Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 313

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 313 (NJ DDR 1961, S. 313); mann-Prozeß als befangen ablehnte. Die „Befangenheit“ dieser Richter besteht in ihrer notwendigen Parteinahme für das objektive Völkerrecht, ist also genau diejenige Art von Parteilichkeit, die das Wesen eines demokratischen Gerichts ausmacht. Daß Servatius den Versuch unternimmt, im Eichmann-Prozeß das Argument des „Befehlsnotstands“ auszunutzen, zeigt seine Beteuerung, es sei „das Unglück des Angeklagten, einer verbrecherischen Regierung verbunden gewesen zu sein; jetzt aber sei er von seinem Eid befreit“. Würde man diesem Argument stattgeben, so würde jeder Faschist bis zum gesetzmäßigen Zusammenbruch des Regimes durch seinen 'J'feueschwur gegenüber dem Banditenstaat gedeckt sein und könnte anschließend sich darauf berufen, daß er ja jetzt keine strafbaren Handlungen mehr begehen könne, da das Regime mitsamt seiner sog. Rechtsordnung und seiner verbrecherischen Befehlsgewalt zusammengebrochen sei. Der einzige Irrtum, in dem sich die faschistischen Gewaltverbrecher tatsächlich befanden auf ihren „Irrtum“, ihr daher fehlendes „Unrechtsbewußtsein“ berufen sich ja ihre Verteidiger regelmäßig , betrifft nicht die objektive Rechtslage, sondern vielmehr die Aussichtslosigkeit des Faschismus, die Perspektivelosig-keit des Imperialismus überhaupt. Wer ist zur Aufklärung und Bestrafung berechtigt und verpflichtet und in welcher Frist? Nach den gegebenen Darlegungen handelt es sich bei den faschistischen Straftaten um die Erfüllung von Tatbeständen des innerstaatlichen Strafrechts wie Mord, Freiheitsberaubung, Raub usw. Daher ist kein internationales Gericht zur Aburteilung nötig oder denkbar. Dessen Fungieren würde ja eine überstaatliche Zentralgewalt voraussetzen, wie sie sich bestimmte imperialistische Staaten zu ihren Gunsten erträumen.28 Zuständig sind die nationalen Gerichte für die Straftaten, die in den Strafgesetzbüchern aller Nationen vorgesehen sind und deren Rechtswidrigkeit sich aus dem Völkerrecht ergibt. Wegen der internationalen Tragweite dieser Taten muß die Verfolgung m. E. nach dem sog. Universalprinzip geschehen. Wenn nach § 4 des deutschen StGB Falschmünzerei nach dem Universalprinzip verfolgt wird, wie dann erst die Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen der Faschisten! Das würde heißen, daß schlechterdings jeder Staat als Garant der internationalen Friedensordnung die Möglichkeit hätte, wenn er eines Kriegs- oder Menschlichkeitsverbrechers habhaft wird, ihn zu bestrafen und, wenn er dies nicht selbst tut, verpflichtet wäre, ihn zumindest der wirksamen gesetzmäßigen Bestrafung durch einen anderen Staat zuzuführen. Sollte man statt dessen die Strafverfolgung auf das sog. Schutzprinzip begrenzen, so wären nur diejenigen Staaten zur Strafverfolgung berechtigt, deren Staatsbürger durch die Straftat verletzt wurden oder auf deren Territorium die Tat begangen wurde, und natürlich auch der Staat, um dessen Bürger es sich handelt. Gerade im Fall Eichmann versuchte die Verteidigung offenbar, durch überdies entstellte Berufung auf das Schutzprinzip die Zuständigkeit des israelischen Gerichts, die nach dem Universalprinzip ohne weiteres gegeben wäre, zu bestreiten. Schon hat man einen jüdischen Bürger der USA, einen Harvard-Professor, mobil gemacht, der die an sich richtige Erklärung abgab, daß nicht sämtliche Juden der Welt durch den Staat Israel repräsentiert würden. Offenbar wollte die Verteidigung daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß der Staat Israel, da er nicht für das ganze jüdische Volk sprechen könne, gar nicht berechtigt sei, die Strafverfolgung für dessen Schutz zu 28 Auch das IMT war kein internationales Gericht in diesem Sinne. Die Signatarmächte taten nur gemeinsam das, was jeder von ihnen hätte tun können; vgl. die Formulierung des Nürnberger Urteils in: Der Nürnberger Prozeß, a. a. O., S. 