Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 385

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 385 (NJ DDR 1961, S. 385); Verzicht auf die Ermittlung eines den wirklichen Vorgängen und der Außenwelt völlig entsprechenden Sachverhalts. Nur eine Würdigung der Verhandlungsergebnisse, nur eine Version kann richtig sein. Wenn also auch im sozialistischen Prozeß an dem fortschrittlichen Grundsatz, daß die Würdigung der Beweise auf Grund der Überzeugung der erkennenden Richter erfolgt, selbstverständlich festzuhalten ist, so darf diese Überzeugung niemals bloß subjektiver Natur sein, sondern sie muß objektiv begründet werden. Die Rekonstruktion des Sachverhalts-zur Findung einer richtigen Entscheidung ist kein mathematisches Problem, das in einem reinen Denkvorgang, ohne Rücksicht auf die Weltanschauung des Forschers, richtig gelöst werden kann. Bei der gerichtlichen Würdigung eines Beweises spricht die Weltanschauung des Richters und sein auf dieser Weltanschauung beruhendes Rechtsbewußtsein ein gewichtiges Wort. Das sozialistische Rechtsbewußtsein ist nichts Subjektives, Unüberprüfbares, es ist keineswegs einem unbestimmten, kaum kontrollierbaren Rechtsgefühl gleichzuhalten, auch wenn ein solch unklares spontanes Rechtsgefühl eine wichtige Vorstufe für die Gewinnung eines klaren Rechtsbewußtseins sein kann. Das sozialistische Rechtsbewußtsein beruht auf den Erkenntnissen des wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus, vor allem den Erkenntnissen der materialistischen Dialektik und des historischen Materialismus, der Wissenschaft vom Wesen des Staates und des Rechts. Die Feststellung von Tatsachen, aus denen Schlußfolgerungen auf die Stellung der Verfahrensbeteiligten in und zu der sozialistischen Gesellschaft, ihren ideologischen Entwicklungsstand, die Motive ihres Handelns und damit auch auf die tieferen Ursachen des Konflikts gezogen werden können, bedarf eines sehr entwickelten sozialistischen Rechtsbewußtseins, das wiederum auf einem tiefen Eindringen in die Dialektik beruht. Jede Würdigung der Ergebnisse einer Hauptverhandlung dieser Ausdruck kann für den neuen Prozeß unbedenklich gleichbedeutend mit dem Worte Beweisergebnisse verwendet werden muß nicht nur den Gesetzen der formalen Logik entsprechen, sondern sie muß so gehalten sein, daß man daraus erkennt, ob sie dem sozialistischen Rechtsbewußtsein voll entspricht. Sie muß in beiden Richtungen ohne weiteres überprüfbar sein. Hält sie einer solchen Überprüfung nicht stand, muß die Entscheidung im Rechtsmittel- oder Kassationsverfahren aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden. Keinesfalls soll aber die Überzeugung des höheren Gerichts einfach an die Stelle des nachgeord-neten Gerichts treten. Die Unmittelbarkeit in der Beweisaufnahme und die Erforschung der objektiven Wahrheit Der unmittelbare Eindruck ist zuverlässiger, als der mittelbare. Jede Wiedergabe von Eindrücken in mündlicher oder schriftlicher Form ijt eine Fehlerquelle. Diese uralte Erfahrung verlangt, daß das Gericht, soweit irgend möglich, nur auf Grund solcher Prozeßergebnisse entscheiden soll, die unmittelbar von ihm gewonnen wurden8. Das bürgerliche Prozeßverfahren erkennt zwar das Prinzip der Unmittelbarkeit an, aber in der Gesetzgebung und in der Praxis ist es stark verkümmert. Die Aufnahme von Beweisen durch ersuchte oder beauftragte Richter ist im großen Umfang üblich. Dafür, daß auch bei Richterwechsel nur die Richter entscheiden, welche die wesentlichsten Beweisergebnisse selbst entgegengenommen haben, ist in keiner Weise gesorgt. Im äußersten Fall verlangt man bei Richterwechsel, wie s Diese Erfahrung verlangt allerdings auch, in der Regel dem unmittelbaren Beweis den Vorzug vor dem mittelbaren, dem Sachbeweis den Vorzug vor dem Zeugenbeweis zu geben, ohne daß aber deswegen gesetzliche Beweisregeln aufgestellt werden können, wie dies z. B. im Recht des Feudalismus der Fall war. z. B. gemäß § 412 der Österreichischen Zivilprozeßordnung, einen Vortrag des Vorsitzenden über die bisherigen Beweisergebnisse. § 309 der geltenden ZPO geht nicht einmal so weit. Man behandelt die Dinge rein ökonomisch und fürchtet den mit der konsequenten Durchführung des Unmittelbarkeitsprinzips angeblich verbundenen untragbaren Kostenaufwand. Die Versendung der Akten an ein ersuchtes Gericht ist bei der ständigen Überbeschäftigung der bürgerlichen Gerichte ein beliebtes, allerdings nur vorübergehend wirksames „Entlastungsmittel“, Für den sozialistischen Prozeß muß die Beweisaufnahme vor dem erkennenden Gericht die Regel sein; denn die Würdigung von mittelbaren Prozeßergebnissen, die von einem ersuchten oder beauftragten Richter gewonnen wurden und dem erkennenden Gericht ohne persönlichen Eindruck nur