Lebens- und Entwicklungsbedingungen von Bürgern der noch nicht den gesellschaftlichen Erfordernissen entspricht und damit Ansatzpunkte für die Erzeugung feindlich-negativer Handlungen bieten kann.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X