169. übernehmen. Eine solche Argumentation ist unschlüssig, da ihn schon die Tatsache, daß auch ohne die willkürliche Annahme eines Vertretungsmonopols des israelischen Staates für jüdische Bürger anderer Staaten über die Hälfte seiner Bürger zu den unmittelbar durch die Straftaten Eichmanns Betroffenen gehören, zur Ab--urteilung Eichmanns in jedem Fall legitimiert. Immerhin würde vom Standpunkt des Universalprinzips diese Schwierigkeit gar nicht entstehen können, und auch abgesehen davon würde m. E. dieses Prinzips grundsätzlich der Bedeutung der Verfolgung der Kriegs- und Menschlichkeitsverbrecher besser entsprechen. Die Pflicht zur vollständigen Aufklärung, vor deren Beachtung sich Servatius und seine Auftraggeber am meisten fürchten, haben die Vier Mächte ausdrücklich übernommen29. Im besonderen Maße aber sind zur Aufklärung dieser Verbrechen die beiden deutschen Staaten verpflichtet. Das ergibt sich aus den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens Abschn. Ill A 4 und 5, die sich speziell mit der Notwendigkeit der strafrechtlichen Verfolgung der Kriegs- und Menschlichkeitsverbrecher befassen. Daraus ergibt sich: Unbeschadet der Tatsache, daß die Kontrollratsgesetzgebung und mit ihr das Kontroll-ratsgesetz 10 als solche nicht mehr fortbestehen, weil in Westdeutschland an die Stelle des Protektorats der Satellitenstaat getreten ist und die Okkupation daher verschleiert werden muß, während seit Gründung der DDR es hier kein Besatzungsregime mehr gibt und daher auch hier die Kontrollratsnormen aufgehoben sind, ist der Rechtsgrundsatz der besonderen Verantwortung gerade des deutschen Volkes und damit der beiden deutschen Staaten für die Bestrafung der Kriegsverbrecher ein bleibender Grundsatz. Das bestätigen unmittelbar die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens, aber auch die Klauseln der UNO-Charta, die wie aus Art. 53 und 107 folgt die endgültige Entwurzelung der Angriffspolitik des deutschen Militarismus sichern sollen. Diese besondere Verpflichtung gerade der deutschen Staaten begründet allerdings kein Interventionsrecht der Bundesrepublik gegen die Durchführung von Prozessen durch die Gerichte eines anderen nach dem Universal- oder Schutzprinzip eingreifenden Staates, zumal der Adenauer-Staat nach seiner bisherigen Rehabilitierungspraxis nicht nur ein Asyl der Kriegsverbrecher geworden ist, sondern sie systematisch in höchste Stellen beruft. Eine Auslieferung von Eichmann an Bonn wäre auch deswegen sinnlos, weil die Möglichkeit seiner Verfolgung während seiner Anwesenheit in Westdeutschland bereits bestanden hat, ohne daß sie genutzt worden ist. Wie wenig die gerichtliche Bestrafung in Westdeutschland „gesichert“ wäre, wird auch deutlich durch die Prozeßberichterstattung der westdeutschen Presse, z. B. die kaum verhüllten Diffamierungen der israelischen Justiz in der „Welt“ vom 13. April 1961. Der Zweck des von Servatius behaupteten Interventionsrechts der Bundesrepublik ist natürlich die Umwandlung des Mordes mindestens in Totschlag durch ein westdeutsches Gericht (Verneinung niederer Beweggründe durch die Gesinnungsfreunde, die den Angeklagten auf der Richterbank in Westdeutschland erwarten würden) und auf § 67 StGB gestützt der Einwand der Verjährung. Nach Völkerrecht gibt es allerdings keine Verjährung von Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen, wie das Oberste Gericht im Oberländer-Prozeß richtig feststellte30. 29 vgl. Erklärung Churchills am 26. September 1944 im Unterhaus, seine Regierung sei entschlossen, ihr Äußerstes zu tun, um die Naziverbrecher zu bestrafen, in: The Times vom 27. September 1944. Vgl. auch die entsprechenden Erklärungen des amerikanischen Staatssekretärs Hull vom 28. September 1944 und von Roosevelt vom 30. Juli 1943. Die Erklärungen Stalins wurden bereits erwähnt. 30 vgl. NJ 1960, Beilage zu Heft 10. 313 c;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

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