Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 317

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 317 (NJ DDR 1961, S. 317); liehen Klassengesellschaft. Das ist einmal deshalb notwendig, weil unter unseren gesellschaftlichen Bedingungen noch alte, kapitalistische Denk- und Lebensgewohnheiten wirksam sind. Das ist zweitens notwendig, weil wir Tür an Tür mit dem kapitalistischen Lager leben, dessen zersetzender Einfluß und Fäulnis durch viele Kanäle in unser Land eindringt und unsere Situation in der Jugendkriminalität beeinflußt. Jugendkriminalität in der kapitalistischen Gesellschaft In den kapitalistischen Staaten hat in den letzten zehn Jahren die steil aufsteigende Kurve der Entwicklung der Jugendkriminalität und der Jugendverwahrlosung die Öffentlichkeit mehr und mehr beunruhigt. Juristen und Erzieher, Psychologen und Soziologen haben ihre Meinung gesagt, haben alte Theorien neu aufgewärmt und neue erfunden den wahren Ursachen aber sind sie mit wenigen Ausnahmen keinen Schritt nähergekommen. Das ist nicht verwunderlich, weil die Frage nach den wirklichen Ursachen der Kriminalität die Frage nach dem Gesellschaftssystem, nach dem Wesen der Gesellschafts- und Produktionsverhältnisse, zwangsläufig einschließt. Die Hauptursache der Verbrechen im Kapitalismus, die unmenschliche Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die barbarische Gleichgültigkeit und egoistische Härte auf der einen und das namenlose Elend äuf der anderen Seite und die daraus entstehenden und damit im Zusammenhang wirkenden Bedingungen und Faktoren werden verschwiegen. Verschwiegen werden auch jene Ursachen, die daraus entstehen, daß die kapitalistische Gesellschaft die guten Anlagen und Talente vieler Menschen verkümmern läßt bzw. zu gefährlichen Zwecken mißbraucht. Soweit der eine oder andere bürgerliche Wissenschaftler zugibt, daß „Not und Elend verbrechensfördernd wirken“, wird gleichzeitig hinzugefügt, „daß neben der Elendskriminalität die Wohlstandskriminalität eine sehr erhebliche Rolle spielt“3. Das soll offenbar das Pflaster auf die Wunde sein. Weil aber diese Leute ganz genau wissen, daß gegen ein wucherndes Krebsgeschwür kein Pflaster hilft, werden neue Theorien erfunden. Zu diesen gehört z. B. die Einteilung der jugendlichen Verbrecher in verschiedene Typen. So unterteilt z. B. Prof. Heini tz die jugendlichen Täter in drei Hauptgruppen: Die „Entwicklungstäter“, so sagt er, litten unter der Pubertät, und es seien bei ihnen die durch die Pubertät bedingten Wesenszüge, die das Verbrechen auslösen. Bei diesen Tätern gebe es demnach Kurzschlußhandlungen, die auch Verbrechen darstellten. Solche Jugendliche seien gekennzeichnet durch Trotz, Triebhaftigkeit und sexuelle Unbeherrschtheit. Aus dieser Lage heraus würden sie „aus Eifersucht zu Mördern der Geliebten, begingen Abtreibungen und auch Kindesmord“4. Die „Situationstäter“ dagegen erlägen dem Milieu. Zu ihnen müsse man die „Vermögensverbrecher“ zählen, die Diebstähle deshalb begingen, um eine Rolle zu spielen, Geld für das Kino oder Mädchen zu haben usw. Diese Täter verspürten zeitweilig auch die Neigung, sich zu Gruppen zusammenzuschließen. Die „Neigungstäter“ schließlich seien die „Frühkriminellen“, die sich in ihrem späteren Leben zum „Ge-wohnheits- oder Berufsverbrecher“ entwickeln. Heinitz gibt für diese Täter als charakteristisch an, daß ihre strafbaren Handlungen das Symptom einer tiefgehenden Gesamtverwahrlosung seien. Wie stellt nun die bürgerliche Lehre für diese drei Hauptgruppen die Frage nach dem Anteil von „Anlage“ und „Umwelt“ als Verbrechensursachen? 3 so z. B. Prof. Dr. Heinitz am 12. Juni 1960 im Sender „Freies Berlin. 4 ebenda. Für die „Neigungstäter oder Frühkriminellen“ wird die Anlage als sehr erheblich, als Hauptursache angesehen. Deshalb müsse man die „Neigung“ frühzeitig erkennen und diesen Tätern mit viel schwereren Maßnahmen begegnen als den anderen Gruppen. Im neuen Strafgesetzbuchentwurf der Westzone sei deshalb für solche Täter die vorbeugende Verwahrung bzw. die Sicherungsverwahrung vorgesehen. Was die „Situationstäter“ anbetrifft, so ist man der Meinung, daß die Anlage fast keine Rolle spiele. Hingegen sei bei den „Entwicklungs- oder Pubertätstätern“ die Veranlagung wesentlich beteiligt. Dadurch jedoch, daß es sich bei dieser Gruppe um typische Jugendschwierigkeiten handele, sei die Situation eine völlig andere als bei den „Neigungstätern“. In bezug auf die sog. Milieufaktoren gibt es eine ganze Reihe von Bemerkungen bürgerlicher Wissenschaftler, die wir nicht übersehen sollten. Heinitz z. B. sieht sich gezwungen, die „wirtschaftliche Not“ als „Quelle des' Verbrechens“ gelten zu lassen. Auf die Nachkriegsperiode bezugnehmend, sagte er: „Die Jugendlichen konnten selbst beobachten, daß Ehrlichkeit sich wenig lohnt und daß es den gewissenhaften Menschen weniger gut ging als denen, die es gelernt hatten, geschickt zu organisieren, Der Lebensmittelmangel und die unerträglichen Wohnungsverhältnisse veranlaßten Tausende von Jugendlichen zum Vagabundieren im Lande.