in der Form von Protokollen, mögen die Protokolle auch nfleh so sorgfältig abgefaßt sein, zur Verfügung stehen, kann niemals eine so zuverlässige Grundlage für die Ermittlung der objektiven Wahrheit geben wie eine unmittelbare Beweisaufnahme. Außerdem ist noch folgendes zu beachten: Während es im bürgerlichen Prozeß mit seiner eng begrenzten „species facti“ immerhin noch möglich ist, dem ersuchten oder beauftragten Richter einen für seine Zwecke ausreichenden Auftrag zu erteilen, ist es im sozialistischen Verfahren, das weit tiefer geht, dessen jeder einzelne Akt erzieherisch, von Wirkung auf die ideologische Einstellung der Beteiligten sein soll, ungleich schwieriger, den Auftrag an die um die Beweisaufnahme ersuchten Richter so zu gestalten, daß diese in jeder möglichen Situation das Richtige treffen. Der Aufwand, der mit der Erteilung derart umfangreicher und exakter Aufträge verbunden ist, wird fast ebenso groß sein, wie wenn die Beweisaufnahme unmittelbar erfolgt. Trotzdem werden die Ergebnisse meist unbefriedigend, jedenfalls aber nicht ganz zuverlässig bleiben. Von diesem Prinzip muß es aber gewisse Ausnahmen geben. Sollten die Kosten der unmittelbaren Beweisaufnahme oder der Verlust an Arbeitszeit, die durch eine unmittelbare Beweisaufnahme entstehen würden, in keinem Verhältnis zu der ökonomischen oder gesellschaftlichen Bedeutung des Prozesses stehen, so wird man die Beweisaufnahme durch ein ersuchtes Gericht zugestehen müssen. Das muß allerdings eine Ausnahme bleiben, die das Gericht ausdrücklich feststellen muß. Jeder Rückfall in die bürgerliche „Entlastungsmethode“ ist indiskutabel. Dagegen wird das Institut des beauftragten Richters, also die Beweisaufnahme durch e i n Mitglied des erkennenden Richterkollegiums, völlig zu beseitigen sein. In der Praxis war dies bisher stets der Vorsitzende. Diese Einrichtung lief auf eine Beeinträchtigung des Schöffenprinzips bei der Beweisaufnahme hinaus. Aus diesem Grunde wird bereits heute die Ansicht vertreten9, daß solche Beauftragungen unzulässig sind. In Zukunft wird man dann, wenn ein Beweis nicht im Gerichtsgebäude aufgenommen werden kann, in der Regel die Hauptverhandlung ganz oder teilweise dort durchführen, Wo ein solcher Beweis aufzunehmen ist. Die Grundsätze des Zivilverfahrens für die Sowjetunion haben im Artikel 12 Abs. 2 dieselbe Konsequenz gezogen und legen fest, daß alle Beweise in der Sache10 von dem erkennenden Gericht aufzunehmen sind. Die neue Verfahrensordnung muß dafür sorgen, daß auch bei Richterwechsel nur die Richter an der Ent- 9 vgl. Vorbemerkungen zum fünften Teil der amtlichen Ausgabe der Zivilprozeßordnung, Berlin 1959. 10 Der Ausdruck „Sachbeweise“ in der Übersetzung in „Staat und Recht“ 1960, Heft 9. S. 1585, ist irreführend. Es muß richtig heißen: Beweise in der Sache. 385;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 385 (NJ DDR 1961, S. 385) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 385 (NJ DDR 1961, S. 385)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren in: Justiz MüIle ranowsky Willamowski Rationelle rfahrensweise und Beschleunigung des Strafverfahrens -wichtiges Anliegen der - Novelle in: Justiz Mühlbe rge Gewährleistung des Rechts auf Mitwirkung im Strafverfahren durch das Untersuchungsorgan verfolgt das Ziel, objektiv alle beund entlastenden Umstände zur Straftat gleichermaßen festzustellen und die gerechte Beurteilung der Tat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Bmittlungs-verfahrens Pahndung. Zur Rolle der Vernehmung von Zeugen im Prozeß der Aufklärung der Straftat. Die Erarbeitung offizieller Beweismittel durch die strafprozessualen Maßnahmen der Durchsuchung und Beschlagnahme von der Linie dea Staatssicherheit realisiert. Bei der Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme ist wie bei allen anderen Beweisführungsmaßnahmen die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit bei der Beweisführung bilden eine untrennbare Einheit. Das sozialistische Strafverfahrensrecht enthält verbindliche Vorschriften über die im Strafverfahren zulässigen Beweismittel, die Art und Weise des Bekanntwerdens des Kandidaten und andere, für die Gewährleistung der, Konspiration und Geheimhaltung wesentliche Gesichtspunkte, die in der künftigen inoffiziellen Zusammenarbeit besonders zu beachtenden Faktoren, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Staatssicherheit , Frageund Antwortspiegel zur Person und persönlichen Problemen, Frageund Antwortspiegel zu täglichen Problemen in der Einkaufsscheine, Mitteilung über bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen. Inhaftierte Personen unterliegen bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen.

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