Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 349

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 349 (NJ DDR 1961, S. 349); wörtlich ist und daß hier auch keine besonderen Erziehungsmaßnahmen anzuwenden sind. Hier kommt eine ärztliche Behandlung und notfalls eine Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt in Betracht. Entsprechend dem bloßen Wortlaut des § 4 JGG würde man aber in diesen Fällen feststellen können, daß die potentielle Reife zur Einsicht in die Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat und zur Willensbestimmbarkeit zur Zeit der Tat durchaus worlag. Eindringlich erhellt daher aus dem Gesagten, daß die unbedingte Notwendigkeit besteht, für die Jugendlichen sowohl einen entwicklungspsychologisch mehr dynamisch orientierten Paragraphen im Sinne unseres bisherigen § 4 JGG als auch einen psychopathologisch orientierten Paragraphen entsprechend dem § 51 StGB über die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit zur Verfügung zu haben. Hartmann ist auf diese Fragen besonders eingegangen, und auch er hebt hervor, daß im künftigen Strafgesetz diese beiden Paragraphen sinngemäß beibehalten werden sollten. Eine Prüfung der gesellschaftlich bezogenen Entwicklungsreife nach § 4 JGG sollte daher erst dann erfolgen, wenn die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht durch psychopathologische Fakten entsprechend § 51 StGB ausgeschlossen ist. Wird § 51 StGB verneint, kann aber immer noch Unzurechnungsfähigkeit nach § 4 JGG gegeben sein. Wenden wir uns nun der Formulierung des § 4 und evtl. Abänderungsvorschlägen zu. Die Frage nach der Einsicht eines Jugendlichen ist im wesentlichen die Frage nach der Intelligenz. Die Intelligenz ist ein Teil der Gesamtpersönlichkeit eines Jugendlichen. Intelligenzmangel disponiert leicht zur Kriminalität, denn er erschwert die Einsicht und Anpassung an die Erfordernisse des sozialen Lebens. Im Gegensatz zu den übrigen psychischen Abnormitäten einer jugendlichen Persönlichkeit läßt sich praktisch der Intelligenzmangel über bestimmte Leistungsanforderungen, über die Betrachtung des Lebensgangs und auch im Rahmen einer Untersuchung von Tathergang, Interessen und allgemeinen Lebensumständen noch am ehesten messen und objektivieren. Bei der Frage nach der sittlichen Reife gibt es dagegen keine zuverlässigen meßbaren Leistungsanforderungen. Sitte und Moral sind gesellschaftlich wandelbare Begriffe. Das gemütsbedingte Verständnis im allgemeinen und die gefühlsmäßige Besetzung im Hinblick auf die Tat lassen sich nur aus der klinischen Beobachtung, aus dem Eindrude, den der Jugendliche in einem längeren und häufigeren ärztlichen Gespräch macht, aus der Kenntnis seiner Lieblingsbeschäftigung, seiner Erlebnisse, Wunschträume, Lektüre, seiner Kameraden, seiner Freizeitgestaltung usw. übersehen; Dieser Eindrude über die sittliche Reife also auch ein Bestandteil der Gesamtpersönlichkeit ist mit der Tat und deren Begleitumständen zu vergleichen. Das weitere Moment „nach der Einsicht zu handeln" oder die Frage nach der Willensfähigkeit im Zeitpunkt der Tat, die Frage nach den möglichen Hemmungen, ist ärztlich und wissenschaftlich unbeantwortbar. Hierauf ist in maßgeblichen psychiatrischen Arbeiten bereits hingewiesen worden6. Will der Sachverständige trotzdem aus der Kenntnis der Gesamtpersönlichkeit eines jugendlichen Täters eine Antwort geben, so verläßt er den Boden fundierten Wissens, den Boden der Erkenntnis und kann nur ein Ermessensurteil abgeben. Wenn aber hier schon der psychiatrische Sachverständige vor einer unbeantwortbaren Frage steht, um wieviel mehr dann der in diesen Fragen ja nicht ausgebildete und fachkundige Richter. Ganz abgesehen davon ist es oft auch nicht einmal möglich, ein Ermessens- * vgl. u. a. Schneider, Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, Stuttgart 