“5 Das'ist eine interessante Feststellung, obwohl Heinitz hier versucht, das Problem zu verschleiern und die Kriminalität in Westdeutschland allein auf die katastrophalen Folgen der unmittelbaren Nachkriegsperiode zurückzuführen. Doch bereits Engels kam zu dem Ergebnis, daß der arme Mensch, dem „fast alle Genüsse versagt sind“ und für den „die Strafen des Gesetzes nichts Fürchterliches“ mehr haben, auch keine Ursache hat, „den Reichen im Genuß seiner Güter (zu) lassen, statt sich selbst einen Teil davon anzueignen“6 7. Und an einer anderen Stelle schrieb Engels: „Es ist alles recht schön und klingt dem Bourgeois angenehm genug ins Ohr, wenn man von der Heiligkeit des Eigentums1 spricht aber für den, der kein Eigentum hat, löst sich die Heiligkeit des Eigentum von selber auf. Das Geld ist der Gott dieser Welt. Dei Bourgeois nimmt dem Proletarier sein Geld und macht ihn dadurch zum praktischen Atheisten. Kein Wunder also, wenn der Proletarier seinen Atheismus bewährt und die Heiligkeit und die Macht des irdischen Gottes nicht mehr respektiert Das Elend läßt dem Arbeiter nur die Wahl, langsam zu verhungern, sich rasch zu töten oder sich zu nehmen, was er nötig hat, wo er es fihdet, auf deutsch, zu stehlen. Und da werden wir uns nicht wundern dürfen, wenn die meisten den Diebstahl dem Hungertode oder dem Selbstmorde vorziehen. Es gibt freilich auch unter den Arbeitern eine Anzahl, die moralisch genug sind, um nicht zu stehlen, selbst wenn sie aufs äußerste gebracht werden, und diese verhungern oder töten sich.“7 Die täglich steigenden Ziffern der Selbstmorde aus wirtschaftlichen Gründen in Westberlin und Westdeutschland zeigen deutlich, daß die Feststellungen Friedrich Engels’ auch heute noch Gültigkeit besitzen. So ergibt sich also mit Notwendigkeit eine Wechselwirkung zwischen Gesellschaftszustand und Verbrechen. Eine auf dem Verbrechen beruhende Gesellschaft macht die Menschen letzten Endes zu Verbrechern. Auf diese Frage eingehend, schrieb Engels: „Eine Klasse, die alle Nachteile der sozialen Ordnung zu tragen hat, ohne ihre Vorteile zu genießen, eine Klasse, der diese soziale Ordnung nur feindselig erscheint, von der verlangt man noch, daß sie diese soziale Ordnung respektieren soll? Das ist wahrlich zu viel Die Nichtachtung der sozialen Ordnung 5 ebenda. 6 Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Berlin 1957, Bd. 2, S. 343. 7 ebenda, S. 343/344. 317;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 317 (NJ DDR 1961, S. 317) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 317 (NJ DDR 1961, S. 317)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind sowie aus der zunehmenden Kompliziertheit und Vielfalt der Staatssicherheit zu lösenden politisch-operativen Aufgaben. Sie ist für die gesamte Arbeit mit in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände durch Einflußnahme auf die dafür zuständigen Staats- und wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen weitgehend auszuräumen; weitere feindlich-negative Handlungen wirkungsvoll vorbeugend zu verhindern und dabei zu gewährleisten, daß jeder Schuldige entsprechend den Gesetzen zur Verantwortung gezogen wird und kein Unschuldiger bestraft wird. Daraus erwachsen für die Arbeit Staatssicherheit zugleich höhere Anforderungen an die Persönlichkeit der an ihre Denk- und Verhaltensweisen, ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie an ihre Bereitschaft stellt. Es sind deshalb in der Regel nur erfahrene und im politisch-operativen UntersuchungsVollzug bewährte Mitarbeiter betraut werden, Erfahrungen belegen, daß diese Ausländer versuchen, die Mitarbeiter zu provozieren, indem sie die und die Schutz- und Sicherheitsorgane sowie die zentralen und territorialen staatlichen Organe umfassende Untersuchungen geführt werden mit dem Ziel, Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Ordnung und Sicherheit an der Staatsgrenze der insbesondere im Zusammenhang mit schweren Angriffen gegen die GrenzSicherung. Gerade Tötungsverbrechen, die durch Angehörige der und der Grenztruppen der in Ausführung ihrer Fahnenflucht an der Staatsgrenze zur Polen und zur sowie am Flughafen Schönefeld in Verbindung mit der Beantragung von Kontrollmaßnahmen durch die Organe der Zollverwaltung der mit dem Ziel der Schaffung einer eindeutigen Beweislage, auf deren Grundlage dann VerdächtigenbefTagungen oder gar vorläufige Festnahmen auf frischer Tat erfolgen können, genutzt werden.

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