1948; Witter, Die Willensfähigkeit als Problem der forensischen Psychiatrie, Fortschrittliche Neurologie 1959, S. 655. urteil abzugeben; z. B. wenn zwischen Tat und psychiatrischer Untersuchung ein längerer Zeitraum von Monaten bis Jahren liegt. Nicht nur, daß die Vorgeschichte durch mannigfaltige Einflüsse unzuverlässiger geworden ist, auch die körperlichen und psychischen Untersuchungsergebnisse lassen in der Regel Rückschlüsse auf den zurückliegenden Zustand der Persönlichkeitsreife zur Zeit der Tat kaum noch zu. Selbst bei Erwachsenen und bei der Beurteilung des § 51 StGB, der ja im Prinzip die gleiche Psychologie der Tat repräsentiert, ist die Frage nach der Willensfähigkeit nicht ganz eindeutig zu beantworten. Hier hat sich allerdings die Gepflogenheit herausgebildet, ein empirisch nicht näher begründbares Ermessensurteil abzugeben im Sinne von „gesund“ gleich frei und von „krank“ gleich unfrei in seiner Willensfähigkeit. Mag das noch bei psychopathologischen also eindeutig krankhaften Zuständen vertretbar sein, bei den normalpsychologischen Schwankungen, wie sie § 4 JGG umreißt, ist auch dieser Ausweg nicht mehr gangbarS. 7. Aus dem Bestreben, die Problematik der gesellschaftlichen Verankerung aller Straftaten viel schärfer zu fassen, machte Hinderer 1958 einen Vorschlag zur Neuformulierung des § 4: „Ein Jugendlicher ist strafrechtlich nur dann verantwortlich, wenn er auf Grund seiner Entwicklung zur Zeit seines Handelns fähig war, die gesellschaftliche Bedeutung seines Handelns zu erkennen und entsprechend dieser Erkenntnis sein Verhalten zu bestimmen.“8 9 Hartmann formulierte dann 1959 einen anderen Vorschlag, in dem er die jetzigen §§ 1 und 4 JGG miteinander koppelte; „Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er über 16 Jahre alt, aber noch nicht 18 Jahre alt und auf Grund seiner Entwicklung zur Zeit der Tat fähig ist, deren gesellschaftliche Bedeutung zu erkennen und entsprechend dieser Erkenntnis sein Handeln zu bestimmen.“6 Bei Lekschas heißt es 1958: „ nach seiner körperlichen und gesellschaftlichen Entwicklung fähig ist .“10. Ich selbst habe dann auf Grund der Tatsache, daß die sittliche und geistige Entwicklung sowie die Fähigkeit, nach der Einsicht zu handeln, Bestandteile der Gesamtpersönlichkeit eines Jugendlichen sind, folgende Formulierung vorgeschlagen: „Ein Jugendlicher ist strafrechtlich nur verantwortlich , wenn er zur Zeit seiner Tat die Persönlichkeitsreife zur Einsicht in das Gesellschaftsgefährliche seines Tuns hatte.“ Während Hinderer zwar den Fähigkeitsbegriff und die gesellschaftliche Bedeutung des Handelns in seine Fassung hineinbringt, bleibt er aber noch bei der Prüfung der Willensbestimmbarkeit stehen. Außerdem fragt er nach der Entwicklung des Jugendlichen zur Zei.t seines Handelns die gleiche Frage, die auch Hartmann in seiner ersten Fassung verwendet. Diese Frage nach der Entwicklung, bei der ja nicht näher definiert ist, ob damit die körperliche oder die psychische oder die gesellschaftliche oder alle zusammen gemeint sind, bringt nämlich gewisse Gefahren mit sich, weil t- worauf oben hingewiesen wurde die Vorverlegung der körperlichen Reife bei unserer Jugend dem Gericht oft einen falschen. Eindrude vermittelt. In seiner Stellungnahme zu meinem Vortrag auf der 19. Sitzung der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie kommt Hartmann auch zu diesen kritischen Er- 7 Auf diese Schwierigkeiten wies bereits Vorkastner hin in: Handbuch der Psychiatrie (Hrsg. Bumke), Allg. Teil, 1929, Bd. IV, S. 132. * Hinderer, Die zukünftige Regelung der Zurechnungsfähigkeit im StGB, Staat und Recht 1958, Heft 12, S. 1293. 9 NJ 1959 S. 305. 10 Staat und Recht 1958, Heft 4, S. 372. 349;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

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